Die Nazi-Verstrickungen der Munich Re
Von Stefan Kroneck, MünchenZahlreiche Unternehmen haben lange gebraucht, sich ihrer braunen Vergangenheit zu stellen. Das Kapitel NS-Zeit war viele Jahre auch ein Tabuthema in der deutschen Wirtschaft. Dabei hatte sich ein Großteil der Konzerne mit den Nazis arrangiert, kooperiert und aus den Verbrechen Profit geschlagen. Erst in jüngster Vergangenheit arbeiteten Unternehmen wie unter anderem die Deutsche Bank, die Allianz, BMW, MAN, Volkswagen, ThyssenKrupp, KarstadtQuelle und Bosch ihre NS-Verstrickungen auf. Für Aufsehen sorgte die Filmdokumentation “Das Schweigen der Quandts” über die Geschäfte einer der reichsten Unternehmerfamilien Deutschlands mit Hitler und seinen Schergen.Nun ließ die Munich Re in einer Firmenchronik ihre Rolle während der NS-Zeit von den beiden Historikern Johannes Bähr und Christopher Kopper durchleuchten. Herausgekommen ist eine wissenschaftliche Arbeit in Buchformat mit dem Titel “Munich Re. Die Geschichte der Münchener Rück, 1880 bis 1980” (Verlag C.H. Beck), die ernüchternde Ergebnisse vorweist. Bei der Buchpräsentation in München im Beisein von Konzernchef Nikolaus von Bomhard urteilten die Autoren über das dunkelste Kapitel in der Firmengeschichte. So hatte der größte Rückversicherer der Welt ebenfalls vom NS-Regime profitiert, wenngleich die Gesellschaft sich bei der Unterstützung der Nazis nicht so weit aus dem Fenster gelehnt hatte wie manch andere große Adresse der deutschen Wirtschaft. Zwar lassen Bähr und Kopper in ihrem Werk die ersten 100 Jahre der Munich Re Revue passieren, die Diskussion der Teilnehmer konzentrierte sich aber überwiegend auf die Zeit von 1933 bis 1945.Die Munich Re war seinerzeit mit rund 350 Beschäftigten ein für heutige Verhältnisse (heute umfasst sie über 43 000 Mitarbeiter) relativ kleines Unternehmen, aber schon damals Marktführer im Rückversicherungsgeschäft. Im Gegensatz zur Schwestergesellschaft Allianz verhielt sich die Munich Re gegenüber den Nazis im Großen und Ganzen reserviert, dennoch suchte auch sie die Nähe zum Hitler-Regime, um daraus vor allem geschäftliche Vorteile zu ziehen. Die damaligen Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Kißkalt (bis 1937) und Kurt Schmitt (ab 1938) traten mit der Machtergreifung Hitlers der NSDAP freiwillig bei. Schmitt war ranghohes SS-Mitglied. Er war sogar mit den NS-Größen Hermann Göring und Heinrich Himmler befreundet. Die Buchautoren schreiben von Schmitts “politischer Persönlichkeitsspaltung”. Einerseits ließ auch er es sich nicht nehmen, Geschäfte mit den Nazis zu machen, andererseits wuchs bei ihm das Unbehagen über die Radikalisierung des Antisemitismus bis zum Holocaust. Schmitt gehörte damit zu den Mitwissern über die Verbrechen, zog daraus aber keine Konsequenzen. Die Munich Re nutzte die Notlage vieler Juden aus. So strich sie die Gewinne aus dem Rückkauf von Lebensversicherungen ein, die Juden gegen Zwang kündigen mussten, um ihre Auswanderung zu finanzieren. Zugleich erwarb die Gesellschaft 1939 Immobilien jüdischer Herkunft zu Preisen, die deutlich unter den Marktkonditionen lagen. Mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Norwegen, in Holland und Belgien nutzte Schmitt die Beziehung zu Himmler aus, um in diesen Ländern “einen Vorsprung im Rennen um die erträglichsten Rückversicherungsverträge (…) zu sichern”.Die Öffnung der Munich Re kommt zwar im Vergleich zu anderen Firmen relativ spät, allerdings schweigen bis heute immer noch einige Großkonzerne über ihre NS-Vergangenheit. ——–Die Munich Re stellt sich ihrer Nazi-Vergangenheit – das kommt aber relativ spät.——-