GASTBEITRAG

Die Risikoberichte deutscher Banken haben stark an Qualität gewonnen

Börsen-Zeitung, 11.5.2013 Aufgrund der seit Jahren anhaltenden Finanz- und Staatsschuldenkrise nimmt das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über die Risikomanagementsysteme und die Risikopositionierung von Banken deutlich zu. Insbesondere...

Die Risikoberichte deutscher Banken haben stark an Qualität gewonnen

Aufgrund der seit Jahren anhaltenden Finanz- und Staatsschuldenkrise nimmt das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über die Risikomanagementsysteme und die Risikopositionierung von Banken deutlich zu. Insbesondere der Einsatz von Steuergeldern zur teilweisen oder vollständigen Verstaatlichung systemrelevanter inländischer Kreditinstitute führt zu einem bis dahin noch nicht gekannten Maß öffentlicher Aufmerksamkeit. Als zentrales Instrument der externen Unternehmenskommunikation dient der Geschäftsbericht, in dem Banken über ihr abgelaufenes Geschäftsjahr Rechenschaft ablegen. Im darin enthaltenden Risikobericht wird über eingegangene Risiken sowie die Methoden zu ihrer Messung und Steuerung informiert und eine Einschätzung über die künftige Entwicklung gegeben, um Informationsasymmetrien zwischen Management und Berichtsadressaten abzubauen.Wie umfassend die Risikoberichterstattung deutscher Institute ist, wurde bis heute nicht untersucht. Eine Studie der Universität zu Köln schließt diese Lücke und analysiert erstmalig die Entwicklung der Risikoberichterstattungsgüte. Für die Jahre 2002 bis 2011 werden von 30 repräsentativen Banken rund 40000 Einzeldaten aus Risikoberichten erhoben, empirisch ausgewertet und alle Informationen in einem Risikoberichterstattungsindex (Rix) zusammengeführt. Es werden zwölf Privatbanken, 14 Institute der Sparkassen-Finanzgruppe sowie vier Institute der genossenschaftlichen Finanzgruppe analysiert, so dass das Dreisäulensystem der deutschen Kreditwirtschaft abgebildet werden kann. Die Gruppe der privaten Banken beinhaltet insbesondere die Großbanken; zu den öffentlich-rechtlichen Banken zählen neben den Landesbanken auch die drei nach Bilanzsumme größten Sparkassen. Im genossenschaftlichen Sektor werden die Spitzeninstitute und zwei große Primärbanken analysiert. Das Studiendesign erlaubt es, detailliert die Berichterstattung nach Risikoarten, Bankgruppen und zeitlicher Entwicklung getrennt zu analysieren und bietet somit erstmals einen ganzheitlichen Einblick in die Risikoberichterstattungspraxis.Im Zeitablauf signalisieren die Rix-Ergebnisse von 2002 bis 2011 eine kontinuierliche Entwicklung der Berichterstattung hin zu einer besseren Risikokommunikation seitens der Banken. Gesetzesinitiativen beschleunigen zwar den Prozess zur Verbesserung der Risikopublizität, sind jedoch nicht – wie zuvor vermutet – allein maßgeblich. Eine Besonderheit zeigt sich im Jahr 2007, als die erstmals verpflichtende Anwendung der IFRS 7 mit ihren weitgehenden quantitativen Offenlegungspflichten zu einer sprunghaften Ausweitung des Risikoreportings führt.Die Studie differenziert nach den typischen Risikoarten von Kreditinstituten: Kredit-, Liquiditäts-, Marktpreis- und operationelle Risiken. Diese Risikoarten werden um Informationen zur generellen Risikomanagementgestaltung sowie zum Risikokapitalmanagement ergänzt. Die Analyse der einzelnen Risikoarten stellt fest: Zwar wird die Berichterstattung aller Risikoarten im Zeitablauf verbessert, jedoch liegen die Erfüllungsgrade der Berichterstattung zu den Risikoarten zum Teil auf sehr unterschiedlichen Niveaus. Krisenbedingte Anpassungen führen in einzelnen Fällen zu sehr starken Ausweitungen der Publizitätsgüte, etwa fürs Liquiditätsrisikoreporting ab dem Jahr 2007 (siehe rechte Grafik).Darüber hinaus deckt die Studie für unterschiedliche Risikomess- und -steuerungsverfahren starke Entwicklungstendenzen für die wesentlichen Risikoarten auf: So scheinen sich für die Kreditrisikomessung Mark-to-Market-Modelle wie CreditMetrics als Standard zu etablieren. Die hierfür benötigten internen Ratingmodelle werden durch die Banken kontinuierlich verfeinert. Auch in der Messung anderer Risikoarten werden klare Trends identifiziert: Beispielsweise setzen Banken zur Einschätzung der Liquiditätsrisiken vermehrt auf Stresstests (+400% in den vergangenen 10 Jahren), wogegen sich value-at-risk-basierte Modelle nicht durchsetzen können.Die Analyse der drei Bankengruppen offenbart eine geringe Qualität der Risikoberichte im Jahr 2002 bei den öffentlich-rechtlichen sowie den Instituten der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Die Risikoberichterstattung privater Institute ist 2002 dagegen bereits professionalisierter. Die öffentlich-rechtlichen Institute und Banken des genossenschaftlichen Finanzverbundes weiten ihre Risikopublizität im Zeitablauf allerdings wesentlich stärker aus und können schon bis zum Jahr 2006 den Abstand zum Privatbankensektor egalisieren. Ab dem Jahr 2007 stellen die öffentlich-rechtlichen Institute die Bankgruppe mit der höchsten durchschnittlichen Berichtsgüte dar. Ein Grund für diese Entwicklung könnte in einer Adjustierung der Geschäftsmodelle dieser Banken hin zu einem globaleren und kapitalmarktorientierteren Geschäft zu finden sein.Insgesamt zeigt die Studie, dass die betrachteten Kreditinstitute heute einen sehr hohen Standard in ihrer Risikoberichterstattung aufweisen. Aus dem scheinbaren Nachteil der Koexistenz von nichtgesetzlichen Anforderungen (DRS 5 – 10) und gesetzlichen Vorschriften erwächst die Möglichkeit zur Individualisierung der Risikoberichte nach institutsspezifischen Besonderheiten bei gleichzeitiger Gewährleistung eines Mindestmaßes an Risikopublizitätsgüte. Die untersuchten Banken stellen die größten Bankgruppenmitglieder dar, repräsentieren jedoch nur rund 1,4% aller deutschen Kreditinstitute. Daher können die gefundenen Publizitätsmerkmale als Best- Practice-Methodik für kleinere Banken aufgefasst werden.Die ausführliche Studie steht unter www.bankseminar.uni-koeln.de/schlter1.html zum Download bereit.—-Weitere Autoren: Tim Weber (WGZ Bank), Michael Zander (WGZ Bank) —-Thomas Hartmann-Wendels Direktor des Seminars für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (ABWL) und Bankbetriebslehre, Universität zu Köln —-Tobias Schlüter Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für ABWL und Bankbetriebslehre, Universität zu Köln