Die Rolle von Einlagenplattformen im Fall Greensill Bank
Einlagenplattformen wie Weltsparen und Zinspilot zählen zu den wichtigsten Innovationen im Banking. Sie gehören zu jenen Angeboten, von deren Nutzung Kunden ebenso profitieren wie etablierte Banken: Kunden erhalten mehr Auswahl und können von höheren Zinsen anderer Banken profitieren. Einlagen aufnehmende Banken diversifizieren effizient die Quellen ihrer Kundenliquidität, was wesentlich zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen und zur Stabilität des Finanzmarktes beiträgt. Hausbanken wiederum können über das Vermitteln von Drittprodukten über die Plattformen Einlagen von ihrer Bilanz absteuern, wirkungsvoll ihre Negativzinsbelastung bei der EZB reduzieren und gleichzeitig ihr Kundenangebot stärken. So tragen Einlagenplattformen zur Schaffung eines widerstandsfähigeren und kundenfreundlicheren Finanzsystems bei.
Blick auf die Zahlen
Wie fest Zinsplattformen bereits im europäischen Bankgeschäft verankert sind, zeigt der Blick auf die Zahlen: Rund 400 Finanzinstitute in Europa kooperieren mit Raisin DS, dem kürzlich aus der Fusion der Unternehmen Deposit Solutions und Raisin hervorgegangenen Marktführer. Darunter sind bekannte Institute wie Deutsche Bank oder Commerzbank, die größten Sparkassen und Genossenschaftsbanken, etablierte ausländische Finanzdienstleister wie Aviva, Investec oder Crédit Agricole Consumer Finance, und Neobanken wie N26.
Die breitere Öffentlichkeit dürfte kürzlich jedoch durch ein anderes Thema auf die Einlagenplattformen aufmerksam geworden sein. Einer der 400 Partner, die Greensill Bank AG mit Sitz in Bremen, musste im März 2021 Insolvenz anmelden – ein unglückliches Ereignis für alle Marktteilnehmer, allen voran die Kommunen, deren Einlagen bei der Bank nicht gesichert waren. Seitdem schwelt die Diskussion, wer die Verantwortung trägt. Wie kam das gute Rating der Bank zustande? Gab es Unregelmäßigkeiten in der Buchführung der Bank, und hätten externe Wirtschaftsprüfer dies bemerken müssen? Haben die Aufsicht und der Prüfungsverband die Bank richtig geprüft? Warum haben etablierte Verbraucher- und Finanzmagazine die Produkte der Greensill Bank bis zuletzt empfohlen?
Ebenfalls diskutiert wurde die Rolle von Einlagenplattformen. Hierbei standen drei Fragen im Mittelpunkt.
Erstens: Belastet die Entschädigung von Kunden, die über Einlagenplattformen Geld bei der Greensill Bank angelegt hatten, den Einlagensicherungsfonds der Banken oder gar den Steuerzahler?
Frage der Größenordnung
Machen wir uns hierfür zunächst ein Bild von den Größenordnungen. Insgesamt ein Viertel ihrer Einlagen hat die Greensill Bank über Plattformen eingeworben, den Rest direkt bei Kunden oder über konventionelle Vermittler. Der Durchschnittsbetrag, den Kunden über Plattformen bei der Bank angelegt haben, lag mit rund 40000 Euro deutlich unter der Grenze der gesetzlichen Einlagensicherung und fiel damit in den Geltungsbereich der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB). Dieser Einlagensicherungsfonds wird von den Banken befüllt, Steuergeld ist nicht involviert. Die gesetzliche Einlagensicherung wird dabei vor allen anderen Verbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse der Bank bedient – und das im Falle der Greensill Bank voraussichtlich zu 100%. Zudem haben Einlagenplattformen keine ungeschützten Einlagen von Kommunen vermittelt.
Zweitens: Ist es legitim, dass Sparer (und Plattformbetreiber) sich auf die Einlagensicherung verlassen – oder sollten bestimmte Marktteilnehmer ganz oder teilweise von der Einlagensicherung ausgeschlossen werden oder weniger stark geschützt sein?
Die Einlagensicherung ist wichtig, damit der Markt für alle Teilnehmer funktioniert. Sie dient dem Ziel, die Finanzmarktstabilität zu stärken und Bank Runs zu verhindern. Gleichzeitig schützt sie Kunden bei der Nutzung einfacher Sparprodukte vor Risiken, die sie selbst nicht einschätzen können. So ist es Verbrauchern unmöglich, bei der Eröffnung eines Bankkontos eine Kreditrisiko-Einschätzung vorzunehmen oder gar die Stabilität der Bank zu beurteilen. In einem Einlagensicherungsfall wiederum muss für alle Kunden der Gleichbehandlungsgrundsatz gelten, egal über welchen Kanal sie an die Produkte der Bank gelangt sind. So wäre es Verbrauchern angesichts der zunehmenden Vielfalt an Zugangswegen – Filialen, Direktportale, Vergleichswebseiten, Zinsplattformen und viele mehr – nicht zuzumuten, jederzeit selbst zu urteilen, ob sie sich bei der Nutzung identischer Bankprodukte gerade in einem vollständig oder einem teilweise geschützten Kanal bewegen.
Drittens: Hätten die Plattformbetreiber die Probleme der Greensill Bank erkennen und die Bank noch vor dem Zahlungsmoratorium der Finanzaufsicht BaFin aktiv von der Vermittlung von Einlagen ausschließen müssen?
Hierfür muss man sich die unterschiedlichen Rollen der Marktteilnehmer vor Augen führen. Im Falle von Bankeinlagen liegt die alleinige Zulassungs- und Überwachungsfunktion zu Recht bei der Bankenaufsicht sowie zu einem kleineren Teil beim Prüfungsverband, die für die Erfüllung dieser Aufgabe über die notwendigen Instrumente und Informationen verfügt. Kein privates Unternehmen sollte darüber entscheiden und urteilen, welches beaufsichtigte Finanzinstitut nach Zulassung zum Einlagengeschäft einen besseren Zugang zu Kunden bekommen sollte und welches nicht. Plattformbetreiber sollen aufklären, informieren, Hinweise aufnehmen und im seltenen Falle einer Insolvenz bei der Abwicklung helfen, das hilft der Finanzmarktstabilität und stärkt das Kundenvertrauen. Jedoch steht ihnen keine Aufsichtsfunktion zu.
Lehren ziehen
Natürlich ziehen, wie alle Marktteilnehmer, auch Plattformbetreiber ihre Lehren aus der Causa Greensill. So wäre es nach unserer Sicht zum Beispiel sinnvoll, dass sich die Marktteilnehmer und die Aufsicht für die Umsetzung der bestehenden Regeln enger abstimmen. Dazu wollen wir gerne unseren Beitrag leisten.
Gleichzeitig kann der Finanzplatz Deutschland nur dann gestärkt aus dem Fall Greensill hervorgehen, wenn es gelingt, die erkannten Risiken systematisch zu schließen, ohne dabei die bereits erzielten Fortschritte in Sachen Verbraucherfreundlichkeit, barrierefreier digitaler Zugang zu Bankprodukten sowie Förderung des europäischen Binnenmarkts zu revidieren.