Die Route wird neu berechnet

Der Weg vom Finanzierer zum Gestalter

Die Route wird neu berechnet

Eigentlich ist es eine Binsenweisheit: Die Zukunft der Banken ist alles andere als gewiss. Eins ist allerdings sicher: Es wird sich etwas verändern. Oder besser: Es wird sich viel verändern müssen. Denn die Herausforderungen angesichts neuer Kundenbedürfnisse sowie technischer und regulatorischer Entwicklungen sind enorm. Alle Banken, wie wir sie heute kennen, werden sich umstellen oder sich vielmehr neu erfinden müssen, um im Wettbewerb zu bestehen. Bank der Zukunft Wie könnte die Bank der Zukunft aussehen? Wird das Angebot von Standardfinanzprodukten und -lö-sungen für Banken ein Auslaufmodell? Vielleicht. Fakt ist, dass in diesem Marktsegment ein intensiver Preiswettbewerb herrscht, der sich noch verstärken wird. Bestehen wird diesen Wettbewerb nur der, der über Masse und Technik die Nase im Preiskampf vorne hat. Das heißt auch: Künftig werden die Erbringer dieser Leistungen gar nicht mehr zwingend Banken sein. Schon heute gibt es viele neue Anbieter, die sich im Markt positionieren. Wer sich von ihnen durchsetzen wird und wie schnell, wird sich zeigen.Ein anderes Geschäftsmodell der Zukunft könnte auf Nischenkompetenz basieren und auf dem Angebot komplexer Lösungen, die über das Banking hinausgehen. Die Banken sind dann nicht länger reine Produktanbieter, sondern sie werden Teil des Marktes ihrer Zielkunden. Ich nenne diesen Ansatz deshalb auch die Ökosystem-Strategie. Dieser Weg wäre für die apoBank naheliegend: Sie arbeitet als Standesbank der Heilberufler an der Schnittstelle zwischen Banken- und Gesundheitsmarkt – das sind gleich zwei spannende Märkte mit tiefgreifenden Strukturveränderungen. Für die Mitgestaltung eines Ökosystems gibt es kein Patentrezept – denn die aktuelle Situation am Bankenmarkt ist neu -, alle Akteure und somit auch wir können uns aber an den folgenden fünf Erfolgsfaktoren orientieren: 1. Der richtige Markt und ein überzeugendes AlleinstellungsmerkmalDie Voraussetzung für ein erfolgreiches Agieren in einem Ökosystem ist, dass es sich hierbei um einen Markt mit Potenzial und sicherer Zukunft handelt. Das ist zum Beispiel beim Gesundheitsmarkt der Fall. Eine weitere Voraussetzung ist das Vorhandensein eines Alleinstellungsmerkmals des Anbieters – welche Bank hat das heutzutage noch wirklich? Uns kommt zugute, dass wir uns als einzige Bank auf die Angehörigen der Heilberufe und auf den Gesundheitsmarkt spezialisiert haben.Eine Besonderheit kann auch die Rechtsform sein. Die apoBank beispielsweise ist eine Genossenschaft. Die Genossenschaftsidee ist auch zum 200. Geburtstag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen lebendiger denn je. Wenn Kunden gleichzeitig auch Eigentümer der Bank sind, erhöht das ihre Identifikation und Loyalität. Das ist in einem Ökosystem durchaus ein Vorteil.All das reicht aber nicht. Auch in der Innensicht braucht es eine klare Orientierung: Jedes Unternehmen und so auch jede Bank benötigt einen inneren Motor, damit der eigene Auftrag klar ist, zum Beispiel in Form eines Leitgedankens. Für die einen heißt das Vorsprung durch Technik, für die anderen, den Weg freizumachen. Für uns bei der apoBank heißt es, dass wir Gesundheit ermöglichen wollen. 2. Die richtige LeistungspaletteWer heute wartet, bis ein Kunde mit seinen Bedürfnissen zu ihm kommt, hat eigentlich schon verloren. Alle Unternehmen und auch wir Banken müssen antizipieren, was der Kunde zu welchem Zeitpunkt braucht. Als Gestalter eines Ökosystems müssen wir uns nicht nur fragen, welche Erwartungen die Kunden haben und welche Produkte wir als Bank deshalb vorhalten sollten. Es geht auch darum, welche Leistungen jenseits des traditionellen Banking von uns erwartet werden könnten und dem Kunden einen Mehrwert bieten – Leistungen, die er nirgendwo anders in dieser Form bekommt.In jedem Fall muss unser Angebot kongruent sein mit unserem Gesamtziel als Bank, das heißt, wir müssen mit unserem Angebot glaubhaft und authentisch sein und bleiben. Ein gutes Beispiel in der apoBank ist unsere Existenzgründungsberatung für Ärzte und Apotheker. Hier bringen wir nicht nur unser Finanz-Know-how, sondern zum Beispiel auch die Erkenntnisse unserer Standortanalysen ein. Derzeit bauen wir unsere Beratungspalette rund um die Gründung oder Übernahme einer Praxis speziell für junge Heilberufler weiter aus. Zudem entwickeln wir unser Firmenkundengeschäft weiter. Denn der Pharmagroßhandel, Kliniken, Pflegeheime oder Unternehmen der Medizintechnik gehören ebenfalls zu unserem Kundenkreis. Auch hier bieten wir neben der Finanzierung immer häufiger Consulting-Leistungen an; die entsprechende Beratungskompetenz bauen wir systematisch auf. 3. Der richtige “Convenience-Grad” für die KundenConvenience in diesem Zusammenhang bedeutet, Kunden einen vielfältigen und intuitiven Zugang zur Bank und ihren Dienstleistungen zu bieten. Digitale Plattformen werden dabei künftig noch wichtiger werden. Das geht weit über das Online-Banking hinaus. Wir wollen dort sein, wo die Kunden uns brauchen – vor Ort beim Kunden, in einer Filiale oder im Internet. Kostengünstig ist es natürlich nicht, viele Zugangskanäle parallel vorzuhalten, aber es lohnt sich. Letztlich wird auch das Banking der Zukunft ein “People’s Business” bleiben: Der persönliche Kontakt und ein Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Berater werden immer gefragt sein. Insbesondere dann, wenn es um komplexe Fragestellungen geht. 4. Die richtige ProzesslandschaftVoraussetzung für einen gelungenen Wandel unter den veränderten Vorzeichen sind effiziente und kundenorientierte Prozesse. Denn der Kunde hat nichts davon, wenn wir Banker den größten Teil unserer Zeit für Administratives aufwenden und uns in internen Prozessen verlieren. Wir müssen vielmehr für den Kunden präsent sein; die unterstützenden Prozesse sollten im Hintergrund weitgehend automatisch ablaufen. Komplexe Produkte können durchaus einen komplexen Prozess rechtfertigen. Hier bringt die Differenzierung und nicht die Standardisierung den Effizienzgewinn. Zugleich gilt es, die Abläufe in den Filialen so zu gestalten, dass der Fokus auf Beratung liegt und nicht auf Verwaltung. Und: Die Bank der Zukunft braucht natürlich eine leistungsstarke IT. Ja, das bedeutet wieder Investitionen, aber auch hier gilt: Geld, das in die Interaktion mit Kunden investiert wird, ist gut angelegtes Geld. 5. Die richtige Portion Mut zur Veränderung Für einen solchen Wandlungsprozess, wie ich ihn in den vorhergehenden Punkten beschrieben habe, braucht es vor allem eins: Mut, neu zu denken, und zwar auf allen Hierarchieebenen. Grundlage dafür sind eine Innovationskultur und ein definierter Innovationsprozess, der gute Ideen fördert und schnell zur Umsetzung führt, unabhängig davon, woher die Ideen kommen. Gleichzeitig müssen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, den Anforderungen eines zukunftsorientierten und modernen Arbeitens gerecht zu werden. Nine-to-five ist Vergangenheit – wir brauchen flexible Arbeitszeitmodelle, neue Formen der Arbeitsorganisation wie mobiles Arbeiten und agile Formen der Zusammenarbeit. Gegenwind aushaltenNiemand weiß, ob jede Maßnahme, jede Entscheidung, die Banken heute treffen, erfolgreich ist, denn die Rahmenbedingungen und die Marktsituation gab es so noch nie. Deshalb gehört Mut zum Scheitern ebenfalls dazu. Auch den Mut, Gegenwind auszuhalten, wenn wir uns auf ganz neuen Pfaden bewegen, – Mut, die eigene Komfortzone zu verlassen. Die Banken, die heute diesen Mut haben und ihr Ökosystem gestalten, werden die Banken der Zukunft sein.—-Ulrich Sommer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)