IM GESPRÄCH: SVEN KORSCHINOWSKI, KPMG

"Die Schnäppchenmentalität ist weit verbreitet"

Der Zahlungsverkehrsexperte geht davon aus, dass Kunden Zugang zu ihren Kontodaten für einen kostenlosen Mehrwert oder Rabatte erlauben

"Die Schnäppchenmentalität ist weit verbreitet"

Von Karin Böhmert, FrankfurtDie europäische Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 (Payment Services Directive) ist der Startpunkt, Bankgeschäft neu zu formen. Dies unterstreicht Sven Korschinowski, Experte für Payments, Fintechs und Digital Banking bei KPMG, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die EU-Richtlinie, die Anfang 2018 umgesetzt werden muss, sorgt für ein regulatorisch bedingtes Aufbrechen der Wertschöpfungskette der Finanzinstitute, wie er sagt. Neue Anbieter drängen demnach in diese Kette hinein oder einzelne Bereiche werden miteinander verwoben.Eines der Kernelemente ist der Access-to-Account, also der Zugang zum Konto des Kunden, den die Banken künftig Drittanbietern freigeben müssen, wenn der Kunde dies erlaubt. “Die Zustimmung des Kunden dürfte zwar nur erfolgen, wenn der Drittanbieter auch einen Mehrwert anbietet”, betont Korschinowski. Der Zahlungsverkehrsexperte geht allerdings davon aus, dass die Hemmschwelle bei Kunden nicht sehr hoch sein wird, denn viele Menschen geben ohnehin durchs Surfen im Internet bereits eine Vielzahl ihrer Daten mehr oder weniger bewusst preis. Neue GeschäftsmodelleZudem sind Verlockungen nahezu unwiderstehlich. “Die Schnäppchenmentalität ist weit verbreitet”, sagt Korschinowski. Kunden akzeptierten die Nutzung ihrer Daten, wenn sie dafür etwas kostenlos oder zusätzlich, wie etwa einen Rabatt, erhielten. Ein Abschlag von beispielsweise 10 %, wenn zusätzlich eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen wird, für die die Bank wiederum eine Vermittlungsprovision erhält, klinge verlockend.Finanzdienstleister könnten ebenfalls von dieser Entwicklung profitieren und durch die Datennutzung Geschäftsmodelle generieren. “Banken müssen sich dafür aber öffnen und die Herausforderungen technisch und prozessual umsetzen. Schließlich gehören die Daten nicht der Bank, sondern dem Kunden, der sie produziert hat”, betont der Zahlungsverkehrsexperte.Er sieht drei Möglichkeiten, wie Finanzinstitute in diesem Zahlungsverkehrsumfeld künftig ertragreich operieren können. Als erste Variante könnten Finanzinstitute mit anderen Anbietern zusammenarbeiten. Das reicht von Start-ups, die finanzwirtschaftliche Prozesse anbieten, bis hin zu Handelspartnern von physischen Konsumgütern sowie Plattformen wie Amazon, die in eine Banking App eingebunden werden könnten. Kauft der Bankkunde beispielsweise über die Banking App, in die der Händler eingebunden ist, könne die Bank vom Händler eine Provision erhalten. “Viele Banken haben diesen Ansatz zwar im Blick, setzen aber aktuell noch die Priorität auf die regulatorische Umsetzung der PSD2.” Produkte überarbeitenAls zweite Variante empfiehlt Korschinowski den Banken, bestehende Finanzprodukte zu überarbeiten. Schließlich erhalte man auch als Bank Zugriff – Zustimmung vorausgesetzt – auf Kontodaten des Kunden bei anderen Kreditinstituten. Dies erlaube Rückschlüsse auf laufende Prozesse oder könne die Risikobetrachtung ergänzen. Dadurch könnten eigene Produkte aktiver und zielgenauer angeboten werden, etwa Ratenkredite, wenn die Finanzsituation angespannt erscheint.Drittens sollten Banken schlicht neue Produkte entwerfen. Diese sollten natürlich zur Bank und zum Geschäftsmodell passen. Aufbauen könnten Banken auf ihrer eigenen Stärke, und diese sei vor allem das Vertrauen, das in Zeiten voranschreitender Digitalisierung immer wichtiger werde.Anhand der vielen Daten, die in einer Bank auflaufen, könnten Banken die Daten mit anderen Kunden im eigenen Haus vergleichen, daraus Benchmarks und den Bedarf des einzelnen Kunden ermitteln und ihm eine zielgerichtete Liquiditätsplanung – auch für Firmenkunden – anbieten. “Es geht also darum, Produkte über den Zahlungsverkehr hinaus zu erweitern”, sagt Korschinowski.Da im sehr margenarmen Zahlungsverkehr künftig kaum noch Geld für die Banken zu verdienen sei, gehe es aber auch darum, die sehr IT-lastigen Prozesse und Systeme an Drittanbieter auszulagern.