PERSONEN

Die Schweizer Nationalbank auf Frauensuche

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 10.9.2014 Vieles, was die Schweizerische Nationalbank tun und lassen kann, ist im Nationalbankgesetz festgehalten. Manche Dinge hat der Gesetzgeber aber auch nicht explizit geregelt, und das durchaus mit...

Die Schweizer Nationalbank auf Frauensuche

Von Daniel Zulauf, ZürichVieles, was die Schweizerische Nationalbank tun und lassen kann, ist im Nationalbankgesetz festgehalten. Manche Dinge hat der Gesetzgeber aber auch nicht explizit geregelt, und das durchaus mit Absicht. Schließlich gilt es, der Notenbank ein Maximum an politischer Unabhängigkeit zu garantieren. Doch selbst diese Freiheit hat ihre Grenzen. In der 107-jährigen Institution herrschen zahlreiche ungeschriebene Gesetze, und diese wiegen bisweilen ebenso schwer wie die Paragraphen im Gesetzbuch. Zu den ungeschriebenen Gesetzen gehört, dass die Bank der Banken in der Besetzung ihres dreiköpfigen Direktoriums den föderalistischen Strukturen des Landes Rechnung tragen muss.Das hat konkrete Implikationen, wenn es wie jetzt um die Wahl eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin für den amtierenden Vizepräsidenten Jean-Pierre Danthine geht. Der 64-jährige hat am vergangenen Freitag den Bankrat darüber in Kenntnis gesetzt, dass er Ende Juni 2015 in Pension gehen wird. Der ehemalige Professor an der Universität in Lausanne ist Waadtländer mit belgischen Wurzeln, er repräsentiert im Direktorium der SNB die lateinische Schweiz, und auf diesen Sitz haben die französisch- und italienischsprachigen Landesteile auch weiterhin einen Anspruch.Die Suche nach einem geeigneten Ersatz dürfte nicht einfach werden, denn neben der unverrückbaren, obschon ungeschriebenen Bedingung im Hinblick auf dessen geografische Herkunft wünscht man sich bei der SNB seit langem eine Frau für das höchste Leitungsgremium. Notenbankerinnen sind aber noch immer eine rare Spezies.Darüber kann auch der Umstand nicht hinwegtäuschen, dass die amerikanische Federal Reserve seit Februar in der Person der 67-jährigen Janet Yellen erstmals eine weibliche Präsidentin bekommen hat. Im sechsköpfigen Direktorium der Europäischen Zentralbank ist die deutsche Sabine Lautenschläger bislang alleinige Vertreterin ihres Geschlechts. Im geldpolitischen Ausschuss der Bank of England sitzt mit Nemat Shafik erst seit August wieder eine Frau im Kreis der fünf exekutiven Mitglieder des Gremiums. In der Bank of Japan sind acht von neun Mitgliedern des Policy Board männlich, und selbst in den von Frauen präsidierten Zentralbanken Israels und Südafrikas dominieren Männer mindestens zahlenmäßig die relevanten Ausschüsse. Einzig in der schwedischen Reichsbank ist das Verhältnis ausgeglichen.Bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) haben die Frauen aber einen besonders schweren Stand. Nicht nur im kleinen Leitungsgremium, sondern auch im erweiterten, sechsköpfigen Direktorium sucht man sie vergeblich. Von den insgesamt 832 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der SNB ist nicht einmal jede dritte Stelle mit einer Frau besetzt, und die Mehrheit dieser Frauen hat auch nur einen Teilzeitvertrag (146).Für die Auswahl einer geeigneten Kandidatin sind wiederum bloß Männer verantwortlich. Immerhin sind es drei Vertreter aus der französischsprachigen Schweiz, die den Ernennungsausschuss bilden und dem 11-köpfigen Bankrat in den nächsten zwei bis drei Monaten ihren Wahlvorschlag unterbreiten werden. Jean Studer, Rechtsanwalt und ehemaliger Staatsrat des Kantons Neuenburg, Olivier Steimer, Präsident des Verwaltungsrates der Waadtländer Kantonalbank, und Cédric Tille, Professor am Genfer Graduate Institute of International and Development Studies, werden alles daransetzen, den hohen Erwartungen von Politik und Öffentlichkeit gerecht zu werden. Der politisch zusammengesetzte Bankrat, der zwar keinen Einfluss auf die geldpolitischen Entscheidungen der SNB nehmen kann, diese aber in der Geschäftsführung beaufsichtigt, machte im Zusammenhang mit den privaten Devisengeschäften des im Januar 2012 zurückgetretenen Direktionspräsidenten Philipp Hildebrand keine gute Figur. Die reichlich ungeschickte Kommunikationsarbeit, die sich der Bankrat bei der Aufarbeitung der Affäre geleistet hatte, ging auf Kosten von dessen Glaubwürdigkeit und führte zum Rücktritt ihre Ex-Präsidenten Hansueli Raggenbass.Ein Name dürfte in der am Freitag offiziell gestarteten Suche nach einem Ersatz für Jean-Pierre Danthine bereits gefallen sein. Es handelt sich um Rajna Gibson, Genferin mit kroatischen Wurzeln. Die Finanzprofessorin hat eine glänzende akademische Karriere hinter sich, war mehrere Jahre im Überwachungsorgan der Bankenaufsicht tätig und baut seit fünf Jahren als Gründerin und Direktorin des Geneva Finance Research Institute an einem Kompetenzzentrum für Finanzwissenschaft mit internationaler Ausstrahlung. Gibsons unverkrampftes Verhältnis zur Bankenbranche, die sich an der Finanzierung ihres Institutes beteiligt, dürfte allerdings nicht überall auf Zuspruch stoßen.