Die Signale stehen auf Grün

Der Zug ist nicht mehr aufzuhalten - Investoren werden ihre Kapitalanlage künftig stärker an den Kriterien der Nachhaltigkeit ausrichten müssen

Die Signale stehen auf Grün

In den vergangenen Monaten hat die Debatte um Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage an Dynamik gewonnen. Sie ist breiter und konkreter geworden. Eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure meldete sich zuletzt mit neuen Impulsen und Initiativen zu Wort.Die Liste ist lang. Hier nur einige Beispiele: Im September hoben die Deutsche Börse und der Rat für nachhaltige Entwicklung den sogenannten “Hub for Sustainable Finance” aus der Taufe. Die Einrichtung versteht sich als Plattform, die sich in Deutschland für die Etablierung eines nachhaltigen Finanzsystems engagieren möchte. Bereits einige Monate zuvor hatte die Deutsche Börse mit Akteuren des Finanzplatzes Frankfurt die Nachhaltigkeitsinitiative “Accelerating Sustainable Finance” gegründet. Mit der Frankfurter Erklärung bezeugten deren Unterzeichner ihre Absicht, Rahmenbedingungen einer nachhaltigen Finanzwirtschaft zu definieren und diesbezüglich verschiedene Initiativen am Finanzplatz Frankfurt anzustoßen.Auch die Politik wurde hierzulande inzwischen aktiv. Im November nahm auf Initiative des hessischen Wirtschaftsministeriums in Frankfurt das “Green Finance Cluster” seine Arbeit auf. Angesichts vieler internationaler Absichtserklärungen und Empfehlungen sei nun konkretes Handeln zur Umsetzung erforderlich, sagte damals Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. Ähnliches dachte sich auch der Berufsverband der Investment Professionals (DVFA), als er im März dieses Jahres seinen Kodex für Nachhaltigkeit im Anlageprozess veröffentlichte. Treuhänderische Verantwortung verpflichtet zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien, heißt es unter anderem in dem Papier.Der heftigste Wind of Change bläst derweil allerdings aus Brüssel. Dort verabschiedete die EU-Kommission unlängst den “Action Plan on Sustainable Finance”, der auf den Empfehlungen einer auch mit Praktikern besetzten High Level Expert Group basiert. Dieser Aktionsplan verfolgt ein klares Ziel: Kapital soll in nachhaltige Investments geleitet, Nachhaltigkeit stärker ins Risikomanagement eingebunden und die Transparenz grüner Investments erhöht werden. Zu diesem Zweck will die Kommission institutionelle Investoren und Assetmanager über Verpflichtungen dazu bringen, ESG-Kriterien (ESG = Environmental, Social, Governance) stärker zu beachten und über ihre entsprechenden Aktivitäten zu berichten.Wie die entsprechende Regulierung künftig konkret aussehen wird, wird sich in den kommenden Monaten entscheiden. Erste konkrete Initiativen sind bereits für Mai angekündigt. Fest steht jedoch, dass Brüssel die Ebene der Appelle und grundsätzlichen Überlegungen verlassen hat und sich auf dem Weg hin zu einer handfesten grünen Regulierung befindet. Wohlwollende ReaktionenDie Reaktionen auf den Aktionsplan der EU-Kommission fielen insgesamt wohlwollend aus. Insbesondere NGOs (Nichtregierungsorganisationen) äußerten sich positiv. PRI, die mit rund 1 800 Großanlegern und Assetmanagern weltweit größte Investoreninitiative zur Förderung der nachhaltigen Kapitalanlage, sprach von einem Meilenstein. Auch der deutsche Fondsverband BVI begrüßte den Vorstoß. Viele der EU-Vorschläge fänden die volle Unterstützung des Branchenverbandes, hieß es dort. Dennoch sehen manche Investoren das Projekt mit einer gewissen Skepsis. Sie fürchten, dass zusätzliche Vorschriften in einer ohnehin an Regulierung nicht armen Zeit die aktuellen Herausforderungen in der Kapitalanlage weiter erhöhen könnten. Gewandelte ErwartungenDiese Befürchtung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, hilft den Investoren allerdings kaum weiter. Denn neben dem zunehmenden politischen Druck hat sich auch die Erwartungshaltung von Stakeholdern gewandelt. Sie messen Aspekten der Nachhaltigkeit inzwischen mehr Bedeutung zu. Diese Beobachtung kommt auch in der jährlich durchgeführten Nachhaltigkeitsstudie unseres Hauses zum Ausdruck. Fast 40 % der institutionellen Investoren, die ESG-Kriterien anwenden, tun dies unter anderem deshalb, weil sie diesbezüglich eine große Nachfrage ihrer Kunden und Stakeholder erkennen.Unserer Einschätzung nach ist eine regulatorische Verpflichtung nicht der Königsweg. Schließlich ist jeder Assetmanager aus seiner treuhänderischen Rolle als Vermögensverwalter verpflichtet, im Interesse der Anleger zu handeln und folglich zur Vermeidung von Risiken auch ESG-Kriterien zu berücksichtigen. Allerdings geschieht dies noch nicht flächendeckend. Dies jedenfalls zeigt unsere letzte Nachhaltigkeitsstudie. Danach nutzten 2017 zwar 64 % der von uns befragten Investoren ESG-Kriterien. Im Umkehrschluss heißt dies allerdings, dass ein gutes Drittel dies bisher noch nicht tut. Für diese “Nichtanwender” könnte die aktuelle Diskussion ein Weckruf sein. Dabei sollten sie nicht nur die Herausforderungen, sondern auch die Chancen einer nachhaltig ausgerichteten Geldanlage im Auge haben.Eines ist gewiss. Aus Sicht des Risikomanagements kann die Integration der Nachhaltigkeit nur Vorteile bringen. Denn die klassische Fundamentalanalyse mit einem starken Fokus auf Bilanz, Gewinn-und-Verlust-Rechnung sowie Kapitalflussrechnung reicht allein nicht mehr aus, um alle Risiken im Portfolio messbar und steuerbar zu machen. Die Fundamentalanalyse muss vielmehr um extrafinanzielle Aspekte erweitert werden. Zu diesen Aspekten zählen auch die sogenannten ESG-Kriterien. Wer diese in den Investmentprozess integriert, führt damit in erster Linie einen zusätzlichen Risikomanagementfilter ein. Das Thema Nachhaltigkeit hat sich bei Union Investment längst etabliert und ist tief in den Investmentprozess eingebettet. Dabei geht es um Risiken, die durch die Betrachtung von ESG-Kriterien frühzeitig erkannt und gemieden oder im konstruktiv-kritischen Unternehmensdialog abgestellt werden können. Konkret gemeint sind damit Klage-, Regulierungs-, Reputations- und Eventrisiken sowie Technologierisiken. Und von jeder dieser Risikoklassen geht eine potenzielle Bedrohung für das Portfolio aus. Es ist daher nicht nur für nachhaltig ausgerichtete Investoren von größtem Interesse, ESG-Kriterien als zusätzlichen Filter in das Risikomanagement zu integrieren. ESG als FrühindikatorEs gibt noch einen weiteren Grund, sich intensiv mit Nachhaltigkeitsthemen zu befassen: nämlich den, ein besseres Gefühl für die Tragfähigkeit von Geschäftsmodellen zu bekommen. Tiefgehende Kenntnisse hinsichtlich der künftigen Emissionsstandards erlauben beispielsweise eine fundierte Einschätzung, welche Unternehmen etwa im Transportsektor diesbezüglich führend sein werden. Und wer sich mit dem demografischen Wandel und den damit einhergehenden gesundheitlichen und sozialen Herausforderungen der Bevölkerung auskennt, kann die künftige Nachfrage nach medizinischen Hilfsmitteln besser einschätzen. Immer wenn einschneidende Veränderungen einen Sektor oder eine Region bedrohen, stehen die Chancen gut, mithilfe von ESG-Research als Frühindikator anderen Marktteilnehmern einen Schritt voraus zu sein.Das gilt im Übrigen für eine ganze Reihe von Kernthemen, deren Relevanz vor einigen Jahren vielen Investoren noch nicht bewusst war: Energieeffizienz zum Beispiel, Wasserfilter, LEDs als Ersatz für die alte Glühbirne, Elektromobilität und damit einhergehend eine optimierte Batterietechnik. Dies sind nur einige Teilbereiche, die zeigen, wie der erkennbare Trend zum Haushalten mit Ressourcen zu neuen, zukunftsträchtigen und oft eben auch hochprofitablen Geschäftsmodellen geführt hat. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass Investoren zu kurz greifen, wenn sie das Thema Nachhaltigkeit lediglich als Last und nicht auch als Chance begreifen. Wohl dem, der darauf vorbereitet ist.—-Achim Philippus, Geschäftsführer von Union Investment Institutional