Die Stimmung ist besser als die Lage

Optimismus deutscher Banken überrascht EY - Institute setzen auf Firmenkunden - Fintechs kaum Thema

Die Stimmung ist besser als die Lage

Deutsche Banken zeigen sich überraschend optimistisch, wie EY erhoben hat. Rund 90 % rechnen auf Zwölfmonatssicht mit einer unveränderten oder leicht besseren Wirtschaftslage. Man setzt vor allem auf Firmenkunden.kaz Frankfurt – Deutsche Banken blicken trotz Niedrigzinsumfeld und näher rückendem Brexit überraschend zuversichtlich auf die kommenden zwölf Monate. Zu diesem Ergebnis kommt Dirk Müller-Tronnier, Leiter Banking & Capital Markets bei EY und Mitautor der jährlichen “Bankenbarometer”-Studie des Beratungshauses. “So optimistisch waren die deutschen Banken all die Jahre nicht”, kommentiert er das Resultat der Befragung. Ein möglicher Grund für die unerwartete Zuversicht sei ein Effekt der Gewöhnung an die Ertragskrise in der Branche. Möglicherweise hielten die Banken auch die “Talsohle für durchschritten”. Daran glaube er jedoch nicht.Laut der Befragung von 120 Top-Managern aus der Bankenbranche im April 2017 erwartet die Mehrheit auf Zwölfmonatssicht eine gleichbleibende oder leicht verbesserte Wirtschaftslage in Deutschland (88 %). Etwa gleich viele sehen das Hauptkonjunkturrisiko in einer veränderten US-Außen- und Wirtschaftspolitik (90 %). An zweiter Stelle steht ein Auseinanderdriften der Eurozone (81 %). Hingegen messen Banken einem möglichen Risiko durch steigende Zinsen nur wenig Bedeutung bei (34 %). Im Risikomanagement hätten Banken das Risiko einer Zinswende bereits verarbeitet. Tatsächlich aber rechneten sie nicht so bald damit, so Müller-Tronnier.”Der Ertragsdruck ist groß”, stellt Müller-Tronnier fest. Es scheine naheliegend, Gebühren für Dienstleistungen wie Kontoführung oder Überweisungen zu erheben: “Wer kurzfristig denken muss, hat keine Alternativen.” Trotzdem wollen der Umfrage zufolge zwei Drittel der befragten Banken weiterhin auf Gebühren verzichten.Dass sich über deren Einführung “der deutsche Bankensektor retten” lässt, glaubt Müller-Tronnier ohnehin nicht. Bereits jetzt stünden Wettbewerber bereit, um Banken von Gebühren verschreckte Kunden abzuwerben. Langfristig müsse sich also zeigen, “wer den längeren Atem hat”, seine Strategie durchzuhalten. Das Feld geräumtAngesichts des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes verwundert es Müller-Tronnier, dass deutsche Banken im provisionsträchtigen Geschäft mit Aktienemissionen weitgehend das Feld geräumt haben und es ausländischen Konkurrenten überlassen: “Deutsche Banken haben sich auf das Zinsgeschäft eingeschossen.” Nun, da dies nichts mehr hergebe, herrsche vielerorts Ratlosigkeit.Die vielversprechendsten Perspektiven sehen Banken im Geschäft mit Firmen und im gehobenen Privatkundengeschäft. An dritter Stelle folgt überraschend der Wertpapierhandel, der in den vergangenen Jahren eher geschwächelt hat.Die größte Bedeutung für die Institute haben derzeit das Risikomanagement sowie die entsprechenden Mindestanforderungen der Aufsicht. 91 % der befragten Institute geben an, diesem Thema große Bedeutung beizumessen. An zweiter Stelle stehen Kostensenkungen mit 74 %. Irritiert zeigt sich Müller-Tronnier vom geringen Stellenwert von Kooperationen mit Fintechs. Nur 8 % messen ihnen eine größere Bedeutung zu. Offenbar gingen hier öffentliche Diskussion und Bankenmeinung auseinander, stellt er fest. Auch die Einführung neuer Produkte wird laut Studie nur noch von 24 % der Befragten angestrebt. Müller-Tronnier warnt: “Dass man mit einer Bank, so wie sie jetzt aufgestellt ist, noch 20 Jahre weitermachen kann, halte ich für unrealistisch.” Zwar fehle es vielen Fintechs noch an kritischer Masse. Gleichwohl dürften die Attacken der neuen Wettbewerber auf die Banken andauern, und zudem veränderten sie “das Empfinden der Kunden”, gibt er zu bedenken. Der Studie zufolge wünschen sich zwei Drittel der Institute, dass die European Banking Authority (EBA) nach dem Brexit nach Frankfurt verlegt wird.