ANSICHTSSACHE

Die "Sündensteuer" für Banken hat keine Gewinner

Börsen-Zeitung, 19.7.2014 Allen Zweiflern sei gesagt, die Finanztransaktionssteuer wird kommen. Dies haben die Finanzminister von zehn EU-Ländern im Mai gerade noch einmal bekräftigt. Die Frage lautet also nicht mehr, ob diese neue Steuer eingeführt...

Die "Sündensteuer" für Banken hat keine Gewinner

Allen Zweiflern sei gesagt, die Finanztransaktionssteuer wird kommen. Dies haben die Finanzminister von zehn EU-Ländern im Mai gerade noch einmal bekräftigt. Die Frage lautet also nicht mehr, ob diese neue Steuer eingeführt wird, sondern nur noch, wann und wie. Dabei spielt auch keine Rolle, dass sie von der gesamten Finanzbranche und weiten Teilen der Wirtschaft abgelehnt wird. Und auch, dass David Wright, Generalsekretär der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO, kürzlich erklärt hat, dass man eine ganze Bandbreite an Finanzierungsinstrumenten brauche, aber keine Finanztransaktionssteuer, wird von den politischen Entscheidern schulterzuckend zur Kenntnis genommen.Das Projekt Finanztransaktionssteuer kann nicht mehr gestoppt oder mit einem Begräbnis zweiter Klasse in den Tiefen der EU-Bürokratie versenkt werden. Ein Abbruch dieses mehrfach angekündigten Projekts wäre ein enormer Gesichtsverlust der politisch Verantwortlichen. Aber zweifelsohne ist eine gewisse Verunsicherung eingetreten.Dies zeigt auch, dass die Notwendigkeit der Finanztransaktionssteuer mit immer neuen, teilweise widersprüchlichen Argumenten begründet wird. Ganz am Anfang stand die Botschaft: Wir brauchen zusätzlich Geld, um Gutes zu bewirken. So wollten bei der Anhörung des Bundestagsfinanzausschusses im Mai 2010 viele von der Opposition geladene Experten das Steueraufkommen für soziale und ökologische Vorhaben verwenden, um damit die Armut in der Dritten Welt zu bekämpfen.Doch schon bald änderte sich die Argumentationslinie. Jetzt sollten vor allem die Verursacher der Finanz- und Schuldenkrise an den Kosten der Krise beteiligt werden. Deshalb bezeichnen einige amerikanische Professoren die Steuer auch gern als “sin tax”. Dass das ebenso populäre wie populistische Ziel, die Banken und die Banker zu bestrafen, nicht erreicht werden dürfte, haben einige Protagonisten der Steuer inzwischen zähneknirschend zur Kenntnis genommen. Nun greift neuer Realismus Raum. So hat ein hochrangiger Vertreter der EU-Kommission bei einer Veranstaltung in Berlin offen zugegeben, dass es eigentlich nur drei Gründe für die Einführung der Steuer gebe: erstens Geld, zweitens Geld und drittens Geld. Gefahr für den FinanzplatzKann die Finanztransaktionssteuer überhaupt so funktionieren, wie sich das die EU-Kommission vorstellt, ohne dass dabei andere wichtige Ziele verletzt werden? 1991 wurden die nationalen Kapitalverkehrssteuern abgeschafft, um Wettbewerbsunterschiede in Europa zu verringern. Es liegt auf der Hand, dass eine Finanztransaktionssteuer, die nur in Teilen der Eurozone eingeführt wird, das Gegenteil bewirkt. Wie man es auch dreht und wendet: Ohne die Einbeziehung des Finanzplatzes London – von Zürich ganz zu schweigen – würde gerade auch der Finanzplatz Frankfurt erheblich geschwächt.Während die schwarz-gelbe Koalition noch Finanzmarktförderungsgesetze auf den Weg gebracht hat, arbeitet jetzt die schwarz-rote Koalition gemeinsam mit der EU-Kommission konsequent an einer Steuer, mit der sie die Finanzmärkte der beteiligten Länder beschädigt.Wer dies für übertrieben hält, braucht nur einen Blick auf Frankreich und Italien zu werfen, die kürzlich nationale Finanztransaktionssteuern eingeführt haben: Laut einer Studie der Credit Suisse sank in den ersten 20 Monaten nach der Steuereinführung das Volumen des Aktienhandels in Paris um durchschnittlich 9,2 %. In Mailand brachen die Börsenumsätze in den drei letzten Quartalen 2013 sogar um etwa 29,7 % ein, während sie in der gleichen Zeit europaweit um 4,5 % anzogen. Zeche zahlt der AnlegerErfüllt die Steuer das immer wieder proklamierte Hauptziel vieler Politiker, vor allem die Banken zur Kasse zu bitten? Die Zustimmung der Deutschen zur Finanztransaktionssteuer wird nur so lange halten, wie die Wähler glauben, die Steuer treffe nur die Banken – und nicht etwa die Unternehmen oder gar sie selbst. Der Realitätscheck fällt ernüchternd aus, denn die Finanztransaktionssteuer belastet wie jede Art von Umsatzsteuer den Letzten in der Kette. Das zeigt auch ein Blick auf Italien. Hier sieht jeder Privatanleger auf seiner Wertpapierabrechnung: Er zahlt die Zeche allein.Wenn es bei der Finanztransaktionssteuer so viele Verlierer gibt, gibt es wenigstens einen Gewinner, vielleicht den Finanzminister? Aber auch der hat kaum Grund zu jubeln. Die Einnahmen aus dieser Steuer werden weit hinter den Erwartungen zurückbleiben. Italien hat den Praxistest schon gemacht: Statt der erhofften 1 Mrd. Euro wurden nur etwa 300 Mill. Euro eingenommen.Alle diese Fakten lassen berechtigte Zweifel an der Sinnhaftigkeit des gesamten Vorhabens aufkommen. Dennoch sollte sich niemand der Illusion hingeben, er könne die Finanztransaktionssteuer noch aufhalten. Der politische Wille zu ihrer Einführung ist nahezu ungebrochen. Die einzige Gefahr, die der Steuer jetzt noch droht, ist der Europäische Gerichtshof, da die Finanztransaktionssteuer europarechtlich auf tönernen Füßen steht. Aber hier ist nicht so schnell mit einem Urteil zu rechnen.Die Politik steckt offensichtlich in der Zwickmühle. Die politischen Entscheider wissen vielfach um die Schwächen und die fatalen Folgen der Steuer, wenn sie diese weiter vorantreiben. Sie wollen aber auch nicht den Rückwärtsgang einlegen. Deshalb muss es jetzt darum gehen, die negativen Auswirkungen der Steuer zu begrenzen. Je weniger Finanzprodukte betroffen sind, umso weniger verliert der deutsche Finanzmarkt. Je mehr Ausnahmen besonders für die Altersvorsorge berücksichtigt werden, desto besser für Sparer und Anleger. Damit tragen die politisch Verantwortlichen der berechtigten Kritik an der Steuer Rechnung, aber wahren ihr Gesicht.Dr. Hartmut Knüppel ist Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV).In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Hartmut Knüppel Die Politik muss wenigstens die fatalen Folgen der Finanztransaktionssteuer begrenzen. Nur so kann sie ihr Gesicht wahren.——-