GASTBEITRAG

Die Währungsunion ist noch nicht vollständig

Börsen-Zeitung, 11.9.2018 Die Finanzstabilität in der Eurozone bleibt auch nun fast zehn Jahre nach Ausbruch der globalen Finanzkrise anfällig. Die Bonität der Euro-Mitgliedstaaten und ihrer Banken ist noch nicht entkoppelt, wie die Entwicklungen in...

Die Währungsunion ist noch nicht vollständig

Die Finanzstabilität in der Eurozone bleibt auch nun fast zehn Jahre nach Ausbruch der globalen Finanzkrise anfällig. Die Bonität der Euro-Mitgliedstaaten und ihrer Banken ist noch nicht entkoppelt, wie die Entwicklungen in Italien im Zuge der jüngsten Regierungsbildung zeigen. Das liegt nicht nur daran, dass dort zum wiederholten Male die Haushaltsdisziplin in Frage gestellt wird, sondern auch daran, dass Links- und Rechtspopulisten mittlerweile unverhohlen die Irreversibilität der europäischen Währung in Frage gestellt haben.Die Währungsunion ist noch nicht vollständig. Sie bleibt anfällig für Schocks und politische Veränderungen. Durch die Verschlechterung der Bonität eines Mitgliedstaates kann nicht nur das Vertrauen in die heimischen Banken, sondern auch in das gesamte europäische Bankensystem erschüttert werden. Denn die Banken in der Eurozone sind die größte Gläubigergruppe der Euro-Länder. Diese Verflechtung ist und bleibt die Achillesferse für die Finanzstabilität in Europa. Die Antwort der EU auf die Eurokrise ist die Bankenunion. Einheitliche Bankenaufsicht und Abwicklungsmechanismus sind umgesetzt und werden konsequent weiterentwickelt. Offen ist nach wie vor die Einrichtung einer europäischen Einlagensicherung, die bisher insbesondere am Veto aus Deutschland scheitert. In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen: Welche Vorteile hat eine einheitliche Einlagensicherung für den Euroraum? Und wie lässt sie sich so umsetzen, dass sie auch aus deutscher Sicht vorteilhaft ist? Haftungsmasse vergrößernRichtig ausgestaltete Einlagensicherungssysteme sind integraler Bestandteil einer modernen Finanzstabilitätsarchitektur. Eine europäische Einlagensicherung vergrößert die Haftungsmasse für alle Mitglieder. Sie stärkt das Vertrauen der Einleger und beugt somit Bankenkrisen vor. Eine Staatsschuldenkrise in einem einzelnen Land birgt somit weniger Gefahren für das europäische Bankensystem. Die erhöhte Stabilität der Banken ermöglicht eine bessere langfristige Kreditversorgung der Realwirtschaft.Im Kern der deutschen Kritik steht die Sorge, dass eine gemeinsame Einlagensicherung zu einer Vergemeinschaftung von Risiken führt und schwächere Banken in der Peripherie ihre Kredit- und Staatsanleihe-Risiken auf dem Rücken deutscher Sparer abladen können. Dieser Sorge kann in der Umsetzung einer europäischen Einlagensicherung auf zwei Wegen begegnet werden.Zum einen kann man, unabhängig von generellen aufsichtsrechtlichen Vorgaben und Vorhaben, die Mitgliedschaft an bestimmte Schwellenwerte für notleidende Kredite bzw. heimische Staatsanleihen knüpfen. Zum anderen sollte man die Versicherungsprämie für jedes Institut risikoadäquat kalibrieren. Im Klartext bedeutet das, dass ein deutsches Institut bei gleichem Versicherungsschutz für die Anleger in der Regel weniger Versicherungsprämie zahlt als ein Institut aus der Peripherie. Ein Vorteil, von dem letztlich die Sparer selber profitieren. In diesem Sinne kann auch die Institutssicherung der Sparkassen und Genossen bei der Berechnung der Versicherungsprämien berücksichtigt werden. Im Gegenzug wird für die Institute in der Peripherie ein starker Anreiz geschaffen, ihre Risiken weiter abzubauen und die Käufe von Staatsanleihen auch außerhalb der heimischen Grenzen breiter zu streuen.Die Etablierung der europäischen Einlagensicherung stärkt also die Verantwortung der europäischen Institutionen für die Finanzstabilität im gemeinsamen Währungsraum. Und sie schafft mit einer risikoadäquaten Kalibrierung der Prämien Anreize zum Risikoabbau. Ein konsequenter nächster Schritt wäre dann die Zusammenlegung des europäischen Einlagensicherungsfonds mit dem Abwicklungsmechanismus zu einer European Deposit Insurance and Restructuring Agency (EDIRA). Eine solche Institution hätte aus Eigeninteresse einen hohen Anreiz, bei Bankenschieflagen frühzeitig und konsequent Restrukturierungs- und Abwicklungsmaßnahmen einzuleiten, um die Mittel der Einlagensicherung selber zu schützen. Mit der Letztabsicherung durch den European Stability Mechanism (ESM) könnte eine solche Institution die gleiche Schlagkraft wie die amerikanische Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) entfalten und die dringend erforderliche Bereinigung der europäischen Bankenlandschaft durch grenzüberschreitende Fusionen beschleunigen. Ein solches Szenario bietet auch mehr Wettbewerbschancen für die heimische Finanzindustrie.—-Axel Wieandt, Honorarprofessor WHU Otto Beisheim School of Management