Im Gespräch: Martin Rohm, Alte Leipziger-Hallesche Gruppe

"Die Zinswende tut uns gut, hat aber Nebenwirkungen"

Aus Sicht von Lebensversicherern sei die Rückkehr der Zinsen "natürlich positiv", sagt Martin Rohm, Vorstandsmitglied der Alte Leipziger-Hallesche Gruppe. Allerdings stelle das Tempo des Zinsanstiegs die Branche vor Herausforderungen.

"Die Zinswende tut uns gut, hat aber Nebenwirkungen"

Im Gespräch: Martin Rohm, Alte Leipziger-Hallesche Gruppe

“Die Zinswende tut uns gut, hat aber Nebenwirkungen”

Das Vorstandsmitglied über Liquidität, Anpassungen in der Allokation, ESG-Ziele und die politische Debatte über die Altersvorsorge

fed Frankfurt

Aus Sicht von Lebensversicherern sei die Rückkehr der Zinsen “natürlich positiv”, sagt Martin Rohm, das für Kapitalanlagen zuständige Vorstandsmitglied der Alte Leipziger-Hallesche Gruppe. Allerdings stelle das Tempo des Zinsanstiegs die Branche vor Herausforderungen.

In Zeiten von Null- oder sogar Negativzinsen waren Lebensversicherer, die Zinsgarantien gegeben haben, in einer schwierigen Lage, da sich der Garantiezins mit klassischen festverzinslichen Anlagen nicht mehr erwirtschaften ließ. „Versicherer mussten über viele Jahre die Zinszusatzreserve aufbauen und dafür sogar hochverzinste Anlagen verkaufen“, erinnert Martin Rohm im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das Vorstandsmitglied der Alte Leipziger-Hallesche Gruppe fügt an, dass sich Lebensversicherer deshalb den Zinsanstieg gewünscht haben – „aber nicht so schnell“. „Die Zinswende tut uns gut, hat aber Nebenwirkungen.“

Liquidität sei jahrelang kein Thema gewesen, „weil wir allein schon dadurch über viel Liquidität verfügten, weil wir Anleihen drehen mussten“. Jetzt nehme die Liquidität wieder etwas ab. Seine Versicherung müsse nicht mehr so stark in illiquide Anlagen investieren wie in den Vorjahren, weil klassische festverzinsliche Wertpapiere wieder eine Verzinsung oberhalb des Garantiezinses böten, sagt Rohm. Trotzdem seien illiquide Investments wie Infrastruktur weiterhin attraktive Anlageklassen. „Wir werden diesem Bereich weiterhin Aufmerksamkeit schenken.“

Der Preis muss sich noch finden

Die Alte Leipziger hatte sich 2016 vorgenommen, die Allokation zu verändern und binnen sechs bis acht Jahren die Quote festverzinslicher Anlagen von damals 90% auf 70% zu senken. Der Rest sollte in Infrastruktur, Aktien, Private Equity und Immobilien fließen. „Wir sind auf einem guten Weg. Wir sind knapp unter 80% – und wir hören auch nicht auf, uns diese alternativen Assets anzuschauen“, berichtet das Vorstandsmitglied. Allerdings habe die schnelle Zinswende zur Folge, dass sich ein neuer Preis erst einmal finden müsse. „4% für Erneuerbare war attraktiv, als der Swap-Satz bei 0% lag. Aber wenn sich der Swap-Satz bei 3% bewegt, dann können wir eine attraktive Rendite schon mit der Finanzierung im Infrastrukturbereich erzielen und müssen nicht Eigenkapitalinvestitionen in Infrastruktur tätigen“, erläutert Rohm. Die Renditen für Equity-Investitionen müssen seiner Ansicht nach steigen. Im Bereich der Finanzierung habe sich der Markt bereits gefunden, im Bereich der Eigenkapitalinvestments noch nicht.

„Auf der Anlageseite erwarten wir wieder höhere Erträge, weil sich das Umfeld verbessert hat“, erklärt Rohm. Allerdings müsse man berücksichtigen, „dass ein Sicherungsvermögen, das beispielsweise bei der Lebensversicherung 30 Mrd. Euro umfasst, ein Tanker ist, der einige Zeit braucht, bis er Fahrt aufnimmt.“

Wenn der positive Zins dauerhaft bleibe, „dann werden wir im Mix unserer Neuanlagen wieder Renditen erzielen können, die es erlauben, unsere Kunden an diesen wachsenden Erträgen partizipieren zu lassen“. Das Wort „Überschussbeteiligung“ werde „für einige Tarifgenerationen wieder ein Thema werden“.

Rohm ist überzeugt, dass ESG ein sehr wichtiges Thema der nächsten Dekade sein wird. Die Alte Leipziger-Hallesche Gruppe habe sich zum Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2050 die Kapitalanlagen klimaneutral sind. Und sie habe Zwischenziele formuliert, etwa eine 25-prozentige CO2-Reduktion des Portfolios an Aktien und Unternehmensanleihen bis 2025. Oder auch die Aufnahme von ESG-Bonds und Green Bonds im Anleiheportfolio im Umfang von deutlich mehr als 1 Mrd. Euro bis 2025. Auch solle der CO2-Ausstoß der im Direktbestand gehaltenen Wohnimmobilien um 25% verringert werden – durch den Erwerb energieschonender Neuanlagen über Maßnahmen der Wärmedämmung und des Austauschs von Fenstern bis hin zur Trennung von einzelnen älteren Objekten, „die wir mit unseren personellen Ressourcen nicht sanieren können“. „Schließlich sind wir ein Versicherungsunternehmen, kein Projektentwickler“, unterstreicht Rohm.

Aktives Engagement

Als Aktionär verhalte sich sein Haus aktiver: „Wir betreiben gemeinsam mit einem Partner in unserem Aktienportfolio aktives Engagement.“ So werden beispielsweise Ziele mit dem Management der Unternehmen besprochen, an denen die Versicherung Anteile halte.

Angesprochen auf die aktuellen Entwicklungen beim Absatz von Versicherungsprodukten räumt Rohm ein, dass sein Haus das Thema Inflation und Sparfähigkeit „natürlich spüre“. In der privaten Altersvorsorge sei eine gewisse Zurückhaltung erkennbar. „Bei der betrieblichen Altersvorsorge merken wir nun wieder, dass die Nachfrage wächst, nachdem sie zwischenzeitlich gesunken war.“ Insgesamt sei „beim Absatz unserer Produkte eine gewisse Wachstumsverlangsamung“ zu beobachten. Das Segment der fondsgebundenen Lebensversicherungen wachse weiter. Die Nachfrage in der Krankenversicherung sei sehr rege. „Hier sehen wir starkes Wachstum.“

Was die aktuellen politischen Diskussionen über eine Reform der Altersvorsorge angehe, muss es nach Meinung von Rohm gelingen, den Kapitalmarkt stärker für die Altersvorsorge zu mobilisieren. Die Reformvorhaben, die darauf zielten, die Vorsorge stärker für den Kapitalmarkt zu öffnen, könne er nur begrüßen. Was er jedoch überhaupt nicht verstehe, sei, dass die Auszahlung als Einmalzahlung erlaubt werden solle statt einer Auszahlung als lebenslange Rente. „So wird Altersarmut nicht verhindert“, sagt Rohm.

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

Martin Rohm ist bei der ALH-Gruppe für Kapitalanlagen zuständig.

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