Diesmal gegen Achleitner
Beifall aus dem Publikum kann ziemlich höhnisch sein. Etwa wenn er gerade dann aufbrandet, als der Redner berichtet, es werde die Frage gestellt, ob er überhaupt der Richtige an seinem Platz sei. So erging es am Donnerstag dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, Paul Achleitner. Auch als er erwähnte, ihm werde vorgeworfen, zu lange an manchem Vorstandsmitglied festgehalten zu haben (was der ehemalige Goldman-Sachs- und Allianz-Manager natürlich anders sieht), gab es Akklamation.Die Hauptversammlung vor einem Jahr war fast schon zu einer einzigen Abrechnung mit der Bankführung ausgeartet, wobei die vernichtende Kritik vor allem den damaligen Co-Chef Anshu Jain traf, der das Anteilseignertreffen denn auch nicht allzu lange im Amt überlebte. Der nun ausgeschiedene, aber als freischwebender Kundenmann weitermachende Jürgen Fitschen hat für viele schon eine Art Heiligenstatus; als glaubwürdiger Ausbund von Anstand und Integrität ist er nahezu sakrosankt. Derweil ist der neue Allein-CEO John Cryan in Personalunion Scherbenaufkehrer, Hoffnungsträger sowie heißer und bislang durchaus überzeugender Kandidat für die Identifikationsfigur der nächsten Jahre. Jedenfalls kann er mit Fug und Recht als unschuldig an der “schwersten Krise in der Geschichte” der Bank gelten, die ein Investor konstatierte.Mithin fiel die Rolle des ersten Watschenmannes diesmal fast automatisch Achleitner zu. Der macht es Kritikern indes auch nicht schwer. Für einen Vorsitzenden eines Kontrollorgans ist er ohnehin auffallend kommunikationsfreudig, nicht zuletzt in Form von Interviews. Auch seine Eröffnungsrede beim Aktionärstreffen strotzte vor Rechtfertigungsversuchen, die streckenweise die Grenze zur Rechthaberei touchierten. Die Hintergründe des coram publico ausgetragenen Konflikts im Aufsichtsrat, der mit dem Rücktritt von Georg Thoma, dem Vorsitzenden des Integritätsausschusses, endete, bleiben auch nach der Hauptversammlung nebulös.Zu allem Überfluss drängelt sich Achleitner völlig ohne Not allzu offensiv für eine Wiederwahl vor. Um ein solches Amt bewirbt man sich doch nicht, man lässt sich diskret bitten, erneut zur Verfügung zu stehen! Aber Demut gehört wohl grundsätzlich nicht zu den herausragenden Charaktereigenschaften des Österreichers. Demgegenüber beherrscht Bankchef Cryan, “der richtige Mann zur richtigen Zeit”, wie er von Aktionärsseite gelobt wurde, auch diese Tugend geradezu meisterhaft. Ihm trauen die Eigentümer offenbar sehr viel zu. Sie haben freilich auch kaum eine andere Wahl.