Digitalisieren oder veräußern
Unter ihrem Chief Executive Officer Frank Krings hat die Deutsche Bank Luxembourg ein strammes Schrumpfungsprogramm absolviert. Geschäfte, die nicht skalierbar und letztlich digitalisierbar sind, gehören für ihn auf Dauer auf den Prüfstand. Zunächst aber gilt es, sich für die Krise zu wappnen.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie Deutsche Bank in Luxemburg wappnet sich für Ergebnisbelastungen im laufenden Jahr – vor allem, aber nicht nur infolge der Coronakrise. Dabei erwartet ihr Chef Frank Krings Beeinträchtigungen weniger aus strukturierten Finanzierungen etwa von Flugzeugen und Spezialschiffen oder aus Brückenfinanzierungen von Zusagen an Private Equity, sondern vielmehr im klassischen Kreditgeschäft, wie er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung deutlich macht. In Erwartung vermehrter Ausfälle hat die Bank bereits Reserven gelegt. “Schon vor Sars-Cov-2 haben wir uns im zwölften Jahr des Kreditzyklus befunden”, sagt Krings. “Da wäre es naiv zu glauben, dass die Risikovorsorge nicht tendenziell steigt. Darauf stellen wir uns ein.” Spätestens wenn die Unternehmen ihre Halbjahreszahlen vorlegten, werde man sehr viel besser verstehen, was branchenweit auf die Banken zukomme.Im soeben publizierten Abschluss für 2019 hat die Bank ihre Risikovorsorge saldiert um netto 48 Mill. Euro aufgestockt, was den Gewinn um ein Drittel auf 88 Mill. Euro fallen gelassen hat. Und war der Bilanzgewinn 2018 in vollem Umfang an die Mutter ausgeschüttet worden, ist das Ergebnis vom vergangenen Jahr in die Rücklagen eingestellt worden, noch bevor die Bankenaufsicht an die Branche appellierte, sich Dividendenzahlungen zu enthalten. Krings: “Wir dachten, wir seien gut beraten, die Mittel weiter im Institut vor Ort zu halten. Wir wollen immer so ausgestattet sein, dass wir unseren Unternehmens- und Wealth-Management-Kunden Finanzierungen bereitstellen und diese bei ihren unternehmerischen Aktivitäten begleiten können. Dafür müssen wir organisch Kapital generieren.” Nicht von PappeDie Kreditrisiken im Haus sind nicht von Pappe, dient die Deutsche Bank Luxemburg laut Geschäftsbericht doch “in starkem Maße” als Buchungszentrum und ausreichendes Institut “im Zusammenspiel mit anderen europäischen Stellen” des Konzerns. So hat die Credit Portfolio Strategies Group des Konzerns ihre weltweiten Kreditrisiken “zu großen Teilen” in Luxemburg konzentriert.Außerdem zeigt die Coronakrise ihre Wirkung. Anfang Mai beteiligte sich die Bank an einer staatlich garantierten Kreditlinie für den französischen Autovermieter Europcar, auch bei einem syndizierten Kredit für das Großherzogtum Luxemburg über insgesamt 2,5 Mrd. Euro war sie dabei. Insgesamt zeigt die von Krings geleitete, mit 6 Mrd. Eigenkapital ausgestattete Bank ein Kreditportfolio im Volumen von gut 64 Mrd. Euro, von welchen 83 % ein Rating von mindestens “BBB” haben.Wie hoch die Belastungen 2020 ausfallen werden, das will Krings noch nicht prognostizieren. “Der Kreditzyklus ist in seiner Spätphase, und die Krise verbessert die Lage der Unternehmen gewiss nicht. Mit der Qualität unseres Kreditbuchs fühlen wir uns gleichwohl unverändert wohl”, betont er und kündigt an: “Wir gehen erneut von schwarzen Zahlen aus.” Im nach Luxemburger GAAP erstellten Jahresabschluss dürften dabei gegenläufige Effekte zu sehen sein, da eine höhere Beanspruchung von Kreditlinien tendenziell höhere Bruttobeiträge nach sich ziehe, sagt Krings. Dagegen liefen freilich die Risikokosten.Gegenüber Ende 2019 ist das Volumen der von Deutsche Bank Luxembourg bewilligten Ausreichungen im März und April um 70 % in die Höhe geschossen, wie er berichtet. Als Buchungszentrum vergebe die Deutsche Bank Luxembourg dabei keine Kredite, die nicht zum Risikoappetit der Gruppe passten, aber auch keine, mit denen man sich nicht wohl fühle. Den Konzern bezahlt die Luxemburger Tochter dabei jeweils für die Vertriebsleistung, wie Krings erklärt. Das von ihm geführte Haus zeichnet den Kredit, hält das Kapital vor und reicht das Darlehen aus. Strammes ProgrammUnter dem 2016 angetretenen Manager hat die Tochter in Luxemburg ein strammes Schrumpfungsprogramm absolviert. Dies umfasste neben der Veräußerung von Beteiligungen wie an der chinesischen Huaxia Bank auch den Verkauf von Randaktivitäten wie das Verwahrgeschäft der ehemaligen Sal. Oppenheim, welches an Hauck & Aufhäuser ging, in der Administration alternativer Fonds und im Versicherungsagenturgeschäft. Neben Entflechtung hätten dabei auch die Kapitalallokation und die Frage der strategischen Weiterentwicklung eine Rolle gespielt, sagt Krings: “Sie wollen sich nicht verzetteln mit hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsposition unterkritischen Marktaktivitäten.”Zudem habe die Bank im Niedrigzinsumfeld ihre Liquiditätshaltung optimieren und vor allem das Interbank-Geschäft mit hoher Tonnage und geringen Erträgen reduzieren wollen. Letztlich habe sie die Effizienz der Bilanz und die Risikodichte erhöht. Brachte die Luxemburg-Tochter 2016 noch 80 Mrd. Euro an Assets auf die Waage, so betrug die Bilanzsumme Ende 2019 nur mehr 30 Mrd. Euro. Glauben an EuropaDie Bank reicht in Luxemburg nicht nur Kredite aus, sondern tritt auch als Treuhand-Emittent für Versicherer und Staatsfonds auf. Erst vor zwei Wochen ließ sie ein entsprechendes Medium-Term-Note-Programm, über das Anleger in Kredite etwa supranationaler Emittenten oder von staatlichen Garantien erfasste Darlehen investieren können, an der Börse in Luxemburg notieren. Damit setze man den Gedanken der Kapitalmarktunion in die Tat um, sagt Krings.Dass die Begeisterung für ein Zusammenwachsen der Märkte in Europa in der Coronakrise erst einmal abgekühlt sein dürfte, streitet er nicht ab. Eine solche Repriorisierung von Themen sei nachvollziehbar, räumt er ein und erklärt zugleich: “Ich persönlich bleibe optimistisch, dass wir vielleicht sogar mehr Europa sehen werden, um die Nachwehen der Krise gemeinsam zu überwinden.”Mit Blick auf die alternativen Anlagen, welche die Bank vermittelt, sieht Krings eigenen Angaben zufolge derweil nichts, was ihm in Sachen Risikovorsorgebedarf ins Auge fällt. Die Liquidität alternativer Assets sei bereits vor der Krise eingeschränkt gewesen. Die Anleger seien darauf eingestellt, sagt er. Da laute die Frage vor allem, ob Kredite Recourse, also mit zusätzlichen Rückgriffsrechten gegenüber den Eigenkapitalgebern, erteilt worden seien. Bei den Schiffen wiederum, welche die Sparte Investment Bank strukturiert finanziere, handele es sich nicht um Frachter, Tanker oder sonstige Handelsschiffe, sondern eher Montagevehikel für Offshore-Windfarmen, hinsichtlich deren Wert man gelassen bleibe.Entspannter schaut Krings auf das zweite Standbein Wealth Management. Neben dem Corporate Banking gibt es ansonsten nur das kleinere Investment Banking. Im Wealth Management wachse man weiterhin, sagt er, schweigt sich zu konkreten Angaben in Sachen verwalteter Mittel und Nettomittelzuflüsse indes aus. Bis einschließlich März hätten sich die Kundenvolumina erfreulich entwickelt, sagt er nur.Im breiten Private-Wealth-Management-Geschäft halte der Druck an, konzediert Krings. Eine Differenzierung im Wettbewerb strebt die Bank unter anderem an, indem sie Kunden im grenzüberschreitenden Geschäft Anlagen in teurere, selbst genutzte Wohnimmobilien gemäß Wohnkreditimmobilien-Richtlinie anbietet. Ferner offeriert sie Kredit- und Brückenfinanzierungen im Falle verbindlicher Investitionszusagen von Versicherern und Pensionsfonds an Private Equity.Unter Krings Ägide hat die Bank in Luxemburg von 2016 bis 2018 zudem ihr knapp 40 Jahre altes Kernbanksystem durch eine cloudbasierte IT-Plattform des schweizerischen Anbieters Avaloq abgelöst, die an allen internationalen Standorten der Deutschen Bank im Wealth Management zum Einsatz kommt. Seither hat die Bank unter anderem das Wealth-Management-Geschäft des Konzerns in Österreich übernommen und bemüht sich Krings zufolge um Skalierbarkeit, was nach seinem Verständnis auch eine Digitalisierbarkeit bedeutet. Die Devestitionen nach seinem Amtsantritt können demnach nicht die letzten gewesen sein: “Ist ein Geschäft nicht skalierbar und letztendlich digitalisierbar, müssen wir uns fragen, ob wir als Bank auf Dauer daran festhalten wollen”, gibt Krings als Losung aus.