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Digitalisierung in der Vermögensverwaltung

Börsen-Zeitung, 10.6.2017 Das Schlagwort Digitalisierung ist in aller Munde und macht auch keinen Halt vor der Finanzbranche. Neben der digitalen Prozessoptimierung entstehen in der Fintech-Branche neue Geschäftsideen. Dazu zählt unter anderem auch...

Digitalisierung in der Vermögensverwaltung

Das Schlagwort Digitalisierung ist in aller Munde und macht auch keinen Halt vor der Finanzbranche. Neben der digitalen Prozessoptimierung entstehen in der Fintech-Branche neue Geschäftsideen. Dazu zählt unter anderem auch der sogenannte Robo-Advisor-Markt mit den darin agierenden digitalen Vermögensverwaltern, gerne auch als Robo-Advisor bezeichnet. Sie zählen derzeit zu den am stärksten wahrgenommenen und diskutierten Anbietern in diesem Segment. Hohe TransparenzDie Robo-Advisor bieten dem Anleger bereits einen Einstieg mit geringen Beträgen (ab 1 000 Euro). Solche standardisierten und digitalen Produkte haben zwar häufig den gespürten Nachteil, dass es keine persönliche Beratungsleistung und wenig Individualität in der Produktauswahl gibt. Allerdings existiert eine hohe Transparenz bei den Kosten, die häufig viel geringer sind als bei einer Bank, sowie eine sehr detaillierte Darstellung der Anlagestrategie.In Deutschland gibt es mehr als ein Dutzend Robo-Advisor, und es werden weitere folgen. Zu den großen Anbietern von Robo-Advice in Deutschland gehören unter anderem Scalable Capital, Liqid, Ginmon, Vaamo und Quirion. Es handelt sich hierbei sowohl um mit Venture Capital finanzierte private Anbieter, wie es bei Scalable Capital, Ginmon oder Vaamo der Fall ist, als auch um sogenannte Corporate Robo-Advisor, wie beispielsweise Fintego, Quirion oder Sina.Die Schätzungen des global von Robos verwalteten Vermögens (Assets under Management) gehen weit auseinander – ebenso wie die Wachstumsausblicke. Einige Prognosen sagen für 2021 ein weltweit verwaltetes Vermögen von 1 Bill. Euro voraus, andere sogar von 2 Bill. Euro. Der Blick auf die weltweiten Assets under Management offenbart die eindeutige Dominanz der USA in der Branche. Die US-Anbieter halten derzeit über 80 % am Robo-Advisor-Gesamtmarkt.Mit 47 Mrd. Dollar weltweit größter Hybrid-Robo-Advisor ist mit Abstand die US-amerikanische Vanguard Group. Hier kann auf Wunsch ein aktiver Berater eingeschaltet werden. Der Marktführer rein passiver Robo-Advisors unter den Fintech-Gesellschaften ist Betterment. Das Unternehmen stammt auch aus den Vereinigten Staaten und verwaltet als Start-up bereits mehr als 7 Mrd. Dollar.Es ist davon auszugehen, dass Deutschland als Nachfolgemarkt eine ähnliche Entwicklung vollziehen wird. Dieser Proof of Concept spiegelt sich auch in der Einschätzung des Branchenkenners Markus Jordan wider. Seiner Ansicht nach kommt der Robo-Advisor-Markt in Deutschland derzeit auf ein Anlagevolumen von mehr als 600 Mill. Euro. Blick auf die USADer Blick auf den US-Markt zu Beginn des Jahres zeigt, dass der Markteintritt von Branchengrößen der klassischen Assetmanagement-Industrie wie Vanguard oder Charles Schwab zu einem starken Anstieg des verwalteten Vermögens geführt hat. Ähnlich dürfte sich auch der deutsche Markt entwickeln.Zum einen, weil Start-up-Gesellschaften wie Werthstein (Dezember 2016), Truevest (Februar 2017) oder Minveo (geplanter Start im zweiten Halbjahr 2017) zu Wachstum in diesem Segment beitragen werden. Zum anderen, weil neben diesen Start-up-Vermögensverwaltern zunehmend die etablierten Häuser die Möglichkeiten der Digitalisierung und der Online-Vermögensverwaltung entdecken. “Alteingesessene Banken” wie die Comdirect (Mai 2017) haben eine eigene Robo-gestützte digitale Vermögensverwaltung gestartet oder tun dies bald – bei der Deutschen Bank sol ein solches Angebot im Laufe dieses Jahres kommen.Auch die klassischen Vermögensverwalter ziehen mit. So hat beispielsweise der Vermögensverwalter DJE mit Solidvest einen großen Schritt in diese Richtung gemacht und sich so eine neue Zielgruppe eröffnet. Sowohl für unabhängige als auch konzerngebundene Fintechs ist die komplette technische Abwicklung mit nur einem Partner sehr sinnvoll. Für Banken bietet dieses Marktumfeld neue Geschäftsfelder.—-Oliver Riedel, Mitglied des Vorstands der Baader Bank AG, zuständig für das Kundengeschäft