Direktbanken durchlaufen Findungsphase

BCG: Bisheriges Geschäftsmodell stößt an die Grenzen - Neue Strategien sind nötig - Strukturelle Vorteile

Direktbanken durchlaufen Findungsphase

Die deutschen Direktbanken kommen ans Ende ihrer Sturm- und-Drang-Phase. Nach einer raschen Expansion und Jahren mit üppigen Ergebnissen müssen sich die internetbasierten Institute nunmehr nach der Decke strecken und ihre Geschäftsmodelle daran anpassen, dass der Markt seine Sättigungsgrenze erreicht hat. Dies zeigt eine Umfrage von Boston Consulting Group.sto Frankfurt – Die Direktbanken in Deutschland sind in einer Phase der Neufindung. Ihr bisheriges Konzept, einfache Bank- und Depot-Dienstleistungen anzubieten, stößt an seine Grenzen. Alle Anbieter sind dabei, ihre Geschäftsmodelle anzupassen und ihre strukturellen Vorteile stärker auszuspielen. Dies zeigt eine Umfrage der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) unter Anbietern in Deutschland und Österreich, deren Ergebnisse der Börsen-Zeitung vorliegen.Die wachsende Bedeutung der digitalen Kanäle im Bank- und Brokerage-Geschäft gehörten zu den Dingen, die den Direktbanken weiter in die Hände spielen, stellt Partner und Retail-Banking-Experte Reinhard Messenböck im Gespräch mit der Börsen-Zeitung als den größten strukturellen Vorteil der Direktbanken heraus. Die elektronischen und digitalen Kanäle werden weiter Marktanteile im Privatkundengeschäft gewinnen (siehe Grafik), so lautet die Prognose. Zudem sind Direktbanken nach Ansicht von BCG durch ein eingeschränktes Sortiment transparent und einfach aufgestellt, was ein weiterer Pluspunkt für die Direktbanken ist. Weiterhin punkten sie mit Finanzierungs- und Liquiditätsvorteilen durch hohe Einlagen, was auch im Hinblick auf die künftigen Kapitalvorgaben Basel III eine bequeme Ausgangslage ist. Darüber hinaus sind die Direktbanken weniger von regulatorischen Zwängen betroffen, da sie bislang kaum Beratungsdienstleistungen anbieten und auch weiterhin nur vereinzelt in dieses Segment vorstoßen wollen. Ihre Betriebsmodelle gelten als flexibel und schnell, da eine IT leichter an neue Begebenheiten angepasst werden kann als etwa das Personal. Das Wasser abgegrabenDoch die zunehmende Marktdurchdringung fordert die Direktbanken heraus, so Messenböck: “Bislang war es ein sehr ertragreiches Segment, in dem die Anbieter Volumina und Ergebnis in den vergangenen Jahren enorm steigern konnten, doch jetzt stoßen sie an natürliche Grenzen.” Zudem sind immer mehr Anbieter wie die VTB Bank, Tochter der russischen Sberbank, oder die niederländische Rabobank in den vergangenen Jahren hierzulande an den Start gegangen und graben den etablierten Anbietern das Wasser ab. Diese sind etwa die ING-DiBa, Tochter der niederländischen Großbank ING, die Commerzbank-Tochter Comdirect, die Santander Consumer Bank, Ableger der spanischen Santander, die HVB-Tochter DAB Bank, die BayernLB-Tochter DKB (Deutsche Kreditbank) oder Cortal Consors, Tochter der französischen Großbank BNP Paribas.Vor allem einlagenlastige Anbieter wie die 1822direkt, Tochter der Frankfurter Sparkasse, oder die ING, denen das Umfeld der niedrigen Zinsen schwer zu schaffen machen, leiden. Die Kreditanbieter wie Santander stehen weniger unter Druck, während die Wertpapier-Anbieter teils gut (Comdirect), teils weniger gut (DAB Bank) dastehen. Grundsätzlich ist das reine Brokerage-Geschäft aber strukturell schwach und bringt nur niedrige Gebühren ein.Alle von BCG befragten Anbieter wollen als Reaktion auf die stark gebremste Wachstumsdynamik ihre Dienstleistungspalette in Richtung einer Vollbank ausbauen. Als eine akute Schwäche der Direktbanken sieht BCG mangelnde Tiefe der Kundenbeziehung. “Meist wird nur ein Produkt an den Kunden verkauft, und die vorhandenen Daten über den Kunden werden noch zu wenig genutzt, um Cross-Selling zu betreiben, wie es bei Filialbanken beispielsweise durch auf den Kunden angepasste Werbebriefe der Fall ist”, kritisiert Messenböck.Die Anbieter seien sich der Notwendigkeit aber durchaus bewusst, dass sie die Kundenbeziehung verbessern müssten. Dafür müssten zum Teil aber auch die IT-Systeme grundlegend verändert werden. Die Anbieter wollen nach eigenen Angaben die vorhandenen Daten im Internet (Big Data) besser für den eigenen Vertrieb ausnutzen. “Es wird zukünftig erfolgsentscheidend sein, den Kunden richtig zu verstehen und die Online-Datenvielfalt für das eigene Geschäft intelligent zu nutzen”, betont Messenböck. Gebühren ändernAuch eine Veränderung der Gebührenmodelle wird von den Direktbanken derzeit diskutiert. Teilweise würden Standard-Pakete mit vielen Features angeboten, statt sie an Kundengruppen mit preislicher Differenzierung anzupassen. Auch Kreditanträge würden zu pauschal bepreist, so Messenböck. “Es werden zum Beispiel nicht alle vorhandenen Daten bei einem Hypothekenkreditantrag wie die Immobilienpreisentwicklung des Wohnumfelds einbezogen und damit der Zinssatz unter Umständen nicht risikogerecht festgelegt.” Auch das weit verbreitete Konzept, das Girokonto kostenlos anzubieten und dafür andere Dienstleistungen teuer zu verkaufen, überzeugt BCG nicht.Der Befragung zufolge stellen sich die Direktbanken in Deutschland und Österreich auf eine Konsolidierungswelle ein, obwohl nur wenige Akquisitionen anstreben. Nur wenig Interesse ist auch an einer Expansion ins Ausland vorhanden. Darüber hinaus geben die Institute gegenüber der Unternehmensberatung an, ihre Bilanz- und Kostenstrukturen optimieren zu wollen.