VERSICHERUNGSVERTRIEB

Dringender Handlungsbedarf

Für das angeknackste Image der Versicherungswirtschaft ist der Bestechungsskandal bei der Debeka ein neuerlicher Tiefschlag. So viel lässt sich bereits sagen, ohne das genaue Ausmaß der illegalen Beschaffung von Beamtenadressen zu kennen, das die...

Dringender Handlungsbedarf

Für das angeknackste Image der Versicherungswirtschaft ist der Bestechungsskandal bei der Debeka ein neuerlicher Tiefschlag. So viel lässt sich bereits sagen, ohne das genaue Ausmaß der illegalen Beschaffung von Beamtenadressen zu kennen, das die Debeka jetzt mit internen und externen Prüfungen ermitteln will. Erschreckend ist, dass es auch bei einem Vorzeigeunternehmen der umstrittenen Assekuranz-Branche nicht astrein zugeht oder zugangen ist.Reiner Zufall ist das nicht. Der Branche fehlt es – trotz einiger Fortschritte – an Sensibilität: Lebens-, Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherungen sind andere Produkte als Waschmaschinen. Die Kunden gehen in der Regel langjährige Bindungen ein, investieren erhebliche Summen und die Policen haben oft eine existenzielle Bedeutung. Vertrauen ist ein Schlüsselbegriff, der von zu vielen Akteuren noch zu stark als Floskel verwendet wird. Anders ausgedrückt wird das Reputationsrisiko immer noch unterschätzt.Die Branche muss ihre Prioritäten ändern. Die grundsätzliche Problematik im Versicherungsvertrieb in Deutschland wird zu zaghaft angegangen. Ein Verhaltenskodex hier und eine Provisionsdeckelung dort reichen nicht aus. In einem weitgehend gesättigten Markt hierzulande drängen sich 250 000 Versicherungsvermittler – einer für gut 300 Bürger. Sie alle wollen überleben, der Kampf um Kunden ist demnach intensiv. Dazu kommt ein fragwürdiges Anreizsystem: Abschlüsse werden mit Provisionen stärker belohnt als die Bestandspflege. Versicherer und Vermittlerlobby argumentieren, dass damit der hohe Beratungsaufwand rund um einen Vertragsabschluss angemessen vergütet wird. Das mag seine Berechtigung haben. Doch durch die damit verbundenen Fehlanreize, noch dazu in einem beinharten Konkurrenzkampf, ist die Gefahr groß, dass immer wieder Vertriebsskandale aufpoppen.Für eine Branche, die trotz der Deregulierung im Jahr 1994 noch immer in vielen Bereichen von politischen Entscheidungen beeinflusst wird, ist ein negatives Image in der Öffentlichkeit jedoch Gift. Ein Volksvertreter wird sich zwei Mal überlegen, ob er sich für die Interessen der Versicherer einsetzt.An anderer Stelle könnte es die Branche mittel- bis langfristig mit einem Qualitätsproblem zu tun bekommen. Versicherungen als Arbeitgeber sind heute schon aus der Sicht von Schul- und Hochschulabgängern extrem unattraktiv. Ohne eine Imagekorrektur läuft die Assekuranz Gefahr, im sich verstärkenden Kampf um Talente die Liste der Verlierer anzuführen.