Wirecard-Prozess

Dritter Zeuge von KPMG belastet Hauptangeklagten im Wirecard-Prozess

Der Druck auf die Angeklagten im Wirecard-Strafprozess wächst. Ein weiterer Zeuge des Wirtschaftsprüfers KPMG belastete diese vor dem Landgericht München schwer.

Dritter Zeuge von KPMG belastet Hauptangeklagten im Wirecard-Prozess

Im Betrugsprozess um den gescheiterten Zahlungsabwickler Wirecard hat ein dritter geladener Zeuge von KPMG die drei Angeklagten belastet. In seiner Befragung vor dem Landgericht München I sagte der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Franz Haider am Mittwoch aus, dass das frühere Management von Wirecard die damalige Sonderprüfung durchgehend behindert habe. „Es war sehr schleppend und zäh. Essenzielle Sachen sind bis zum Schluss nicht gekommen oder kamen verspätet. Termine wurden wiederholt verschoben“, berichtete der 39-Jährige dem Vorsitzenden Richter Markus Födisch. Haider gehörte von Oktober 2019 bis Mai 2020 dem Prüfungsteam von KPMG an, das die Bücher des damaligen Dax-Mitglieds im Auftrag des Wirecard-Aufsichtsrats durchleuchtete. Haider bestätigte weitgehend die vorherigen Aussagen seiner Kollegen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Zuvor setzten bereits KPMG-Vorstandsmitglied Sven-Olaf Leitz und der IT-Forensiker Alexander Geschonneck die angeklagten Markus Braun (Ex-CEO), Stephan von Erffa (Ex-Konzernchefbuchhalter) und den geständigen Oliver Bellenhaus (Ex-Konzernstatthalter in Dubai) mit ihren Aussagen deutlich unter Druck.

„Wir konnten nichts Sinnvolles und Verwertbares eruieren“

Im Wirecard-Betrugsprozess belastet ein dritter Schlüsselzeuge von KPMG die drei Angeklagten – Keine Vorstandsprotokolle

Von Stefan Kroneck, München
Sieht sich vor Gericht erneut schweren Vorwürfen ausgesetzt: Markus Braun.

„Es ist uns nicht gelungen, die Geschäftsvorgänge nachverfolgen zu können“, führte Haider aus. „Wir konnten nichts Verwertbares und Sinnvolles eruieren.“ Neben den wichtigen Unterlagen und Nachweisen für Kreditkartenzahlungen im sogenannten Drittpartnergeschäft (TPA) fehlten dem Zeugen zufolge auch dokumentierte Beschlüsse des obersten Führungsorgans. „Es gab keine Vorstandsprotokolle.“ Haider bezeichnete diese Feststellung als „überraschend“. Der Zeuge gab an, dass Protokolle dieser Art bei großen börsennotierten Publikumsgesellschaften üblich seien. „Wir haben das Thema häufiger angesprochen. Wir haben gesagt, dass es Sinn hat, dies zu tun“, berichtete der KPMG-Prüfer über die Zusammenarbeit mit dem damaligen Verantwortlichen von Wirecard. Zudem sei KPMG der Zugang zu Computersystemen verweigert worden. „Systemzugriffe haben wir nicht bekommen. Wir konnten uns daher von der Existenz der angegebenen Umsätze nicht überzeugen.“

Auf Nachfrage nicht greifbar

Als Beispiel für Verzögerungen nannte Haider Versuche, während der Sonderprüfung mit Bellenhaus ein Gespräch zu führen, um Sachverhalte zu klären. Er erinnerte sich an ein erstes Treffen, welches im Dezember 2019 stattgefunden habe. Danach sei Bellenhaus kaum noch greifbar gewesen. Diese Schwierigkeiten seien so durchgängig gewesen, sagte der Zeuge und bestätigte damit von Födisch vorgehaltene Vernehmungsprotokolle der Staatsanwaltschaft München. „Das war in mehreren Fällen so.“ Haider zufolge sind ihm seinerzeit als zuständige Ansprechpartner fürs TPA-Geschäft neben Bellenhaus und von Erffa auch der damalige Vertriebsvorstand Jan Marsalek genannt worden. Das Fehlen von Nachweisen sei von Wirecard damit erklärt worden, dass sich die Datenbanken im Eigentum der TPA-Geschäftspartner befänden.

Der Zeuge berichtete von „Stellungnahmen“ des Unternehmens zur Sonderprüfung. Darin sei durchgehend der Umfang der Untersuchungen kritisiert worden. Es sei wiederholt gefragt worden, ob das so sein müsse. Haider zitierte KPMG-Vorstand Leitz, als dieser von einem Gespräch mit Braun im April 2020 berichtete. Der damalige Wirecard-Vorstandsvorsitzende habe darin angegeben, dass sämtliche Unterlagen vorhanden seien und die Sachverhalte sich aufklären ließen. Zugleich habe man KPMG aber mit „rechtlichen Schritten“ gedroht. Der damalige Compliance-Konzernchef, Daniel Steinhoff, habe angekündigt, prüfen zu lassen, ob die Prüfungshandlungen von KPMG durch den Untersuchungsauftrag gedeckt seien. Haider bestätigte vorherige Aussagen von Leitz, wonach der Aufsichtsrat das Mandat ohne Einschränkungen vergeben habe. Das Gericht vernahm den Juristen Steinhoff zuvor schon im Zeugenstand.

In einer großen Besprechungsrunde im April 2020 über den Prüfungsbericht von KPMG habe von Erffa „aufgeregt und verärgert“ gewirkt, so Haider. Der Zeuge bezog sich auf ein Treffen, an dem neben fünf Vertretern von KPMG etwa auch Braun, Marsalek und von Erffa teilgenommen hätten. Der Zeuge war nach eigenen Angaben ebenfalls dabei. In dieser Runde habe Braun in einer Eingangserklärung erneut beteuert, dass sich alles aufklären werde. Das Wirecard-Management habe sich überrascht gezeigt vom Umfang des Berichts. Überzeugende Schriftstücke seien allerdings von Wirecard auch danach nicht übergeben worden. „Die Sachen passten nicht sinnvoll zusammen“, sagte Haider.