Wirecard-Prozess

Druck auf Markus Braun vor Gericht wächst

Im Strafprozess um den Wirecard-Bilanzskandal wächst der Druck auf Ex-Konzernchef Markus Braun. Vor dem Landgericht München schilderte ein Zeuge, dass selbst dem Controlling kein Einblick in das Drittpartnergeschäft gewährt worden sei.

Druck auf Markus Braun vor Gericht wächst

„Es gab keinen Zugriff auf Dateien“

Ehemaliger Controller von Wirecard erhärtet vor Gericht Anklagepunkt der Fälschung

sck München

Im Strafprozess um den Wirecard-Bilanzskandal stellt sich heraus, dass selbst das Controlling des Konzerns keinen Einblick hatte in das Drittpartnergeschäft (TPA), welches laut Staatsanwaltschaft eine Luftbuchung war, um die wahre Lage des einstigen Dax-Mitglieds zu verschleiern. „Es gab keinen Zugriff auf die TPA-Dateien“, sagte Thorsten Borkowski in seiner Befragung vor dem Landgericht München. Der 42-Jährige war bei dem Zahlungsabwickler Leiter des Controlling-Bereichs Global Business.

Dem Vorsitzenden Richter Markus Födisch bestätigte er seine vorherigen Aussagen vor der Staatsanwaltschaft, dass es sich bei den TPA-Aktivitäten um eine „Blackbox“ gehandelt habe. „Es war immer ein bisschen so, dass man über das TPA-Geschäft in der Wirecard-Gruppe nicht spricht." Der Zeuge berichtete von einer nicht vorhandenen Transparenz und von unzureichenden Angaben über einzelne TPA-Kunden fürs Controlling.

Mit seinen Aussagen reiht sich Borkowski in die lange Liste jener Zeugen ein, die vor der zuständigen 4. Wirtschaftsstrafkammer bereits eine ähnliche Beschreibung über die Zustände bei Wirecard ablieferten: Das TPA-Geschäft sei vor allem vom früheren Vorstandschef Markus Braun und dem damaligen  Vertriebsvorstand Jan Marsalek vor anderen abgeschirmt gewesen, obwohl dieses einen Großteil zum Konzernumsatz beisteuerte und den Löwenanteil des Gewinns ausmachte.

Seit dem Zusammenbruch des Zahlungsabwicklers im Sommer 2020 sitzt der Hauptangeklagte Braun in Untersuchungshaft, während Marsalek sich nach seiner Flucht Medienberichten zufolge in Russland versteckt hält. Viele Zeugen belasten Braun schwer.

Diskussionen "überschaubar"

Der Mammutprozess gegen Braun und zwei Mitangeklagte läuft seit Dezember 2022. Die Strafermittler werfen dem Trio gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. Dieser Tage lehnte das Gericht einen Entlassungsantrag Brauns aus der Haft ab. Der Richter begründete dies mit dem weiterhin bestehenden dringenden Tatverdacht gegen den aus Wien stammenden Ex-CEO von Wirecard. Zuvor schmetterte die Justiz bereits Haftentlassungsanträge von Brauns Anwälten ab. Das lässt darauf schließen, dass das Gericht den Ausführungen der Staatsanwaltschaft München bislang folgt. Die Strafermittler stützen sich auf Aussagen des Kronzeugen Oliver Bellenhaus.

Der frühere Verwalter des Wirecard-Standorts Dubai legte gleich zu Beginn des Prozesses ein Geständnis ab. Er gab an, sämtliche TPA-Dokumente mit Wissen und im Auftrag von Braun und Marsalek gefälscht zu haben. Braun hingegen behauptet, dass es das TPA-Geschäft gegeben habe. Das in Asien abgewickelte angebliche Drittpartnergeschäft deckte Wirecard nach eigenen Angaben mit 1,9 Mrd. Euro, die sich auf Treuhandkonten bei philippinischen Banken befunden hätten. 2020 stellte sich aber heraus, dass dieses Geld nicht existierte. Wirecard musste daraufhin Insolvenz anmelden. 

Derweil berichtete der Zeuge Borkowski, dass inhaltliche Diskussionen über TPA bei Wirecard „überschaubar“ gewesen seien. Braun habe bei dem Thema regelmäßig eingegriffen. Das TPA-Zahlenwerk, welches Bellenhaus ablieferte, „hatte keine gute Grundlage“. Die Angaben seien unvollständig gewesen.

Bellenhaus lieferte Rechnungen im PDF-Format. „Vieles war sehr händig, wenig automatisiert.“ Neben Marsalek habe nur noch Stephan von Erffa laut Borkowski eine „gute Visibilität über TPA“ gehabt. Der frühere Konzernbilanzchef sitzt ebenfalls auf der Anklagebank.

Wenige Tage vor Borkowski sagte erstmals ein früheres Mitglied des Wirecard-Aufsichtsrats aus. Die Ex-Aufsichtsrätin Vuyiswa M’Cwabeni sprach von chaotischen Verhältnissen im Konzern. Braun habe das Kontrollgremium bei Aufklärungsversuchen während der Sonderprüfung von KPMG behindert und Anschuldigungen der Prüfer unterdrückt.

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