PERSONEN

Druck auf Norwegens designierten Staatsfondschef

Von Tobias Fischer, Frankfurt Börsen-Zeitung, 20.8.2020 Wochen nachdem er zum designierten Vorstandschef eines der weltweit größten Staatsfonds ernannt wurde, offenbarte Nicolai Tangen Einblicke in sein zermürbtes Seelenleben. Seitdem sei es "wie...

Druck auf Norwegens designierten Staatsfondschef

Von Tobias Fischer, FrankfurtWochen nachdem er zum designierten Vorstandschef eines der weltweit größten Staatsfonds ernannt wurde, offenbarte Nicolai Tangen Einblicke in sein zermürbtes Seelenleben. Seitdem sei es “wie in der Mitte eines Wäschetrockners” gewesen, gab der Hedgefondsmanager zu Protokoll. In den vergangenen Tagen ist es für ihn nicht besser gelaufen, ist der Fall doch längst zum Politikum avanciert, in dem Tangen, und nicht nur er, öffentlich mehr denn je unter Beschuss stehen. Fondschef und SchöngeistDabei müsste der 1966 geborene Norweger mit unbequemen Fragen umzugehen wissen. Schließlich soll Tangen, der bei der Armee Russisch studierte, beim Militärgeheimdienst nicht nur für Übersetzungsdienste, sondern auch für Verhöre trainiert worden sein. Später verschlug es ihn in die USA, wo er 1991 seinen Abschluss in Finanzwissenschaften an der Wharton School of Finance machte, und nach Großbritannien. Dem Master in Kunstgeschichte am Londoner Courtauld Institute of Art (1995) folgte Jahre später, 2017, der Master in Sozialpsychologie an der London School of Economics. London war für ihn fast drei Jahrzehnte Wohnort und Wirkungsstätte. Dort residierte er mit der von ihm 2002 gegründeten Firma AKO Capital. Der Hedgefonds mit 70 Mitarbeitern verwaltet gut 16 Mrd. Dollar von Universitäten, Stiftungen und Family Offices. Wegen seiner neuen Tätigkeit gibt Tangen seine AKO-Posten auf und kehrt nach Norwegen zurück, erklärte sein künftiger Arbeitgeber. Am 1. September soll er Nachfolger von Yngve Slyngstad an der Spitze von Norges Bank Investment Management (NBIM) werden. Die Abteilung der Zentralbank Norges Bank führt den Government Pension Fund Global mit einer Marktbewertung von fast 1 Bill. Euro. So weit der Plan, der mit Tangens öffentlichen Ernennung am 26. März vorgezeichnet wurde.Allerdings gerät er, und damit Zentralbank und Regierung, immer stärker unter Druck. Die Personalie hat in Norwegen zum Aufruhr geführt, wähnen doch Teile des politischen Establishments, der Öffentlichkeit und der Medien unsaubere Methoden bei der Vergabe des Spitzenpostens, Interessenkonflikte mit Tangens Rolle als Chef eines in London residierenden Finanzvehikels, dessen Privatvermögen mehr als eine halbe Milliarde Dollar betragen soll, und generell eine Personalauswahl, die dem Staatsfonds, der sich weltweit vorbildlicher Investmentstandards rühmt, nicht zur Ehre gereicht.Die Opposition läuft Sturm gegen Tangen, und der 15-köpfige Aufsichtsrat der Zentralbank, den Julie Brodtkorb von den regierenden Konservativen anführt, stellt sich gegen Zentralbankchef Oystein Olsen, der Tangen verteidigt und ihn im März als beste Wahl gepriesen hatte. Bereits im April war nicht nur der designierte, sondern auch der aktuelle CEO von NBIM in Erklärungsnöte geraten, als ein Ereignis von November Schlagzeilen machte, kurz nachdem Slyngstad seinen Rückzug von der Spitze des Staatsfonds erklärt hatte, sobald seine Nachfolge geregelt sei. Demnach hatte Tangen Slyngstad einen Flug von New York nach Oslo gesponsert, nachdem der CEO an einem von Tangen veranstalteten Seminar in den USA teilgenommen hatte (vgl. BZ vom 21. April).Das Parlament in Oslo übt nun Druck auf Finanzminister Jan Tore Sanner aus, damit dieser interveniert und Tangen verhindert, schreibt die norwegische Online-Zeitung “Newsinenglish.no”. Der Minister selbst und externe Gutachter verträten hingegen den Standpunkt, dass er nicht eingreifen und dem Vorstand der Norges Bank Anweisungen erteilen könne. Diese Feststellung wiederum brachte Juraprofessoren auf den Plan, die Sanner vorwerfen, dass er in der Angelegenheit nicht das Justizministerium oder die Staatsanwaltschaft konsultiert hatte. Letztere gilt jedoch nicht als unparteiisch, heißt es, weil Staatsanwalt Fredrik Sejersted ein alter Freund Tangens sei. Misstrauen bleibtVerbindungen wie diese zu Norwegens Eliten sind es, welche die Kritiker zusätzlich misstrauisch stimmen. Tangens Ernennung sei nicht mit den Standards kompatibel, die für einen CEO des Staatsfonds gelten sollten, warf etwa der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Jonas Gahr Store, in die Debatte. Auch sind ihm mögliche Interessenkonflikte zwischen Tangens neuer Position und seiner Beteiligung an AKO Capital ein Dorn im Auge. Die habe er zwar auf 43 % reduziert, schrieb Bloomberg dieser Tage, doch besänftigt das die Skeptiker nicht. Zentralbankchef Olsen wiederum stuft Tangen nur noch als passiven Investor in AKO Capital ein und hat potenzielle Interessenkonflikte für erledigt erklärt.Ende dieser Woche wird das Parlament voraussichtlich zu Tangen als CEO Stellung nehmen, schreibt “Newsinenglish.no”. Das könnte den gelernten Koch Tangen, dessen Motto “Du bist nie besser als dein letzter Pfannkuchen” lautet, in Teufels Küche bringen.