Dynamische Entwicklung am Markt für Wandelanleihen

Sich permanent neu erfindendes Instrument gehört in die Toolbox eines jeden börsennotierten Unternehmens

Dynamische Entwicklung am Markt für Wandelanleihen

Das Instrument Wandelanleihe ist für jeden Chief Financial Officer (CFO) und Treasurer einer börsennotierten Gesellschaft von jeher ein sehr flexibles Instrument, das mit vielen Stellschrauben an die individuellen Bedürfnisse des Emittenten angepasst werden kann. Dabei ist es essenziell, die Platzierbarkeit der gewählten Struktur zu gewährleisten, was neben der finalen Vermarktung die Kernfunktion der beraten-den Investmentbank ist. In den letzten zwei bis drei Jahren hat der Markt für Wandelanleihen eine große Vielfalt entwickelt und das nicht nur bei den erfolgreich platzierten Strukturen, sondern auch beim Management der ausstehenden Anleihen. Deutlicher NachfrageüberhangSo wurden im Laufe dieses Jahres in Europa bereits 9,6 Mrd. Euro im Equity-Linked-Markt platziert, was allerdings deutlich weniger ist als zur gleichen Zeit des letzten Jahres (18 Mrd. Euro). Die Angebotsknappheit hat die Preise am Sekundärmarkt stark erhöht und zu einem deutlichen Nachfrageüberhang geführt.Beim Profil der perfekten Neuemission haben Investoren eine klare Vorstellung, sind aber aufgrund der Knappheit des Neuemissionsvolumens flexibel. Bei einer Investorenumfrage der Société Générale wurden Emissionen von Emittenten aus Deutschland, Frankreich und Benelux favorisiert. Im Hinblick auf den Sektor wünschten sich Investoren mehr Transaktionen in den Bereichen Healthcare, Industrials, Energie und TMT. Bei den Anleihestrukturen zeigten sich die befragten Investoren sehr offen, was dem derzeitigen Trend zu mehr Financial Engineering entgegenkommt.Für viele Unternehmen bietet die Wandelanleihe zum Beispiel den Vorteil eines sehr niedrigen Kupons, eine schnelle und mit wenig Aufwand verbundene Vorbereitung, eine eigenständige Investorenbasis sowie die Wandelbarkeit in Eigenkapital zur Stärkung der Bilanz. Der letztere Aspekt wird von einigen Emittenten als Vorteil gesehen, andere würden auf den Eigenkapital verwässernden Effekt lieber verzichten. So hat sich etwa in den letzten Jahren ein sehr aktiver Markt für Wandelanleihen ohne Verwässerungseffekt gebildet; diese werden auch synthetische oder eigenkapitalneutrale Wandelanleihen genannt. Bei dieser Variante wird das sogenannte Settlement in jedem Fall in bar und nicht mit Aktien durchgeführt, so dass eine Verwässerung ausgeschlossen ist.Erstmals in Europa von der Fresenius SE begeben, haben danach auch in Deutschland Fresenius Medical Care, BASF und erst kürzlich Adidas diesen Weg gewählt. Der Emittent sichert die offene Position der Anleihe, resultierend aus der Abwicklung bei Wandlung in bar, durch den Kauf von Call-Optionen, die die Struktur der in der Wandelanleihe implizierten Call-Option spiegeln. Neben der Eigenkapitalneutralität ist der wesentliche Vorteil dieser Struktur ein Kostenvorteil gegenüber einer normalen Unternehmensanleihe, die wirtschaftlich das gleiche Instrument repräsentiert. Der Kostenvorteil resultiert aus der oft höheren Bewertung der Option in der Wandelanleihe gegenüber der gekauften Hedge-Option. Emittenten nutzen bei dieser Variante zudem eine alternative Investorenbasis, die sich deutlich von den üblichen Bondinvestoren unterscheidet. Bereits 2,7 Mrd. Euro wurden in diesem Jahr in Europa über dieses Finanzierungsinstrument begeben. Der umgekehrte WegDen genau umgekehrten Weg ist zum Beispiel Bayer vor einiger Zeit gegangen. Hier sollte für die Monsanto-Übernahme auf jeden Fall Eigenkapital entstehen. Die dafür als ersten Schritt gewählte Zwangswandelanleihe wird in jedem Fall in Aktien gewandelt und ist dadurch bei den Ratingagenturen schon bei Emission dem Eigenkapital zuzurechnen.Um das Profil bereits emittierter, ausstehender Wandelanleihen aus Emittentensicht an die eigenen Bedürfnisse anzupassen, wird in den letzten Jahren sehr häufig Gebrauch von aktivem Liability Management gemacht. Hierbei werden Wandelanleihen vor ihrem Laufzeitende zurückgekauft oder es werden Anreize zur Wandlung gegeben. Der Emittent hat so die Möglichkeit, den Rückzahlungszeitpunkt der Verbindlichkeiten aktiv zu managen oder benötigtes Eigenkapital durch frühzeitige Wandlung zu generieren. Bei Rückkäufen werden sehr häufig neue Wandelanleihen zur Refinanzierung ausgegeben, was bei Investoren sehr beliebt ist. Der Emittent ist dann bekannt und die zurückzukaufende Anleihe ist ein wichtiger Datenpunkt, um die Attraktivität der neuen Anleihe einzuschätzen.Viele Möglichkeiten der Rückzahlungsmodalitäten ergeben sich aber bei richtiger Strukturierung bereits bei Emission. So hat sich eine Rückzahlungsklausel in Deutschland besonders etabliert, die es dem Emittenten erlaubt, auch wenn der Wandlungspreis nicht erreicht wurde, die Anleihe mit Aktien zurückzuzahlen. Nur das Delta zum Nominalwert wird dann in bar gezahlt. Diese Möglichkeit erleichtert beispielsweise Wachstumsunternehmen die Liquiditätsplanung und erlaubt es Unternehmen, die oft Eigenkapital benötigen (wie etwa im Immobilienbereich), diesen Aspekt aktiv zu managen.Ein weiterer Trend, der in den USA schon seit Jahren praktiziert wird, ist die Emission von klassischen oder synthetischen Wandelanleihen zur Finanzierung von Aktienrückkäufen. Auf den ersten Blick erscheint es merkwürdig, ein potenziell verwässerndes Instrument zu diesem Zweck zu emittieren. Die Idee hat aber ihren Charme: Gerade wenn der Aktienrückkauf nicht aufgrund von überschüssiger Liquidität sondern eher zur Aktienkursstabilisierung erfolgt, macht die Emission einer Wandelanleihe Sinn. Emittiert man hier doch ein Instrument mit sehr niedrigen Kosten, das die Aktie – wenn überhaupt – dann nur zu einem sehr viel höheren Preis, beispielsweise 30 bis 60 % über dem Aktienrückkaufpreis ausgibt. Während der Laufzeit spart sich das Unternehmen darüber hinaus die Zahlung der Dividenden für die zurückgekauften Aktien. Prominente Beispiele sind Adidas, ST Microelectronics und Sika in der Schweiz. Emission in FremdwährungEin weiterer interessanter Trend ist die Emission von Wandelanleihen in Fremdwährung, speziell in US-Dollar. Viele der in diesem Jahr begebenen Wandelanleihen in Europa wurden in Dollar begeben. Das hat vielfältige Gründe. Gerade bei Emittenten mit sehr gutem Rating rutscht die Rendite einer Euro-Wandelanleihe durch den Wert der Option sehr schnell tief in den negativen Bereich. Durch die höheren US-Zinsen bleibt bei einer Dollar-Emission die Rendite für den Investor auf attraktiverem Niveau. Dem Emittenten entsteht dadurch kein Nachteil: Entweder er benötigt sowieso Dollar oder er wechselt diese durch einen Fremdwährungsswap wieder in Euro, und profitiert hier gegebenenfalls noch von Vorteilen aus dem Zinsdifferenzial. Rund 36 % des europäischen Wandelanleihevolumens wurden im Jahr 2018 bisher in Dollar begeben.Platziert werden Wandelanleihen deutscher und europäischer Emittenten währungsunabhängig zu einem großen Anteil in Frankreich, wo die Mehrzahl der sogenannten Long-only-Investoren traditionell zuhause ist. Daneben sind auch die Schweiz und Großbritannien wichtige Regionen mit Anlagetöpfen für diese spezielle Assetklasse. Dollar-Wandelanleihen sind also eine der ganz wenigen Möglichkeiten, Dollar in großen Volumina aufzunehmen, ohne Finanzierungsinstrumente bei US-Investoren mit aufwendiger Dokumentation vermarkten zu müssen. Beispiele verdeutlichen esDiese Beispiele zeigen: Die Wandelanleihe erfindet sich permanent neu und ist daher ein Instrument, das in die Toolbox jedes börsennotierten Unternehmens gehört. Die Gestaltungsmöglichkeiten gepaart mit einem sehr effizienten und schnellen Vorbereitungs- und Vermarktungsprozess bieten für viele Unternehmen signifikante Vorteile gegenüber alternativen Finanzierungsformen.—-Ralf Darpe, Head of Equity Capital Markets und Co-Head Corporate Finance bei der Société Générale