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E-Auto-Boom kommt auf leisen Sohlen

Auf der IAA ist die Elektromobilität in den Mittelpunkt gerückt. Wer profitieren wird, ist längst nicht ausgemacht. Klar scheint nur, dass die Marge der Hersteller leiden dürfte. Von Sebastian Schmid Auf der IAA in Frankfurt haben die...

E-Auto-Boom kommt auf leisen Sohlen

Auf der IAA ist die Elektromobilität in den Mittelpunkt gerückt. Wer profitieren wird, ist längst nicht ausgemacht. Klar scheint nur, dass die Marge der Hersteller leiden dürfte.Von Sebastian Schmid Auf der IAA in Frankfurt haben die Branchengrößen zwar auch 2017 wieder neue verbrauchsstarke SUVs gezeigt. Die Autobauer haben aber vor und während der Automesse auch ambitionierte Pläne zum Ausbau der E-Mobilität vorgestellt. BMW will die Modellpalette bis 2025 von 10 auf 25 elektrische Fahrzeuge aufstocken. Daimler peilt 50 Elektrifizierte bis 2025 an. Volkswagen will bis 2025 gut 80 E-Modelle auf den Markt bringen. Weiter lehnt sich kein Autobauer aus dem Fenster. Für den Autoanalysten Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler will VW-Chef Matthias Müller damit auch das Ziel von VW unterstreichen, die Nummer 1 der Welt zu sein (siehe Interview) – ein langjähriger Anspruch, der im Zuge des Dieselskandals in den Hintergrund rückte.Der kräftige Gegenwind für den Dieselmotor – über Jahre Kernelement der Strategie der Autobauer, um die CO2-Vorgaben in der EU zu erfüllen – treibt nun auch die Pläne für mehr E-Autos an. Analysten erwarten in Europa und China ein rasantes Wachstum in den kommenden Jahren. Ökologische Aspekte spielen auch bei Anlegern und Fonds eine wachsende Rolle. Im August hat etwa Erste Asset Management sowohl Daimler als auch BMW wegen der Dieselthematik aus ihrem investierbaren Nachhaltigkeitsuniversum ausgeschlossen. Der Trend zu mehr E-Mobilität scheint derzeit irreversibel. Die Autohersteller, die das Thema vorantreiben und zum Kunden tragen sollen, sehen sich über Jahre höherem Investitionsaufwand gegenüber. Neben der E-Mobilität belastet auch das autonome Fahren mit hohen Entwicklungskosten. In das selbstfahrende Auto steckt auch die branchenfremde Konkurrenz besonders viel Geld. Im Silicon Valley werden Milliarden in die Entwicklung autonom fahrender Autos investiert. Weltmarktführer wie Apple oder Google haben noch tiefere Taschen als die finanziell gut aufgestellte deutsche Autoindustrie. Jeder Tesla bringt VerlusteDamit dürfte deren Marge leiden, wie auch Pieper glaubt. Der einzige Autobauer, der dies bislang offen einräumt, ist Daimler. Die Stuttgarter rechnen damit, dass der Deckungsbeitrag der E-Fahrzeuge anfangs nur etwa halb so hoch ausfallen dürfte wie bei konventionellen Antrieben. VW und BMW beharren darauf, dass die Marge gehalten werde. Derzeitige E-Autos wie Teslas neues Model 3 oder der Chevrolet Bolt bringen einen positiven Deckungsbeitrag, liefern unterm Strich aber mit jedem verkauften Auto vierstellige Dollarverluste. Doch wer profitiert? Bei den Zulieferern dürfte es definitiv nicht jeder sein. Sie tragen sogar ein höheres Risiko neuer Konkurrenten aus der Elektronik- und Halbleiterbranche. Die Autohersteller haben durch ihren Markennamen sowie hohe Kapital- und Entwicklungskosten Markteintrittsbarrieren aufgebaut. Star-Neuling Tesla ist nach Jahren noch immer defizitär. Einer Studie des Center of Automotive Management zufolge trauen deutsche Autofahrer Mercedes-Benz, BMW und Audi noch immer eher zu, selbstfahrende Autos zu entwickeln, als dem US-Rivalen. Auf der Zuliefererseite zählen vergangene Erfolge wenig. Nur wer hier schnell genug neue Kompetenzen aufbaut, wird die Transformation positiv gestalten. Als Paradebeispiel gilt Hella, die weit schneller als die Branche wächst. Zuletzt gab es aber auch bei ihr Probleme. Ende September brach die Aktie nach schwachen Zahlen um fast ein Zehntel ein. Seit Jahresbeginn hat ihr Kurs dennoch um fast die Hälfte zugelegt. Derweil wird Schaeffler sowohl von Metzler als auch der UBS zu den Verlierern gezählt – wegen der hohen Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor. Batteriehersteller profitierenWesentlicher Profiteur der E-Mobilitätsentwicklung dürften die Batteriehersteller sein, deren Nachfrage sich binnen weniger Jahre vervielfachen soll. Wer hier einen technologischen Durchbruch erzielt, kann sich eine goldene Nase verdienen. Noch immer gilt die derzeitige Technologie als Hürde vor einer schnelleren Adaption rein elektrisch betriebener Fahrzeuge. Umfragen zufolge ist die Reichweite von Teslas Model 3 mit 220 bis 310 Meilen für jeden zweiten Autofahrer noch immer zu wenig. Die Profiteure der höheren Batterie­nachfrage sitzen derzeit in Asien – LG, Samsung oder Panasonic etwa. Pieper sieht es kritisch, dass sich die deutschen Autobauer bei dieser Zukunftstechnologie bislang so zurückhalten. VW-Markenchef Herbert Diess hatte unlängst einen Vorstoß für eine Batteriezellen-Allianz gewagt, der aber kaum Resonanz fand. Einher mit der steigenden Batterienachfrage geht ein höherer Rohstoffbedarf. Für Lithium und Cobalt dürfte sich die globale Nachfrage mittelfristig mehr als verzehnfachen. Auch Nickel und Seltene Erden werden weit mehr gebraucht. Für viele Rohstoffproduzenten ist das positiv.Der größte Profiteur indes ist aber wohl die Halbleiterindustrie. Die Firmen bauen den Anteil ihres Geschäfts mit der Automobilindustrie schon länger aus. Infineon ist sowohl für E-Mobilität als auch autonomes Fahren stark aufgestellt. US-Wettbewerber Texas Instruments hat sich hier auch bestens positioniert. Dass selbst Chipproduzenten, die aus einem anderen Kerngeschäft kommen, vom Wandel im Autosektor profitieren, zeigt Nvidia. Zwar erlöst diese das Gros ihrer Erlöse weiter mit Grafikchips für Videospielgeräte. Deutlich schneller wachsen aber andere Bereiche. Der Umsatz mit der Autoindustrie hat sich binnen zwei Jahren knapp verdoppelt. Wie schnell das Blatt sich wenden kann, musste indes auch Nvidia jüngst erfahren. Für ihre Infotainmentsysteme wechselt Tesla von Nvidia zu Intel.