IM GESPRÄCH: ENGIN EROGLU

"Edis nur für systemrelevante Banken"

Der EU-Abgeordnete über eine europäische Einlagensicherung, die Euro-Reformen und die Rolle der neuen EZB-Chefin Lagarde

"Edis nur für systemrelevante Banken"

Von Andreas Heitker, BrüsselIn der Debatte um die Einführung einer europäischen Einlagensicherung (Edis) hat der deutsche EU-Abgeordnete Engin Eroglu vorgeschlagen, lediglich systemrelevante Banken verpflichtend in eine solche Absicherung einzubeziehen. Kleinere Banken sollten nur auf einer freiwilligen Basis einbezogen werden, sagte Eroglu im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “In solch einem Rahmen könnte diese europäische Einlagensicherung Banken in Ländern, in denen das Vertrauen in Banken gelitten hat, helfen.”Eroglu, der den Freien Wählern angehört und seit Sommer auch im einflussreichen Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments (Econ) sitzt, verwies darauf, dass in einem solchen System – also “Edis nur für systemrelevante Banken” – die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken auf diese zusätzliche Versicherung und die damit einhergehenden Kosten verzichten könnten. Ihre Institutssicherungen funktionierten seit ihrer Einführung hervorragend und ohne Kosten für Steuerzahler. “Diese Banken müssten also unbedingt von Edis ausgenommen werden”, betont Eroglu. “Solange das nicht der Fall ist, bin ich froh, wenn Edis nicht kommt.” Lob für Scholz-VorschlägeDie Eurogruppe hatte es auf ihrer jüngsten Sitzung Anfang Dezember erneut nicht geschafft, sich auf einen weiteren Fahrplan zur Vertiefung der Bankenunion und insbesondere für die Einführung einer Einlagensicherung zu einigen, für die die EU-Kommission bereits 2015 einen Gesetzesvorschlag vorgelegt hatte. Jetzt wird das Thema erst einmal auf die lange Bank geschoben. Nach der letzten Eurogruppe war nur noch die Rede davon, dass eine Lösung innerhalb der nächsten fünf Jahre gefunden werden solle.Eroglu verwies in dem Gespräch darauf, dass das Thema Einlagensicherung sehr vielschichtig sei: “Zuerst einmal entstehen durch dieses Sicherungssystem Kosten für den Bankensektor. Das macht im Fall von systemrelevanten Banken auch Sinn – eine Versicherung ist nie kostenlos”, stellte er klar. Problematisch werde es, wenn eine Bank diese Versicherung gar nicht brauche, weil sie bereits eine habe – wie etwa im Falle der Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken. Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der im November einen neuen Vorstoß zur Vollendung der Bankenunion unternommen hatte, hat nach Einschätzung von Eroglu mehrere gute Vorschläge gemacht. Dazu zählten beispielsweise die Forderung nach einer einheitlichen Bankinsolvenz, eine stärkere Risikogewichtung von Staatsanleihen in der Bankenregulierung oder die Forderung nach dem Abbau von Klumpenrisiken in Bankbilanzen.Eroglu geht es hier vor allem darum, dass der Teufelskreis durchbrochen wird, wonach aktuell Banken von Staaten abhängig sind und die Staaten abhängig von Banken. “Dieser sogenannte Staaten-Banken-Nexus hat zur Folge, dass in der Praxis weder eine größere Bank noch ein Staat pleitegehen darf”, sagt er. Und dieses “Too-big-to-fail-Problem” führe wiederum dazu, dass die Steuerzahler bei Bankenrettungen und Rettungsprogrammen für überschuldete Staaten zur Kasse gebeten würden.Eroglu hält es für eine theoretische Grundvoraussetzung auch einer fairen europäischen Einlagensicherung, dass schlecht wirtschaftende Staaten und Banken wieder pleitegehen können. “Leider ist dieser Teil der Vorschläge von Scholz in der EU-Blase weitgehend untergegangen”, moniert der 37-Jährige. Warnung vor “Draghi 2.0″In diesem Zusammenhang sieht Eroglu auch die geplante Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) kritisch, weil der Eurorettungsfonds künftig für den Backstop des Bankenabwicklungsfonds SRF zuständig sein soll und damit nicht nur in die Staatenrettung, sondern auch in die Bankenregulierung einbezogen wird. “Aus meiner Sicht setzen wir an der falschen Stelle an”, erläutert der Abgeordnete in dem Gespräch. “Eigentlich müssen wir verhindern, dass die Banken Staatspapiere aufkaufen. Das tun sie, weil die Bankenregulierung die Anreize so setzt, wie sie es tut.”Italienische Staatsanleihen müssten nicht mit Eigenkapital hinterlegt werden, eine Anleihe der Münchner Rück hingegen schon. Das spiegele aber nicht die eigentliche Risikostruktur wider. “Und die Klumpenrisiken bei Staatsanleihen in Bankbilanzen sind ebenfalls nicht ausreichend berücksichtigt.”Bei der weiteren Stabilisierung der Eurozone spielt nach Einschätzung von Eroglu neben den aktuell debattierten Reformvorhaben auch die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde “eine ganz entscheidende Rolle”. Es wäre wichtig, dass Lagarde den Krisenmodus in der Geldpolitik beende. “Leider hörte es sich bei ihren bisherigen Auftritten im Wirtschafts- und Währungsausschuss nicht so an. Ihre Bewerbung im Parlament klang nach ,Ich bin Draghi 2.0′”, kritisiert Eroglu. Er habe deswegen auch gegen ihre Nominierung gestimmt. Teuer erkauftDer bisherige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), der Italiener Mario Draghi, habe Stabilität vor allem im Licht der EU-Krisenstaaten gesehen und diesen durch seine ultralockere Geldpolitik geholfen, ist sich Eroglu sicher. “Aber das ist teuer erkauft: Wir leben jetzt seit einigen Jahren in einer Welt von negativen Realzinsen. Dies war in der Vergangenheit immer ein Nährboden für Vermögenspreisblasen.” Die Gefahrsolcher Preisblasen sehe er insbesondere für die Länder, die wirtschaftlich gute oder normale Zeiten hätten – doch die Geldpolitik passe sich an die Krisenstaaten in Südeuropa an.Aus seiner Sicht gebe es das Problem, dass die EZB geldpolitisch bereits Vollgas fahre, warnt Eroglu. “Wie kann sie noch reagieren, wenn eine Krise die EU trifft? Mit der Krise der Automobilindustrie, Brexit, Handelskrieg, Green Deal und ähnlichen Themen lässt sich eine Wirtschaftskrise nicht ausschließen.” Die EZB könnte dann nicht noch weiter beschleunigen – zumindest nicht ohne Nebenwirkungen.