Eigentor für Wirecard
Wenn eine große börsennotierte Publikumsgesellschaft in einer Sonderprüfung von Bilanzfachleuten eine Schelte coram publico einstecken muss, dann brennt es auf dem Dach. Denn die aufgedeckten Mängel in der Dokumentierung und Verarbeitung des strittigen Drittlizenzgeschäfts bei Wirecard durch KPMG sind keine Petitessen, die nur auf Defizite in der Compliance des Zahlungsabwicklers zurückzuführen sind, wie der engagierte Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann die Problematik herunterspielt.Das Resultat des Abschlussberichts der von ihm selbst beauftragten Wirtschaftsprüfer offenbart ebenso gravierende Schwächen in der Corporate Governance des seit September 2018 dem Dax angehörenden Fintech-Unternehmens. Direkte personelle Konsequenzen will Eichelmann aus dem für Wirecard peinlichen Prüfergebnis dennoch nicht ziehen. Statt den auch für Investor Relations verantwortlichen Dauer-Vorstandschef Markus Braun in die Wüste zu schicken, stärkt er ihm öffentlich sogar noch den Rücken mit der Begründung, der Vorwurf der “Financial Times” der Bilanzmanipulationen habe sich im Kern mangels Belegen nicht bestätigt. Dieses Argument ist nicht stichhaltig. KPMG weist darauf hin, dass ein Urteil über die Drittlizenzaktivitäten gar nicht möglich gewesen sei, da vor allem die Geschäftspartner sich weigerten, Unterlagen herauszurücken. Das heißt, dass die Beschuldigungen nicht überzeugend widerlegt sind. Die Zweifel bleiben bestehen.Das sieht auch der Markt so. Seit Veröffentlichung des KPMG-Berichts vor einer Woche auf der Internetseite von Wirecard hat die Aktie des operativ aufstrebenden bayerischen Konzerns über ein Drittel an Wert eingebüßt. Dies kann selbst der hartgesottene Eichelmann nicht ignorieren. Der von der Verwaltung erhoffte Befreiungsschlag mit der KPMG-Prüfung erwies sich für das Unternehmen als Eigentor, an dem es noch lange zu knabbern hat.Denn wo offenkundig Schwächen bestehen, lauern Hedgefonds, die das auszunutzen versuchen, um damit Millionen zu verdienen. Diese Marktspezies, die bereits mit dem Beginn der Berichtsserie der britischen Finanzzeitung Ende Januar 2019 das Thema Wirecard für sich “entdeckt” hatte, schickt sich nun an, nach der jüngsten Schlappe der Konzernführung noch eins draufzusetzen, um mit ihren Wetten gegen das Unternehmen den großen Reibach zu machen. Elf Adressen aus den USA und London haben ihre Netto-Leerverkaufspositionen laut Bundesanzeiger jüngst auf 10 % des Grundkapitals von Wirecard erhöht. Das entspricht einem Marktwert von 1 Mrd. Euro. Besonders aktiv sind die drei Häuser Slate Path (1,6 %), Marshall Wace (1,3 %) und TCI Fund (1,5 %).In dieser Konstellation sollte sich die Verwaltung von Wirecard warm anziehen. Denn mit TCI bahnt sich zur kommenden ordentlichen Hauptversammlung im Juli ein Machtkampf an, der für Braun mit einer Niederlage enden könnte. Bei einem Streubesitz von 93 % verfügen die Hedgefonds mittlerweile über mehr Feuerkraft als der CEO, der mit seinem Unternehmensanteil 7,1 % als Gegengewicht aufbringen kann. TCI-Gründer Christopher Hohn fordert bereits Brauns Absetzung.TCI ist in Deutschland ein Altbekannter. So sorgte Hohn vor 15 Jahren dafür, dass der damalige Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, nach einer gescheiterten Expansion das Handtuch warf. Eichelmann, der selbst mal Finanzvorstand des Frankfurter Börsenbetreibers war, weiß also genau, dass Wirecard ungemütliche Zeiten bevorstehen, die die Aktie erneut in Turbulenzen stürzen könnten.Unterdessen agiert der CEO nach außen so, als ginge ihn das alles nichts an, während Eichelmann sich darum bemüht, mit einer Erweiterung des Aufsichtsrats und des Vorstands den Anforderungen an eine gute Unternehmensführung besser gerecht zu werden, um Wirecard ins Lot zu bringen. Zugleich stellt er nach den schlechten Erfahrungen das Drittlizenzgeschäft en passant zur Disposition. Fällt eine solche Äußerung des Chefaufsehers nicht in die Kategorie der Ad-hoc-Meldungen? Wie sich zeigt, ist der Konzern in der Kommunikation mit den Anlegern weiter recht eigenwillig unterwegs, wie auch die drei zurückliegenden Pflichtmitteilungen im Zusammenhang mit der KPMG-Prüfung gezeigt haben. Braun sollte sich aber ernsthaft damit auseinandersetzen, ob diese Haltung, die er an den Tag legt, auf Dauer noch gutgehen kann. Ansonsten wäre Eichelmann gezwungen, die Reißleine zu ziehen, bevor das andere erledigen.——Von Stefan KroneckDas wenig schmeichelhafte Ergebnis des Prüfberichts von KPMG legt auch Schwächen in der Corporate Governance von Wirecard offen.——