LEITARTIKEL

Ein Hoch auf die Heimat

Das dritte Quartal war für die vier großen US-Universalbanken einmal mehr ein Fest. Ihre in den vergangenen Jahren stetig abgebröckelte Ertragskraft ist wieder gestiegen - abgesehen von der durch eine erneute Strafzahlung zurückgeworfenen Bank of...

Ein Hoch auf die Heimat

Das dritte Quartal war für die vier großen US-Universalbanken einmal mehr ein Fest. Ihre in den vergangenen Jahren stetig abgebröckelte Ertragskraft ist wieder gestiegen – abgesehen von der durch eine erneute Strafzahlung zurückgeworfenen Bank of America. Auch die großen Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley durften dank anziehender Handelsgeschäfte und gewachsener Beratungserlöse jubeln. Wer nun allerdings glaubt, dass an der Wall Street einfach bis Weihnachten durchgefeiert werde, sollte seine Erwartungen zügeln. “Wir sind noch nicht aus dem Gröbsten heraus”, warnt etwa Barclays-Analyst Jason Goldberg.Diese Aussage zeigt allerdings vor allem, dass die Erwartungen an die Wall Street durch die Finanzkrise noch längst nicht normalisiert wurden. J. P. Morgan Chase verdiente 5,6 Mrd. Dollar, Wells Fargo 5,7 Mrd. Dollar, Citigroup 3,7 Mrd. Dollar – allein in den vergangenen drei Monaten. Bank of America berichtete zwar einen kleinen Verlust von 168 Mill. Dollar, wurde allerdings aus ihrem Vergleich mit dem US-Justizministerium mit satten 5,3 Mrd. Dollar vor Steuern belastet. Wie viel besser muss es wohl erst laufen, wenn der “Normalzustand” ausgerufen werden konnte?Zugegeben: Das Handelsgeschäft ist so volatil wie das Marktgeschehen. Und dort haben sich die Bedingungen seit dem vergangenen Monat spürbar verschlechtert. Rund um den Globus gehen die Aktienmärkte auf rasante Talfahrt. Bei festverzinslichen Wertpapieren sieht die Entwicklung zwar anders aus. So sind US-Bonds mit zehn Jahren Laufzeit zuletzt zeitweise sogar unter die 2-Prozent-Marke gefallen. Kurz- bis mittelfristig dürfte aber auch hier der Wind drehen. Schließlich werden für kommendes Jahr Fed-Zinserhöhungen prognostiziert. Mehr noch als im Anleihehandel dürften sich höhere Zinsen aber am Kreditmarkt niederschlagen. Hier wird schon heute nur noch viel Geschäft gemacht, wo die Standards kräftig gesenkt wurden – allen voran im Autokreditgeschäft. Bei Häuserkrediten, die wegen der geplatzten Immobilienblase noch immer etwas vorsichtiger vergeben werden, wächst die Nachfrage längst nicht so rasant. Dass der US-Häusermarkt schwächelt, sobald die Zinsen wieder steigen, fürchtet so mancher Marktbeobachter. Da es aber im Ausland – von Europa bis Fernost – noch unattraktiver als zu Hause aussieht, ist es kaum verwunderlich, dass sich gerade die Großbanken zunehmend auf ihre Heimat konzentrieren. Denn hier lässt sich allen Unkenrufen zum Trotz auch bei schrumpfenden Zinsmargen sehr gut verdienen.Wells Fargo macht dies schon lange vor und hat sich so zur erfolgreichsten Bank nach der Finanzkrise gemausert – auch wenn im jüngsten Quartal die Erwartungen an das Ergebnis nur getroffen wurden. Da das Investment Banking vergleichsweise winzig ist, fehlte der Schub aus diesem Bereich. Andere Banken hoffen derweil, von der stärkeren Konzentration auf das Heimatgeschäft profitieren zu können. So hat die Citigroup in der vergangenen Woche angekündigt, sich aus dem Retail-Segment in elf weiteren Ländern zurückzuziehen – darunter auch Japan. Seit 2012 hat Citi die Zahl ihrer Retail-Märkte halbiert.Das verwundert nicht, dürfte die Bank doch kaum ein Land finden, in dem die Bedingungen derart paradiesisch wie zu Hause sind. So hat die Citigroup erst jüngst die Girokontoführungsgebühren um ein Viertel erhöht. Noch beeindruckender ist die Geschwindigkeit, mit der die Gebühr seit ihrer Einführung 2010 gestiegen ist. Damals wurden 7,50 Dollar im Monat von Kunden verlangt, die im Schnitt weniger als 1 500 Dollar auf dem Konto hatten. Nun soll 25 Dollar im Monat zahlen, wer im Schnitt weniger als 10 000 Dollar auf dem Konto liegen hat. Warum die Kunden nicht das Weite suchen? Zum einen ist ein Bankkonto in den USA unerlässlich bei praktisch nicht mehr existentem Bargeldverkehr. Zum anderen haben andere Banken längst mitgezogen. Während in anderen Märkten der Wettbewerb oder der Regulierer derartigen Preistreibereien längst Einhalt geboten hätte, ist das in den USA keine Gefahr. Auch weil das Geschäft den Banken hilft, die immer höheren Strafen zu verdauen, – wie etwa jüngst der Bank of America. Steigende Rechtskosten bleiben im dritten Quartal der Wermutstropfen auf einer ansonsten erneut beeindruckenden Bilanz. Auch im Niedrigzinsumfeld bleiben die US-Banken hochprofitabel. Sie haben sich längst auf steigende Rechts- und Regulierungskosten eingestellt. Das angeblich “Gröbste” halten sie dank der Heimat ganz entspannt aus.——–Von Sebastian SchmidNicht jeder ist mit dem Quartal der US-Banken zufrieden. Dabei zeigt etwa Bank of America, wie leicht die Institute mittlerweile selbst Rekordstrafen verdauen.——-