Ein Instrument für sonnige Zeiten?
Dr. Eva ReudelhuberPartnerin bei Gleiss LutzSchuldscheine sind ein wichtiger Bestandteil einer Konzern- oder Unternehmensfinanzierung. Viele Unternehmen haben neben einem Konsortialkredit oder einer Anleihe, zum Teil in Kombination mit bilateralen Kreditlinien, Schuldscheine begeben. Der große Vorteil der Begebung eines Schuldscheins ist, dass er den Unternehmen Zugang zu einem größeren Investorenkreis ermöglicht. Eine Prospektpflicht besteht nicht und somit keine Marktpublizität. Auch ist kein Rating erforderlich und die Dokumentation erlaubt flexiblere Regelungen. All diese Punkte machen den Schuldschein zu einem attraktiven Instrument der mittel- und langfristigen Finanzierung eines Unternehmens. Der Schuldscheinmarkt ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gewachsen und erreichte im Jahr 2018 ein Volumen von 23 Mrd. Euro und im ersten Halbjahr 2019 ein Volumen von 15 Mrd. Euro, wobei der Anteil an ausländischen Emittenten in den letzten Jahren stets gestiegen ist.Die Schuldscheine werden von einer Bank arrangiert und bei den Investoren platziert. Rechtlich handelt es sich um bilaterale Darlehen zwischen dem jeweiligen Kreditnehmer und den einzelnen Investoren. Der Schuldschein ist kein Wertpapier und unterliegt nicht den Regelungen des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG). Die Investoren sind nicht durch eine Gläubigervereinbarung oder einen gemeinsamen Kreditvertrag miteinander verbunden und es bestehen auch keine Verpflichtungen der Investoren untereinander. Aufgrund seiner besonderen Struktur wird der Schuldschein im Falle einer Unternehmenskrise als eines derjenigen Finanzierungsinstrumente angesehen, die eine konsensuale Restrukturierung, die in der Regel einer Insolvenz vorzuziehen ist, erschweren können. Anders als in einem Konsortialkredit besteht für den Schuldner bei einer Vertragsverletzung, z. B. Nichteinhaltung von Finanzkennzahlen, keine Möglichkeit, über einen gemeinsamen Agenten die Investoren anzusprechen und gar eine Mehrheitsentscheidung zur Zustimmung der Aussetzung der Finanzkennzahl oder anderer Vertragsverpflichtungen zu erwirken. In einem Schuldschein ist die Zahlstelle gerade nicht der Agent der Investoren und handelt nicht im Namen und im Auftrag der Investoren, sondern steht vertraglich und strukturell auf Seiten des Emittenten. Die Zahlstelle sieht sich von ihrer Aufgabe her auch nicht als Koordinator oder Vertreter der Investoren. Da es sich bei Schuldscheinen um bilaterale Darlehen handelt, besteht anders als im Konsortialkredit kein Mehrheitsprinzip bei der Zustimmung zur Aussetzung einer Finanzkennzahl oder einer möglichen Vertragsverletzung. Der Emittent ist daher zwingend darauf angewiesen, die Zustimmung einzelner Investoren im Fall einer Vertragsänderung oder einer Zustimmung z. B. zur Aussetzung einer Finanzkennzahl einzuholen. Insbesondere bei großen Platzierungen, die auch 80 bis 100 Investoren haben können, kann dies sehr mühsam, wenn nicht gar unmöglich sein. Gerade Investoren, die nicht an einer Restrukturierung mitwirken wollen, sehen in der Verweigerung der Zustimmung durchaus die Möglichkeit, über den sogenannten “Nuisance Factor” durch eine Verweigerung der Zustimmung eine vorzeitige Rückzahlung zu erlangen. Die marktüblichen Dokumentationen enthalten für einen solchen Fall keine Regelung. In Konsortialkreditverträgen sieht man bisweilen Bestimmungen, die Investoren dazu zwingen sollen, einer Regelung oder einem Vorschlag zuzustimmen. Melden sie sich innerhalb einer gesetzten Frist auf eine Anfrage des Kreditnehmers nicht, wird die Zustimmung fingiert oder der entsprechende Investor bei der Berechnung der Mehrheitsverhältnisse nicht berücksichtigt (sog. “Snooze, you lose”-Regelung). Da es sich bei Schuldscheinen um bilaterale Darlehensverträge handelt, steht zudem jedem Investor ein eigenes Kündigungsrecht zu. Es kann gerade in Krisensituationen dazu führen, dass einzelne Investoren, die das Unternehmen in der Krise nicht unterstützen oder sich nicht an einer Restrukturierung beteiligen wollen, das Schuldscheindarlehen kündigen und Rückzahlung verlangen, sofern ein Kündigungsgrund vorliegt. Ein solches Rückzahlungsverlangen kann die Krise des Unternehmens weiter verstärken oder gar die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens herbeiführen.In Rahmen der Vorbereitung einer 2018 veröffentlichten Standarddokumentation hat die Loan Market Association (LMA) diese Problematik, die dem Wesen der Schuldscheine inhärent ist, geprüft und entschieden, dem Marktstandard zu folgen und auch für diese Dokumentation keine Regelung für den Fall einer Krise aufzunehmen. Auch das Einzelkündigungsrecht des Investors kann im Fall einer Krise, aber auch unmittelbar davor, für den Emittenten gefährlich sein. Diese Problematik wird seit langem im Markt gesehen. Aus diesem Grund sehen Finanzchefs von Unternehmen Schuldscheine auch außerhalb der Krise trotz aller Vorteile, die sie bieten, kritisch. Die Aufnahme der folgenden Regelungen kann die Handhabung von Schuldscheinen in der Krise erleichtern: Mehrheitsentscheidungen oder eine Regelung zur Fiktion von Zustimmungen, wenn z. B. eine bestimmte Anzahl von Investoren einer Schuldscheinemission bereits zugestimmt haben. Solche Regelungen könnten an den Eintritt einer Krise, an den Eintritt eines Kündigungsgrundes oder der Nichteinhaltung von Finanzkennzahlen, ggf. kombiniert mit einer Verpflichtung, innerhalb einer Frist eine konsensuale Lösung herbeizuführen, gekoppelt werden.Der Nachteil einer solchen Regelung ist, dass sie dem Charakter eines bilateralen Darlehens, fundamental widerspricht und das Wesen des Schuldscheins verändert. Durch die Aufnahme einer solchen Regelung wird auch die Dokumentation von Schuldscheinen komplexer. Der im Markt so beliebte “Charme” eines Schuldscheins besteht gerade in der einfachen Dokumentation, die es auch weniger erfahrenen Investoren erlaubt, an einer solchen Transaktion teilzunehmen. Diese Investoren wollen den Schutz, den ihnen ein bilaterales Darlehen bietet, nicht aufgeben und auch nicht in eine juristisch und wirtschaftlich komplexe Restrukturierung durch ein Mehrheitserfordernis oder komplexe Regelungen einbezogen werden.Bei einigen großen Restrukturierungen in den letzten Monaten (z. B. Steinhoff, Gerry Weber) waren große Schuldscheinemissionen auch Teil der Restrukturierung. Es werden inzwischen aber die Stimmen lauter, die – auch im Hinblick auf die bevorstehende Konjunkturabschwächung – eine Diskussion darüber fordern, wie Investoren und Emittenten von Schuldscheinen für “schlechtes Wetter” besser gewappnet werden können. Es bleibt abzuwarten, wie der Markt auf diese Forderungen reagieren wird.