DER ÜBERGANG IN DIE MIFID-II-WELT - IM INTERVIEW: MARKUS FERBER, EUROPÄISCHES PARLAMENT

"Ein Mifid III ist nicht nötig"

Der Berichterstatter der neugefassten EU-Marktrichtlinie über Zielmarktdefinitionen, systematische Internalisierer und Dark Trades

"Ein Mifid III ist nicht nötig"

Markus Ferber (CSU) hat im EU-Parlament federführend Mifid II betreut. Nach dem Inkrafttreten des Regelwerks sieht er noch in einzelnen Punkten Nachbesserungsbedarf.- Herr Ferber, am 3. Januar ist Mifid II in Kraft getreten. Wie ist der Übergang gelaufen?Das ist ein weites Feld mit vielen Themen. So beschweren sich zum Beispiel eine Vielzahl von Banken, dass Finanzinstrumente oft noch nicht mit der neuen Zielmarktdefinition versehen sind – also nicht mit dem Hinweis, für welche Zielgruppe ein Finanzprodukt entwickelt worden ist. Dabei ist seit 2014 bekannt, dass das gemacht werden muss.- Und trotzdem fehlt diese Zielmarktdefinition in vielen Fällen?Es fällt auf, dass deutsche Fondsanbieter und deutsche Entwickler von Finanzinstrumenten die Vorgabe einhalten, während ausländische Fonds, vor allem aus Drittstaaten, insbesondere US-Fonds, sich bislang schwer damit getan haben. Wer aber in Europa seine Produkte verkaufen will, muss die europäischen Vorgaben erfüllen.- Mit Blick auf die deutschen Anbieter haben Sie also den Eindruck, dass sie sich gut auf den Übergang vorbereitet haben?Ich habe den Eindruck gewonnen, dass sich die Branche gut auf den Übergang vorbereitet hat. Ich habe stichprobenartige Nachfragen gemacht.- – Also keine Auffälligkeiten?Naja, wir haben am 3. Januar durchaus einen interessanten Effekt beobachtet. Der Handel über systematische Internalisierer hat fast 17 % des Handelsvolumens ausgemacht – übrigens auch in den nachfolgenden Tagen. Normalerweise machen die systematischen Internalisierer rund 1,3 % aus. Ich hatte bereits im vorigen Jahr auf dieses Thema hingewiesen, doch die EU-Kommission hat sich bisher geweigert, eine Lösung anzubieten – immerhin offenbart sich in diesen Prozentsätzen eine regulatorische Lücke.- Inwiefern?Viele Handelsplattformen, die bisher nicht reguliert waren, sogenannte Broker Crossing Networks, wurden in systematische Internalisierer umgewandelt und unterliegen nicht den Regeln über die kleinstmögliche Preisänderung eines Wertpapierkurses, also dem Tick Size Regime.- Was bedeutet das?Hier wurde ein Weg gefunden, sich der Regulierung zu entziehen. Diese Lücke muss schnellstmöglich geschlossen werden. Ich bin mit der EU-Kommission bereits in Gesprächen. Das war das Auffälligste in der ersten Handelswoche im Januar.- Setzen Sie bei den erforderlichen Anpassungen, um diese Lücke zu schließen, auf neue gesetzliche Vorgaben aus Brüssel oder aber auf geänderte technische Standards der europäischen Aufsichtsbehörden – also auf Level 1 oder Level 2?Es gibt zwei Möglichkeiten. Die EU-Marktaufsichtsbehörde ESMA hat vorgeschlagen, das Problem durch Anpassung eines technischen Standards zu lösen. Bei diesem Vorgang ist im Übrigen die EU-Kommission ja auch beteiligt. Das ginge relativ flott. Die EU-Kommission hat sich bisher darauf versteift, eine gesetzgeberische Lösung sei erforderlich. Ich habe deshalb die EU-Kommission gebeten zu identifizieren, in welchem Gesetzgebungsverfahren wir das vielleicht schnell miterledigen können. Dazu bedarf es dann eines Textvorschlags – und den hat die EU-Kommission bislang nicht vorgelegt. Immerhin: Der für Finanzmarktregulierung zuständige Generaldirektor Olivier Guersent, mit dem ich jetzt die Gelegenheit hatte, über das Thema zu sprechen, hat mir zugesagt, dass die EU-Kommission sich die Sache genau anschauen wird.- Die Umwandlung von Broker Crossing Networks in systematische Internalisierer ist also eine unerwünschte Folge von Mifid II?Das Geschäft dieser Broker Crossing Networks war vor Mifid II ja bereits unreguliert. Nur ein Bruchteil davon wurde auf Handelsplätzen abgebildet. Das sollte eigentlich mit Mifid II zu einem Ende kommen. Tatsächlich aber wurden viele dieser Handelsplattformen zu systematischen Internalisierern umgewandelt, weil dies mit den geringsten regulatorischen Anforderungen verbunden ist. Damit wurde ein Weg gefunden, die Verpflichtung der G20 von Pittsburgh 2009 zu durchbrechen, der zufolge kein Produkt und – worum es hier vor allem geht – kein Markt mehr unreguliert sein darf. Genau diese Lücke muss geschlossen werden. Da ist das EU-Parlament hinterher, dass die EU-Kommission schnell mit Textvorschlägen kommt.- Bei welchen anderen Themen sehen Sie noch Handlungsbedarf?Es gibt beispielsweise noch Fälle, in denen der Legal Entity Identifier fehlt. Die ESMA hat dafür im Dezember vernünftige Übergangslösungen angeboten. Oder ein anderes Beispiel: Die ESMA – und das hat mich sehr geärgert – war bislang nicht in der Lage, das sogenannte Double Volume Cap zu berechnen – also die Schwellen, ab denen Dark Trades, die wir ja begrenzen wollten, doch in das Licht einer Handelsplattform gehen müssen. Dass diese Berechnungen bisher nicht funktionieren, stimmt mich traurig. Denn das bedeutet, dass, wenn man die Ausnahmemöglichkeiten dieser sogenannten Negotiated Trade Waiver oder Reference Price Waiver nutzt, weiterhin viel Geschäft im Dunklen stattfinden kann.- Die Ersten reden mittlerweile schon vom Bedarf, die Vorgaben abermals umfassend und systematisch zu überarbeiten – also von Mifid III. Ist das Ihrer Meinung nach nötig?Nein, es geht hier vor allem um technische Anpassungen – dafür brauche ich kein Mifid III. Natürlich gibt es noch ein paar Umsetzungsprobleme. Aber nein, ein Mifid III ist deswegen nicht nötig.—-Das Interview führte Detlef Fechtner.