Ein neues Zeitalter des Investierens

Impact Investments sind mehr als nur nachhaltige Kapitalanlagen

Ein neues Zeitalter des Investierens

Tobias HuzarskiHead of Impact Investment bei Commerz RealWas wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht”, schrieb Maria Ebner-Eschenbach im 19. Jahrhundert, also zu einer Zeit, in der Wind- und Wasserkraft noch die treibenden Energiequellen waren. Die “Welt von morgen” war die industrialisierte Welt getrieben von fossilen Brennstoffen – eine Epoche, in der die Verzahnung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenausnutzung derart voranschritt, dass ökologische Nachhaltigkeit und wirtschaftliches Wachstum voneinander entkoppelt wurden. Dieses Ideal hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte umgekehrt – Nachhaltigkeit wird heute nicht nur als “Partner” des wirtschaftlichen Wachstums erachtet, sondern Nachhaltigkeit gilt als Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit. So ist für das Europäische Parlament der “Übergang zu einer CO2-armen, nachhaltigen, ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft für die Sicherung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft von zentraler Bedeutung”.Wie schaffen wir es, dieses Ideal der Nachhaltigkeit Realität werden zu lassen? Woran kann sich die Wirtschaft und vor allem die Finanzwirtschaft orientieren, die Idee der Nachhaltigkeit in die Praxis umzusetzen? Die Antwort kommt aus der Mitte der Gesellschaft in Form des Wunsches nach Authentizität – also des Wunsches nach “Echtheit”. Genau hier setzt Impact Investment, also sogenanntes “wirkungsorientiertes” Investieren an. Über 80 % der Anleger gaben nach einer aktuellen Umfrage an, noch nicht in ökologisch nachhaltige Geldanlagen zu investieren. Gleichzeitig würden danach zwei Drittel aller Anleger bei entsprechender Rendite in Geldanlageprodukte investieren, die einen “aktiven und messbaren” Beitrag zur Förderung des Klimaschutzes leisten. Wenn aber 80 % der Menschen solche Produkte nicht kennen, scheint es eine signifikante Lücke zwischen dem Wunsch von Anlegern nach authentischer Nachhaltigkeit auf der einen Seite zu geben und dem Mangel an Finanzlösungen mit aktivem und messbarem Klimaschutzbeitrag auf der anderen Seite. Diese Lücke schließt Impact Investment. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass bereits heute die geballte Kraft des Kapitals und Vermögens auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sei und es daher keine Notwendigkeit gebe für ein “neues Zeitalter des Investierens”. So lesen wir beispielsweise in der Global Sustainable Investment Review (2019) der Global Sustainable Investment Alliance, dass 49 % des verwalteten Vermögens in Europa auf Nachhaltigkeit basieren, mit jährlichen Wachstumsraten für nachhaltiges Investieren von beachtlichen 6 % in Europa, 16 % in den USA und 308 % in Japan. Wie kommen diese Zahlen zustande? Die Antwort liegt darin begründet, dass “nachhaltiges Investieren” eine Reihe von Investmentphilosophien, Instrumentarien und Methoden einschließt, Nachhaltigkeit also ein breites Spektrum abbildet. Allerdings gilt hier: Grün ist nicht gleich grün. Am einen Ende des Nachhaltigkeitsspektrums liegen Investmentansätze, die mit Ausschlusskriterien agieren, auch bekannt als Negativ- oder Exklusionskriterien. Hier ist das weitaus meiste Kapital investiert, und hier liegt gewissermaßen die Geburtsstunde des nachhaltigen Investierens. Über 40 % der nachhaltigen Geldanlagen in Europa sind hier laut der Global Sustainable Investment Review einzuordnen. Die Methodik: Fonds, die mit (selbst)bestimmten Exklusionskriterien arbeiten, schließen bestimmte Investitionen, Unternehmen oder Branchen aus, beispielsweise Rüstungsgüter, Tabak oder Erdölförderung. Der Rest des Anlageuniversums gilt ementsprechend als nachhaltig, gemessen an den definierten Ausschlusskriterien. Am anderen Ende des Nachhaltigkeitsspektrums liegt Impact Investment. Die Bundesinitiative Impact Investing beschreibt dies als einen Investmentansatz, bei dem “positive soziale oder ökologische Wirkung direkt, intendiert und nachweisbar” ist. Direktheit, Intention und Nachweisbarkeit verschmelzen so zu einem Investmentansatz, mit dem aktiv und lösungsorientiert positive ökologische Wirkung erzielt werden soll. Impact geht also in mehrerlei Hinsicht deutlich über Ausschlusskriterien hinaus: Erstens wird ein direkter Bezug zur Realwirtschaft hergestellt. Klimawandel beispielsweise wird verursacht durch CO2 und andere Treibhausgase in der Atmosphäre. Um dieses physische Problem in der “realen” Welt anzugehen, muss die Lösung auch in der “realen” Welt verhaftet sein, beispielsweise durch konkrete Projekte zur Erzeugung erneuerbarer Energien wie Wind- oder Solarparks, die durch CO2-Vermeidung einen aktiven Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels leisten. Gerade Sachwerte im Bereich erneuerbare Energien bieten sich als Medium für Impact Investments an, weil sie eine unmittelbare Wirkung in der “realen” Welt erzielen können. Zweitens fließt das Kapital des Anlegers auch in konkrete Projekt. Es ist nämlich nicht unerheblich, ob und wie Kapitalflüsse letztlich in realwirtschaftlichen Aktivitäten münden oder ob sie im Orbit der Finanzwirtschaft verbleiben. Das Motto “Follow the money” wird somit ergänzt durch “Follow the impact”. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärmarkt wichtig: Fließt das Kapital des Anlegers beispielsweise an den Vorbesitzer der Anteile, wie beim Kauf von Anteilen an nachhaltigen ETFs an der Börse, oder wird es für Neuinvestitionen wirkungsorientiert so eingesetzt, dass damit konkrete soziale oder ökologische Projekte umgesetzt werden?Drittens geht es um eine konkrete Zielsetzung. Impact Investments wollen eine positive Wirkung auf beispielsweise gesellschaftlicher oder ökologischer Ebene erzielen. Bezüglich letzterer hat die EU im Rahmen des europäischen Green Deals konkrete Ziele formuliert. Hierzu gehören Klimaschutz, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft oder Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Wirkungsorientiertes Investieren kann hier ansetzen und konkrete Leistungen und Outcomes definieren, wie beispielsweise eine bestimmte Menge an Ökostrom, die konkret auf diese Umweltziele hinwirken. Dabei gilt bei Impact Investments das sogenannte “Do no significant harm”-Prinzip: Bei der Erreichung eines Ziels, beispielsweise Klimaschutz, darf ein anderes Ziel, beispielsweise Biodiversität, nicht signifikant beeinträchtigt werden. Viertens geht es um die Darstellung der Wirkung gegenüber dem Anleger. Impact Investment verbindet finanzielle Rendite mit ökologischer oder sozialer Nachhaltigkeit. Dazu gehört auch, dem Anleger gegenüber transparent zu machen, ob und wie diese Wirkung erzielt wird. Hierzu kann beispielsweise Reporting zur CO2-Vermeidung gehören oder zur Menge an produziertem Ökostrom. Im Zusammenspiel eröffnen diese vier Dimensionen des Impact Investments ein neues Zeitalter des Investierens. Was ist damit gemeint? Betrachten wir die Finanzgeschichte der letzten Jahrhunderte. In vereinfachten und groben Zügen zeichnen sich drei Phasen ab. Im “Investment 1.0” des 19. Jahrhunderts waren Investoren eher eindimensional auf absoluten Gewinn fokussiert. Im “Investment 2.0” des 20. Jahrhunderts gewann Risikobetrachtung an Bedeutung – wann wird Gewinn erwirtschaftet (Zeitwert des Geldes, um 1900)? Wie liquide und fungibel sind Investitionen? Wie viel Volatilität ist mit Investitionen verknüpft (Sharpe Ratio, 1966)? Beide Zeitalter haben gemeinsam, Investieren vor allem unter “quantitativen” Gesichtspunkten zu betrachten. Impact Investment eröffnet somit ein Zeitalter des Investierens, in dem “qualitative” Gesichtspunkte in Investmententscheidungen einbezogen werden – die Qualität unserer Luft, die Qualität unserer Städte, die Qualität unserer Ökosysteme.Damit kann Impact Investment eine signifikante Hebelwirkung bei der Lösung gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen erzeugen, wie am Beispiel Klimawandel und Energiewende deutlich wird. So sieht der europäische Green Deal laut EU-Kommission einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von 260 Mrd. Euro pro Jahr, um Europa auf den Pfad der Klimaneutralität zu bringen. Gleichzeitig gibt es alleine in Deutschland über 2 600 Mrd. Euro an Spareinlagen, und dies in einem Umfeld, in dem Privatanleger sich vermehrt finanzielle Rendite und ökologische Wirkung wünschen, um Kapital nachhaltig anzulegen, möglichst in Form eines aktiven und messbaren Beitrags. Schlägt Impact Investment diese Brücke, kann es entscheidenden Einfluss darauf haben, wie “die Welt von morgen aussieht”, in der Wind- und Wasserkraft wieder auf dem Weg sind, die treibenden Energiequellen zu werden. Maria Ebner-Eschenbach würde sich wohl in ihr wie zu Hause fühlen.