SERIE: WER BRAUCHT NOCH BANKER? (TEIL 9)

Ein paar Banken widersetzen sich dem Filialsterben

Targobank und Oberbank gründen neue Außenstellen - Kunden wünschen digitale Angebote und persönliche Beratung

Ein paar Banken widersetzen sich dem Filialsterben

Banking-App und Filiale müssen sich nicht ausschließen: Viele Banken stellen sich auf eine Kombination von beidem ein, weil Kunden oft beides möchten – die Beratung in der Filiale bei komplexen Finanzfragen ebenso wie die schnelle Erledigung von Bankgeschäften von zu Hause aus oder unterwegs. Einige Institute bauen sogar ihre Filialnetze aus.Von Tobias Fischer, FrankfurtIst die Bankfiliale angesichts von Online- und Mobile Banking ein Auslaufmodell? Die Statistik spricht eine deutliche Sprache: Die Zahl der Zweigstellen hierzulande ist laut Bundesbank allein im vergangenen Jahr um 2 019 oder 5,9 % auf 32 026 zurückgegangen. Damit hat sich 2016 ein Trend beschleunigt, der seit 1995 anhält. Die Folgen veränderter Kundenansprüche, von Digitalisierung und Kostendruck würden das Filialnetz “weiter ausdünnen”, bekundete jüngst der Hauptgeschäftsführer des privaten Bankenverbandes BdB, Michael Kemmer. Gleichzeitig gibt er sich aber hoffnungsfroh: “Wir stellen fest, dass Filialen weniger besucht werden, wir stellen aber auch fest, dass fast die Hälfte der Kunden mindestens einmal pro Monat in eine Filiale ihrer Bank geht.” Für 62 % der Kunden ist die Nähe zur Filiale ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Auswahl der Hausbank geht, haben Roland Berger und Visa Europe in ihrer Studie “Digitale Revolution im Retail-Banking” zutage getragen. Die Commerzbank will aus diesem Grund an ihren rund 1 000 Geschäftsstellen festhalten und fährt dabei zweigleisig. Kunden möchte sie vor allem mit runderneuerten, sogenannten Flagship-Filialen gewinnen. Sechs davon wurden in diesem Jahr bereits eröffnet, sechs weitere sollen bis Jahresende folgen. Langfristig soll es 100 dieser größeren, aufwendiger gestalteten Einrichtungen geben, die sich durch Größe und Ausformung von den übrigen City-Filialen abheben.70 % der Kunden wünschen einem Sprecher zufolge digitale Angebote und zugleich persönliche Beratung. “Deshalb investieren wir sowohl in die Digitalisierung als auch in den Umbau unseres Filialnetzes. Wichtig ist, dass alle Zugangskanäle intelligent miteinander vernetzt sind.” Offenbar geht die Rechnung auf: Neue Kunden sind der Commerzbank zufolge im Schnitt nach 18 Monaten profitabel.Auch andere Institute peppen ihre Geschäftsstellen auf. Die Hamburger Sparkasse investiert bis 2020 30 Mill. Euro in die Umrüstung (vgl. BZ vom 24. Februar), auch wenn die Zahl der Filialen – noch sind es 140 – schrumpfen wird. Mehr als 90 % der neuen Kunden gewinnt das Institut nach eigenem Bekunden über seine Außenstellen. Es hat in Kooperation mit dem DSGV eine Modellfiliale entwickelt, die anderen Sparkassen im Lande als Vorbild dienen kann. Angelehnt an das Konzept der US-Regionalbank Umpqua soll sie als lokaler Treffpunkt dienen. Es handele sich um “viel mehr als ein Möbelprogramm”, sagt ein Sprecher. “Die Filiale der Zukunft lebt von der neuen Rolle unserer Mitarbeiter und den Angeboten, die auch über das klassische Banking hinausgehen.”Die Angestellten in der ersten, am 30. Juni in Hamburg-Niendorf eröffneten Filiale agieren nicht nur als Bankberater, sondern auch als Gastgeber und Hamburg-Kenner. Statt am Schalter empfangen sie Besucher an einem zentralen Tresen. An einem großen Holztisch stehen Kunden wie Nicht-Kunden iPads zur Verfügung, darüber hinaus gibt es eine Kaffeebar. Unternehmen und Vereine können Ausstellungsflächen nutzen, und die Filiale fungiert obendrein als Veranstaltungsort für Lesungen oder Konzerte. Marktanteile gewonnenWährend die Haspa ihr Filialnetz – wenn auch reduziert – aufrechterhalten will, um Kunden zu halten bzw. zu gewinnen, bauen einige Banken ihre Präsenz sogar aus und stoßen in die Lücke, die andere nach ihrem Rückzug hinterlassen haben. Die Targobank beispielsweise, eine Tochtergesellschaft der französischen Genossenschaftsbank Crédit Mutuel, nimmt in diesem Jahr im Bundesgebiet vier neue Filialen in Betrieb. Auf insgesamt 40 Neueröffnungen, in die sie rund 12 Mill. Euro investiert haben, kommen die Düsseldorfer seit 2012. Filialen betreibt das Institut mittlerweile an 360 Standorten in 200 deutschen Städten. “Wir gewinnen mit neuen Filialen und größerer Kundennähe Marktanteile”, heißt es. Selbst wenn Bankgeschäfte zunehmend von der Digitalisierung geprägt werden, glaubt die Targobank an die Daseinsberichtigung der Filiale, sofern der Kundschaft ein Mehrwert geboten wird. “Die wenigsten Kunden sind bereit, alle Bankgeschäfte im Internet zu tätigen, sondern sie schätzen es, bei komplexeren Fragen einem Berater gegenüberzusitzen”, sagt ein Sprecher.Verbraucher holen zwar Informationen online ein, es drängt sie aber umso eher zu ihrem Bankberater, je komplexer das Produkt ist, wie auch eine Postbank-Studie von Februar zeigt (siehe Grafik). Demnach ist die Filiale der bevorzugte Kanal für den Kaufabschluss. Die meisten Kunden nutzen demzufolge mehrere Kanäle – den persönlichen Berater in der Filiale, die Internetseite, das Callcenter oder Mobile Banking -, wenn sie Bankprodukte erwerben. Wechseln sie den Kanal während des Kaufprozesses, dann fast ausschließlich von Online zu Offline und nicht umgekehrt. Das Bekenntnis der Kundschaft zur Filiale hat allerdings seine Grenzen, wenn es ums Geld geht: “Die Filiale ist nur konkurrenzfähig, solange sie nicht teurer ist als Online-Alternativen. Denn für persönliche Beratung zu zahlen, akzeptiert nur einer von vier Kunden”, heißt es in der Erhebung. Auf ExpansionskursDen Ansatz, die Filialen aufzuwerten, verfolgen die Targobank in Ballungsgebieten und Mittel- und Kleinstädten sowie die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apo-Bank) in größeren Städten (siehe Interview). Auch die österreichische Oberbank befindet sich auf Expansionskurs. Die Zahl der Mitarbeiter steigt seit Jahren leicht (auf nun circa 2 500), und die Bilanzsumme wuchs allein im vergangenen Jahr im Vergleich mit 2015 um 5 % auf 19,2 Mrd. Euro. Verwaltungstätigkeiten, die das Institut als nicht kundenrelevant erachtet, hat es aus den Filialen ausgegliedert und zentralisiert. Lukrativer MittelstandDerzeit verfügt die Oberbank über 159 Filialen in Österreich, Tschechien, Ungarn und der Slowakei und beabsichtigt, ihr Filialnetz in Deutschland im nächsten Jahr um mindestens zwei Geschäftsstellen auf dann 30 zu erweitern. Obwohl der deutsche Markt als besonders wettbewerbsintensiv gilt, betrachten die Österreicher vor allem den hiesigen Mittelstand als lukratives Geschäftsfeld. “Das unterscheidet uns von manchen Mitbewerbern, die vor einigen Jahren angekündigt haben, sich aus dem Geschäft mit dem Mittelstand und den Privaten zurückziehen zu wollen”, äußert sich ein Unternehmenssprecher.Die Anfangsinvestitionen pro Geschäftsstelle beziffert die Bank auf Anfrage auf durchschnittlich rund 400 000 Euro. “Bei den neuen Filialen ist unser Ziel, den Break-even innerhalb von zwei Jahren zu erreichen. Das gelingt uns praktisch immer, und unsere deutschen Filialen schreiben besonders schnell schwarze Zahlen.”—-Zuletzt erschienen: – Die Zeit der “goldenen Handschläge” ist vorbei (25. August)- Digitalisierung erfordert Innovationskultur (24. August)- In 127 Schritten aufs Parkett (23. August)