CROWDFUNDING IN DEUTSCHLAND - IM INTERVIEW: ROBERT MICHELS, DENTONS

"Ein Regulierungsbedarf besteht"

Kleinanlegerschutzgesetz schafft neue Bestimmungen für Deutschlands Crowdfinanzierungsmärkte

"Ein Regulierungsbedarf besteht"

Bei der Regulierung der Crowdfinanzierungsmärkte muss der Gesetzgeber einen Spagat schaffen: Es gilt, das junge Geschäftsfeld nicht im Keim zu ersticken und gleichzeitig die Anleger zu schützen. Robert Michels, Partner bei der Kanzlei Dentons, beurteilt im Interview der Börsen-Zeitung die aktuellen Regulierungsansätze.- Herr Michels, besteht bei Crowdfunding und Crowdinvesting überhaupt Regulierungsbedarf? Schließlich steckt das Geschäft noch in den Kinderschuhen.Ein Regulierungsbedarf besteht, schließlich haben wir in Deutschland laut der Erhebungen von Für-Gründer.de aus dem vergangenen Jahr bereits ein Gesamtvolumen von etwa 60 Mill. Euro erreicht. Damit gehört Deutschland neben Frankreich und UK zu den drei größten Crowdfinanzierungsmärkten in Europa, wenn man Crowdlending, Crowdinvesting und Crowdfunding zusammenrechnet. Allerdings ist zu beachten, dass eine Regulierung per se noch nicht mit echtem Anlegerschutz verwechselt werden darf. Die Ausfälle und Skandale sowohl bei Vermögensanlagen als auch bei den sogenannten Mittelstandsanleihen haben gezeigt, dass Regulierung ohne eine effektive Aufsicht ins Leere zu laufen droht.- Wie beurteilen Sie die geplanten Regeln im deutschen Kleinanlegerschutzgesetz?Die geplante Regulierung halte ich für überwiegend gelungen, insbesondere die Beaufsichtigung der Plattformen, die Einführung einer allgemeinen Prospektpflicht und weiterer Transparenzpflichten, die Beschränkung der Werbung sowie die Schaffung einer sogenannten Schwarmfinanzierungsausnahme. Hierbei wird allerdings noch eine Gleichbehandlung sämtlicher Vermögensanlagen erfolgen müssen, da es keinen Grund dafür gibt, einzelne Anlageformen zu bevorzugen, und es keinen Unterschied machen kann, ob die Crowdfinanzierung eine Aktie, ein partiarisches Darlehen oder ein Genussrecht betrifft. Darüber hinaus rechne ich damit, dass der Schwellenbetrag bezüglich der Prospektbefreiung von den aktuell vorgesehenen 1 Mill. Euro noch erhöht werden wird.- Die European Banking Authority und die European Securities and Markets Authority rufen nach europaweit gleichen Regeln. Ist das überhaupt möglich?Das ist eine echte Herausforderung, wobei ich für die Bereich des Crowdlendings und des Crowdfundings etwas optimistischer bin als für den Bereich des Crowdinvestings. Ich bezweifele, dass es kurzfristig gelingen wird, die zahlreichen eigen- und fremdkapitalähnlichen Anlageformen europaweit unter einen Hut zu bekommen. So kommt es selbst in Deutschland nach dem bisherigen Entwurf des Kleinanlegerschutzgesetzes zu nicht erklärbaren Ungleichheiten: Ein Crowdinvesting mit Aktien über die Plattform Bergfürst würde beispielsweise von 100 000 Euro an prospektpflichtig, während eine Finanzierung über partiarische Darlehen über eine andere Plattform erst ab 1 Mill. Euro prospektpflichtig würde.- Wo sehen Sie die Chancen des Geschäfts?Crowdfianzierung stellt zunächst eine alternative Finanzierungsform für Start-up-Unternehmen dar. Darüber hinaus haben die verschiedenen Arten der Crowdfinanzierung das Potenzial, die Anleger- und Anlagekultur in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Hierbei sollte sich die Politik aber beispielsweise nicht auf die Forderung eines Neuen Marktes 2.0 beschränken, sondern es bedarf, wie in anderen Ländern auch, der Schaffung tatsächlicher Anreize für die Etablierung der Crowdfinanzierung – wie zum Beispiel steuerlicher Art.- Wo liegen die Risiken?Bei einem Blick auf die bisherigen Studien zum Scheitern von Start-up-Unternehmen wird klar, dass wir von einer hochspekulativen Anlageform sprechen, bei der ein relativ hohes Totalverlustrisiko besteht. Dies muss den Anlegern stets bewusst sein. Es muss also verhindert werden, dass – wie beispielsweise bei den Mittelstandsanleihen geschehen – diese Risiken von den Marktteilnehmern gezielt verharmlost werden, um Privatanleger zu ködern. Daher ist der Ansatz des Kleinanlegerschutzgesetzes, die Werbemöglichkeiten deutlich zu beschränken, auch vollumfänglich zu begrüßen.—-Das Interview führte Grit Beecken.