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Ein "Revolutionär" tritt ab

Von Benjamin Triebe, London Börsen-Zeitung, 24.10.2019 Revolutionär: Mit diesem Etikett würdigt die britische Metro Bank ihren langjährigen, am Mittwoch per sofort zurückgetretenen Verwaltungsratsvorsitzenden, Vernon Hill. Sein Übergangsnachfolger,...

Ein "Revolutionär" tritt ab

Von Benjamin Triebe, LondonRevolutionär: Mit diesem Etikett würdigt die britische Metro Bank ihren langjährigen, am Mittwoch per sofort zurückgetretenen Verwaltungsratsvorsitzenden, Vernon Hill. Sein Übergangsnachfolger, Michael Snyder, meint das Wort rein positiv. Doch dem großen Begriff “Revolutionär” wird der 74-jährige Hill insofern schwer gerecht, als er die Probleme vieler Umstürzler teilt, die mit dem Wort bedacht wurden: Hills Revolution der britischen Bankbranche war mehr eine Restauration, und wie lange sie anhält, ist unsicher. Die Revolution ist in derartige Probleme geraten, dass es ihr hilft, wenn der Revolutionär in den Schatten tritt.Vernon Hill ist ein amerikanischer Unternehmensgründer, der 2010 mit einer besonderen Strategie gegen die großen britischen Banken ins Feld zog: Als die Finanzkrise das Vertrauen in HSBC, Lloyds und Barclays erschütterte, zog Hill aus, um sie mit altmodischen Waffen zu schlagen – mit zahlreichen Filialen und langen Öffnungszeiten, auch sonntags. Normal verdienende Kunden sollten das Gefühl haben, ihre Bank sei immer für sie da, während die Konkurrenz die Kosten drückte, Mitarbeiter entließ und Standorte schloss. Auch für die Hunde der Klienten gab es eine Ecke in den Filialen, und Hill zeigt sich selten ohne seinen Yorkshire Terrier. Er führt Filialen wie Läden, und so werden sie bei Metro auch genannt: “store” statt “branch”.Die Metro Bank wuchs schnell, ist aber noch eine kleinere der “Challenger Banken”, die gegen die Platzhirsche antreten. Und sie steckt in der Krise: Ende September scheiterte die Metro mit einer Anleiheemission, die ihr regulatorisch dringend benötigtes Kapital verschaffen sollte. Wenige Tage später nahm sie einen zweiten Anlauf, offerierte einen höheren Kupon von beeindruckenden 9,5 % und kündigte zudem an, dass sich Vernon Hill zum Jahresende 2019 zurückziehen werde. Das ließ die Platzierung gelingen, auch wenn die hohen Zinszahlungen die Gewinnrechnung erheblich belasten werden.Jetzt hat Hill seinen Rückzug beschleunigt. Das Misstrauen der Investoren ist zu groß. Aufgebaut hat es sich seit dem Jahreswechsel: Im Januar kam heraus, dass die Metro Bank ihre Bücher falsch führte und Hypotheken im Umfang von 900 Mill. Pfund mit zu wenig Eigenkapital unterlegt hatte. Anleger nahmen Reißaus: Der Aktienkurs ist seither um rund 90 % gefallen. Der Bilanzskandal wird von der Finanzaufsicht untersucht. Auch Kunden verabschiedeten sich und besuchen seltener die rund 70 Filialen, die sich vor allem im Großraum London finden. Die Kundeneinlagen schwanden im ersten Halbjahr um 13 %. Per Ende Juni zählte die Metro Bank Einlagen von noch 13,7 Mrd. Pfund.Zumindest als passives Mitglied wird Vernon Hill dem Verwaltungsrat bis Jahresende noch angehören, danach soll er einen Ehrensitz erhalten. Zu eng ist seine Person mit der Bank verknüpft, als dass er wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen werden könnte – auch wenn Beschwerden über seine Führung schon alt sind. So vergab die Bank an Hills Ehefrau, die ein Designbüro betreibt, Aufträge zur Renovierung der Filialen. Aber noch soll es bei Metro nicht so enden wie bei der Commerce Bank, die Hill 1973 in New Jersey gegründet hatte. 2007 musste er sich dort wegen der Auftragsvergabe an Firmen seiner Familie erst aus der Führung zurückziehen und schließlich seine Anteile verkaufen.