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Ein Schatten über dem Weihnachtsfest

Von Michael Flämig, München Börsen-Zeitung, 21.10.2015 Was macht der Co-Chef der Deutschen Bank, während der Vorstand des Kreditinstituts bei seiner Sitzung am Dienstag in Frankfurt den Totalumbau der Bank verdaut? Jürgen Fitschen sitzt im Saal B...

Ein Schatten über dem Weihnachtsfest

Von Michael Flämig, MünchenWas macht der Co-Chef der Deutschen Bank, während der Vorstand des Kreditinstituts bei seiner Sitzung am Dienstag in Frankfurt den Totalumbau der Bank verdaut? Jürgen Fitschen sitzt im Saal B 273 des Münchner Strafjustizzentrums und macht gute Miene zum prozessualen Spiel. Extrem aufmerksam wie immer folgt er der Verhandlung wegen versuchten Prozessbetrugs gegen ihn und vier ehemalige Deutsche-Bank-Manager. Selbst als die Staatsanwaltschaft repetitiv am Richtertisch allerlei Protokolle überprüfen lässt, beobachtet Fitschen das Geschehen – so wie auch sein Vordermann und Amtsvorgänger Joe Ackermann – ohne Unterlass.Diesen Spannungsbogen werden die Angeklagten noch länger halten müssen, als mancher von ihnen ursprünglich gedacht haben mag. Wie bereits in der Sitzung vor einer Woche angedeutet (vgl. BZ vom 14. Oktober), plant das Gericht die Anhörung weiterer Zeugen aus dem Inland. Es folgt damit wenigstens teilweise den entsprechenden Anträgen der Staatsanwaltschaft. “Wir sind noch im vollen Lauf”, erklärt der Vorsitzende Richter Peter Noll am gestrigen 18. Verhandlungstag. Eigentlich habe er unbelastet ins Weihnachtsfest gehen wollen, bekennt der Jurist. Sicherheitshalber – falls das Erscheinen von Zeugen sich verzögert – habe er aber nun erstmals einen Verhandlungstermin für das Jahr 2016 festgelegt. Am 12. Januar kann es also weitergehen.Mehr noch: Eine ganze Latte von Aussagen möchte Noll zusätzlich zu bereits geladenen Zeugen hören. Prominente Namen sind darunter. Verlegerin Friede Springer und Springer-Chef Mathias Döpfner gehören dazu. Außerdem soll der ehemalige BayernLB-Chef Werner Schmidt aussagen. Darüber hinaus mit von der Partie: der frühere Springer-Vorstand Steffen Naumann sowie die Zeugen Otto, Lechler und Hatzmann. Zudem schließt Noll weitere Ladungen nicht aus. Tausende Seiten zur PrüfungWie ist die Ausdehnung des Prozesses zu bewerten? Noll lässt erneut erkennen, dass er manchen Zeugen für überflüssig hält. So fällt vor der Mittagspause eine abschätzige Bemerkung über den Gehalt der ersten zwei Aussagen an diesem Tag, in denen lediglich über Sekretariats- und Assistenzaufgaben für Vorstände berichtet wurde.Klar ist aber auch: Die Staatsanwaltschaft lässt nicht locker. Alle Zeugen, deren Einvernahme man beantragt habe, betont Ankläger Stephan Necknig, seien schon in der Anklageschrift genannt. Es handle sich eben nicht um neue Zeugen, wie die Verteidiger glauben machen wollten. Energisch weist er daher den Vorwurf der Prozessverschleppung zurück, den Barbara Livonius mehrfach geäußert hat: “Dieser Vorwurf der Verteidigung Fitschen ist entlarvend.” Denn: Der Sachverhalt solle in der Verhandlung nicht aufgeklärt werden. Für die Staatsanwaltschaft gelte mit Blick auf die beantragten Dokumente: “Sie wird darauf bestehen, dass alle relevanten Beweismittel eingeführt werden.”Das Gericht sichtet Nolls Angaben zufolge aktuell tausende Seiten, deren Einführung die Ankläger beantragt haben. So solle ermittelt werden, was sinnvollerweise in dem Verfahren berücksichtigt werde, erklärt Noll. Erst wenn diese gerichtliche Entscheidung vorliege, könnten die Beteiligten dazu Stellung nehmen. Vorher, daran lässt Noll keinen Zweifel, wird er das Verfahren nicht einbremsen. Es sei noch ein bisschen hin, dass er sage, das Gericht sei durch mit den denkbaren Beweismitteln. Ihm sei aber bewusst, dass man – wie von Ackermann-Verteidiger Gerson Trüg angeregt – eine Frist zum Stellen von Beweisanträgen setzen könne. Denn die Staatsanwälte haben sich am Dienstag vorbehalten, weitere Anträge zu formulieren.Fitschen wird also in den nächsten Wochen noch so manchen Arbeitskollegen aus der Bank in München treffen. “Was machen Sie denn hier?”, begrüßt er am Dienstag scherzhaft den Zeugen Achim Dahinten, als nach der Mittagspause auf das Erscheinen des Gerichts gewartet wird. Ob denn Vorstandssitzung sei?, fügt er lachend hinzu. Dahinten leitet bei der Bank das Generalsekretariat und ist daher auch für die Vorbereitung und Protokollierung der Sitzungen des Vorstands zuständig – aufgrund dieser Funktion soll er vor Gericht über Art und Inhalt der Mitschriften berichten. Augenpulver für VorständeWas die Welt nun weiß? Die Deutsche Bank verwendet die kleinteilige Arbeitsschrift “Arial 10”, protokolliert in englischer Sprache selbst bei auf Deutsch geführten Diskussionen und benötigt für ihre Mitschriften zwischen vier bis zehn Seiten. Abstimmungen sind im Vorstand der Deutschen Bank die Ausnahme – meist werde nur gefragt, ob jemand Einwände habe, berichtet Dahinten.Relativ zurückhaltend sind die Erinnerungen des Protokollanten, der nach eigener Aussage seit dem Jahr 2008 nur bei einem runden halben Dutzend Vorstandssitzungen nicht anwesend war, zu den Diskussionen rund um die Prozesse mit Leo Kirch. Sie seien eine Belastung für die Firma, so seine Einschätzung – “ein Thema, das wir alle gerne nicht hätten”. In den Sitzungen habe es lange Diskussionen über die Vergleichsverhandlungen mit Kirch gegeben. Dies wertete Dahinten als Hinweis darauf, dass es unterschiedliche Meinungen hierzu gegeben habe.