Ein tiefer Sumpf mit vielen Gefahren
Von Gerhard Bläske, MailandDass die zweite Strafkammer des Mailänder Gerichts ihn vergangene Woche erstinstanzlich zu einer Haftstrafe von sechs Jahren sowie zu einer Strafzahlung von 2,5 Mill. Euro verurteilt hat, war ein schwerer Schock für Alessandro Profumo. Er zeigte sich darüber “überrascht und verbittert”. Profumo, CEO des Rüstungskonzerns Leonardo und früherer CEO der HVB-Mutter Unicredit, wurde verurteilt, weil er als Präsident der Pleitebank Monte dei Paschi di Siena (MPS) 2015 Aktienkurse manipuliert und Bilanzfälschung betrieben habe. Ex-CEO Fabrizio Viola wurde zu einer gleich hohen Strafe verurteilt, ein weiterer Manager erhielt eine Gefängnisstrafe, und die Bank muss 800 000 Euro zahlen.Das Urteil ist zwar nicht rechtskräftig, die Verteidigung hat Revision eingelegt, und Profumo kann einstweilen auch bei Leonardo weitermachen. Doch es zeigt sich, dass der Fall MPS, der den Steuerzahler nach derzeitigem Stand um die 10 Mrd. Euro gekostet hat, noch lange nicht aufgearbeitet ist. Rom versucht, die mit einer Bilanzsumme von 132,2 Mrd. Euro (2019) viertgrößte Bank des Landes an ein anderes Institut zu veräußern. Doch niemand will sie haben. Denn MPS hat viel zu viel Personal und zu viele Filialen, und das Ziel, 2021 wieder schwarze Zahlen zu schreiben, ist weiter entfernt denn je. Im ersten Halbjahr 2020 vermeldete sie einen Verlust von 1,1 Mrd. Euro. Außerdem bestehen gegen die Bank Schadenersatzforderungen von 10 Mrd. Euro. Die von der EU verlangte Privatisierung bis 2021 ist nach Ansicht des Bankenexperten Stefano Caselli von der Mailänder Bocconi-Universität illusorisch. Mit der Verurteilung Profumos und Violas wird die Skandalgeschichte um die älteste noch existierende Bank der Welt, die 1472 im toskanischen Siena gegründet wurde, um ein weiteres Kapitel fortgeschrieben. Den beiden Managern wird vorgeworfen, illegale Geschäfte ihrer Vorgänger fortgeführt zu haben. Es war Ex-Präsident Giuseppe Mussari, der mit Hilfe von Derivategeschäften Verluste von 2 Mrd. Euro im Zusammenhang mit dem Kauf der Bank Antonveneta verschleiert und über mehrere Jahre falsche Bilanzen vorgelegt haben soll. Er und andere Verantwortliche sind im November 2019 zu Haftstrafen verurteilt worden.Die Geschichte der Skandale, des Filzes und der Vetternwirtschaft bei dem Institut reicht jedoch viel weiter zurück. Monte dei Paschi war über Jahrzehnte ein Spielball der von der Kommunistischen Partei und ihren Nachfolgeorganisationen kontrollierten Lokal- und Regionalpolitik und wurde selten von Fachleuten geführt. Kredite wurden nach Gutsherrenart an Freunde und Freundesfreunde vergeben, soziale, kulturelle und wissenschaftliche Projekte stets großzügig gefördert, darunter das berühmte Pferderennen Palio.Der Anfang vom Ende war die Übernahme der Regionalbank Antonveneta 2007 für 9 Mrd. Euro, die Mussari quasi im Alleingang aushandelte – ohne Bilanzprüfung. Es folgte die Bankenkrise, und statt zusätzlicher Marktmacht und Erträgen verbuchte die Bank Milliardenabschreibungen. In zwei Kapitalerhöhungen wurden 8 Mrd. Euro verbrannt. Riskante Spekulationen und fehlende Kontrollen ritten die Banken noch tiefer in die Krise. 2017 musste die Bank mit staatlicher Hilfe gerettet werden. Unter Wirtschafts- und Finanzminister Pier Carlo Padoan gewährte Rom eine Finanzspritze von 5,4 Mrd. Euro und erwarb eine Beteiligung von 68 %. Jeder dritte vergebene Kredit war ausfallgefährdet. Ein Kreditportfolio von 26 Mrd. Euro wurde an eine staatliche Bad Bank übertragen, wofür die Bank 5,5 Mrd. Euro erhielt. In den Büchern standen die Darlehen für 9,4 Mrd. Euro. Die Kleinanleger wurden teilentschädigt.Die Staatsbeteiligung ist heute nur noch knapp 1 Mrd. Euro wert. Um die Bank attraktiver zu machen, wurden gerade erneut faule Kredite im Wert von 8,1 Mrd. Euro an die staatliche Bad Bank Amco übertragen.Manche Beobachter sehen in der Ernennung von Ex-Wirtschaftsministers Padoan zum neuen Unicredit-Chairman ein Zeichen, dass Unicredit MPS übernehmen könnte. Caselli glaubt jedoch, dass es sich die Regierung in Rom nicht noch einmal erlauben kann, eine Bank zu so hohen Kosten für den Steuerzahler an eine Privatbank zu vergeben, die wohl nur dann einsteigen würde, wenn der Staat alle Risiken übernähme. Und bei der MPS schlummern noch etliche Gefahren.