Ein Vierteljahrtausend jung und bereit für die Zukunft
Der Pfandbrief blickt auf eine 250 Jahre lange Geschichte zurück – ein stolzes Alter in der sonst so schnelllebigen Finanzwelt. Mehr noch: Der Pfandbrief ist ein deutsches Erfolgsmodell mit einer bis heute makellosen Kredithistorie, das Nachahmer in Europa und Übersee gefunden hat und zugleich beste Voraussetzungen für eine weiterhin dynamische Entwicklung im globalisierten, digitalen Zeitalter mitbringt.Daran wird vor einem Vierteljahrtausend niemand gedacht haben. Als Friedrich der Große am 29. August 1769 jene Cabinetts-Ordre unterzeichnete, die als Geburtsstunde des Pfandbriefs gilt, ging es ihm vor allem darum, klammen Gutsbesitzern Kredit zur Wiederaufnahme und Ausweitung der landwirtschaftlichen Produktion zu verschaffen. Das Modell erwies sich als tauglich und fand in den folgenden Jahr-zehnten auch über Preußen hinaus Verbreitung. Konzeptionell ähnliche Instrumente etablierten sich auch in anderen europäischen Ländern, etwa in Dänemark und Frankreich. Nächste wichtige Etappe130 Jahre nach dem Erlass folgte die nächste wichtige Etappe der Pfandbrief-Geschichte: die Kodifizierung im reichseinheitlichen Hypothekenbankgesetz, das im Januar 1900 zeitgleich mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft trat. Der Vertrag von Maastricht und die Einführung des Euro haben knapp 100 Jahre darauf den Weg zu integrierten Kapitalmärkten und damit für die Emission großvolumiger Jumbo-Pfandbriefe ab 1995 bereitet und so die Internationalisierung der Assetklasse ermöglicht.In Deutschland haben überdies die Abschaffung des Spezialbankprinzips und die erfolgreiche Konsolidierung der drei Vorgängergesetze im Pfandbriefgesetz im Jahr 2005 die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Pfandbrief heute eine strategische Bedeutung für das Refinanzierungsinstrumentarium der gesamten Kreditwirtschaft erlangt hat. Davon zeugt auch die Entwicklung der Emittentenzahl, die in den 14 Jahren seit Inkrafttreten des Pfandbriefgesetzes auf 80 gestiegen ist und sich damit nahezu verdoppelt hat. In der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 konnte der Pfandbrief schließlich seine besondere Qualität und Resilienz unter Beweis stellen. Dies wurde auch von Politik und Aufsicht anerkannt. Zu Recht sind Pfandbriefe und qualitativ ähnlich hochwertige Covered Bonds seither aus allen regulatorischen Projekten privilegiert hervorgegangen.Bei der Suche nach den Gründen für die erfolgreiche Entwicklung des Pfandbriefsystems zu höchster Qualität kommt man an seiner starken Gesetzesgrundlage und dem Bekenntnis aller am Pfandbriefmarkt beteiligten öffentlichen Institutionen, vor allem aber der emittierenden Banken, selbst nicht vorbei. Im Pfandbriefgesetz sind die einfache Struktur und der konservative Markenkern des Produkts festgeschrieben, was maßgeblich zu dessen blitzsauberer Kreditgeschichte beigetragen hat.Gesetzesnovellen als Antwort auf sich verändernde Rahmenbedingungen gab es dabei schon immer und zuletzt gewiss immer häufiger. Sie erfolgten aber stets mit Augenmaß, die Produktqualität fest im Blick. Dank seiner Wandlungsfähigkeit und Innovationskraft war der Pfandbrief immer dann mit Antworten zur Stelle, wenn diese benötigt wurden. Das Jumbo-Segment ist nur eines von vielen Beispielen dafür, ebenso wie in früheren Entwicklungsphasen die Gold- und Roggenpfandbriefe der 20er und 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts oder neuerdings “grüne” oder “soziale” Pfandbriefe. Darin steckt die besondere Qualität des 250-jährigen Pfandbriefs, der sich – gleich einem Start-up – immer wieder wandelt und neu erfindet. Tradition und Innovation werden so ins Gleichgewicht gebracht.Auf diese Weise hat der Pfandbrief nicht nur die Rolle der unangefochtenen Qualitäts-Benchmark im – inzwischen globalen – Covered-Bond-Universum eingenommen und sie seit vielen Jahrzehnten bis heute erfolgreich behauptet. Vielmehr hat er als Garant der typisch deutschen Langfristkultur, als Instrument zur kostengünstigen Hebung privaten Kapitals und Motor für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung auch eine zentrale volkswirtschaftliche Funktion und so einen festen Platz in der Mitte der Gesellschaft.Damit ist die Geschichte des Pfandbriefs aber auch nach 250 Jahren noch lange nicht an ihrem Endpunkt angekommen. Vieles spricht dafür, dass der Pfandbrief auch in Zukunft ein Vorzeigeprodukt des europäischen Kapitalmarktes und Eckpfeiler der Langfristkultur bleiben wird – und zwar weit über Deutschland hinaus. Produktvielfalt erhaltenDas ist auch ein Verdienst der europäischen Institutionen. Angesichts der langen Vorgeschichte der Harmonisierungsbestrebungen von Covered Bonds in Europa, die fast 50 Jahre zurückreicht und nicht unwesentlich von den deutschen Pfandbriefbanken und ihrem Verband vorangetrieben wurde, konnte das entsprechende Dossier in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen werden – pünktlich zum Jubiläum des Pfandbriefs. Dabei hat die EU-Kommission ihren prinzipienorientierten Regulierungsansatz beibehalten, wodurch ein Eingriff in bestehende und funktionierende Covered-Bond-Systeme vermieden und die Produktvielfalt im Covered-Bond-Markt erhalten wurde.Der zweistufige Ansatz mit den traditionellen Covered Bonds an der Spitze, ergänzt durch neue Richtlinien-Covered-Bonds, die regulatorisch weniger stark privilegiert werden, ist der Kern des Brüsseler Pakets. Auf diese Weise garantiert die Harmonisierung der nach Staatsanleihen größten Assetklasse Europas hohe Mindeststandards und bildet die Grundlage für die dauerhafte Vorzugsbehandlung von Covered Bonds in der europäischen Finanzmarktregulierung. Gerade aus deutscher Sicht ist beispielsweise die gesetzliche Verankerung der besonderen öffentlichen Aufsicht über Covered Bonds, wie sie beim Pfandbrief seit jeher praktiziert worden ist, ein Meilenstein in der Entwicklung der Covered Bonds in Europa.Nach der inhaltlichen Verabschiedung des Harmonisierungspakets steht nun die formelle Bestätigung durch das Europäische Parlament bevor. Sie soll zu Beginn der neuen Legislatur im vierten Quartal 2019 erfolgen.Auch wenn sich die Inhalte des Harmonisierungspakets maßgeblich am Pfandbriefgesetz orientieren, gibt es einige technische Aspekte, die einen Anpassungsbedarf auch im Pfandbriefgesetz nach sich ziehen. Dabei begrüßen die Pfandbriefbanken, dass das federführende Bundesministerium der Finanzen hier eine zügige Umsetzung in deutsches Recht anstrebt. Diskutiert wird etwa die Frage, ob die gedeckte Refinanzierung in Deutschland über den Pfandbrief hinaus durch richtlinienkonforme Covered Bonds ergänzt werden sollte. Die Pfandbriefbanken stehen dem offen gegenüber, solange für die neue Assetklasse unzweifelhafte Qualitätsstandards gelten und sprachlich eine saubere Trennung vom traditionellen Produkt erfolgt.Noch im Jahr 2020 sollen die notwendigen Änderungen des Pfandbriefgesetzes den parlamentarischen Prozess durchlaufen und umgesetzt werden. Die Pfandbriefbanken sprechen sich dafür aus, dann neben den aufgrund der Schärfung der Capital Requirements Directive und der Covered-Bond-Richtlinie erforderlichen Anpassungen auch bereits länger diskutierte Regelungen zur Gebäudeversicherung und zur Fälligkeitsverschiebung zu kodifizieren.Über die Novelle des Pfandbriefgesetzes hinaus haben insbesondere die Umsetzung von Basel IV in EU-Recht sowie die damit zusammenhängenden Konsultationen im Bereich der allgemeinen Finanzmarktregulierung höchste Bedeutung für die Pfandbriefbanken und die Zukunft ihres bewährten Refinanzierungsinstruments. Schließlich soll das risikoarme Kreditgeschäft der deutschen Immobilienfinanzierer durch den Output Floor von 72,5 % weit über das sachlich gerechtfertigte und ökonomisch erträgliche Maß hinaus belastet werden. Diese unverhältnismäßige Belastung droht auch die Deckungsmassen der Pfandbriefrefinanzierung und damit eine der Säulen der Finanzmarktstabilität zu schmälern und somit die positive Wirkung des Pfandbriefs für die Kreditinstitute zu entwerten.Die Pfandbriefbanken sind fest davon überzeugt, dass mit den Baseler Beschlüssen eine internationale Vereinbarung geschlossen wurde, bei deren Umsetzung Gestaltungsrechte ausgeübt und die negativen Effekte des Floors gedämpft werden können, ohne den Geist oder Wortlaut der Baseler Übereinkunft zu verletzen. Die Absicht des Bundesfinanzministeriums, die Umsetzung von Basel IV in Brüssel eng zu begleiten, begrüßen sie daher als Aufruf an die deutsche Delegation, gemeinsam nach geeigneten Lösungen zu suchen, um diese im Interesse einer konsistenten stabilitätsorientierten Finanzmarktpolitik und zum Wohle des Pfandbriefs und seiner Emittenten in Brüssel einzubringen.Als Pfeiler der Finanzstabilität erfüllen Pfandbriefe seit jeher viele der Anforderungen, die heute an eine nachhaltige Finanzwirtschaft gestellt werden, und sind zugleich ein Inbegriff der politisch und regulatorisch gewünschten Langfristkultur in der Finanzierung der Wirtschaft. Sie refinanzieren langfristiges Kreditgeschäft und haben deshalb einen sehr direkten Bezug zur Realwirtschaft.Angesichts des Klimawandels ist die Finanzwirtschaft aufgefordert, zum Erwerb oder Bau von Immobilien und zu Investitionen der öffentlichen Hand ihren Beitrag zu leisten, um das Ziel des Pariser Abkommens von 2015 zu erfüllen, die Erderwärmung auf maximal 2 % zu begrenzen. Auch die Pfandbriefemittenten fühlen sich seit Jahren diesem Ziel verpflichtet. Der Fokus der Pfandbriefhäuser liegt dabei auf dem Hypothekenpfandbrief und der Finanzierung von ökologisch nachhaltigen Immobilien. Schließlich ist der Gebäudesektor für rund 40 % des Energieverbrauchs in Deutschland verantwortlich. Die Emittenten können über den Hypothekenpfandbrief Anreize für ökologisch nachhaltiges Bauen setzen. Marke “grüner Pfandbrief”Mit der Marke “grüner Pfandbrief” will der Verband dem derzeit noch überschaubaren Segment weiteren Schub verleihen. Zu diesem Zweck wurden Eignungskriterien entwickelt, die unter anderem Mindestanforderungen an zulässige Immobilien und an die Transparenz enthalten.Auch auf EU-Ebene hat das Thema Nachhaltigkeit inzwischen eine hohe Priorität. Dabei mahnen die Pfandbriefbanken an, dass regulatorische Aktivitäten unbedingt auf bereits bestehenden und bewährten Marktstandards im Kapitalmarkt wie den “Green Bond Principles” oder der Zertifizierung der “Climate Bond Initiative” aufbauen sollten, um die große Dynamik zu erhalten, die diesen Markt auszeichnet. Denn zu detaillierte und möglicherweise praxisferne regulatorische Anforderungen werden eher dazu führen, dass nachhaltige Emissionsprogramme gebremst oder unterbunden werden.Idealerweise sollte eine Taxonomie, wie sie derzeit in Brüssel erarbeitet wird, ein einheitliches Verständnis über nachhaltige Finanzierungen herstellen und unverzichtbare Leitplanken für private Initiativen abstecken. Dabei sollte sich diese aber nicht im Detail verlieren und nicht versuchen, die zahlreichen wertvollen Initiativen zu ersetzen, die bereits bestehen. Schließlich ist auch darauf zu achten, dass unterschiedliche Regulatoren auf nationaler, europäischer und globaler Ebene nicht parallel und unkoordiniert an den gleichen Themen arbeiten. Derlei regulatorische Vielstimmigkeit führt erfahrungsgemäß zu sich widersprechenden Anforderungen, verunsichert die Marktteilnehmer ohne Not und behindert so die Entwicklung eines noch jungen Segments des Kapitalmarkt- und Bankgeschäfts.Wenn all dies beachtet wird, können der Pfandbrief und seine europäischen Verwandten einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten. Das zeigt einmal mehr: Der Pfandbrief ist ebenso dynamisch wie sein Umfeld und damit hervorragend für die Zukunft gerüstet. Er wird auch weiterhin unter Beweis stellen, was ihn seit nunmehr 250 Jahren auszeichnet: alte Tugenden wie Verlässlichkeit und Sicherheit zu bewahren und gleichzeitig immer wieder neue Antworten für neue Herausforderungen zu bieten.So ist und bleibt der Pfandbrief eine unverzichtbare, zuverlässige, innovative und nicht zuletzt liquide Konstante für den Refinanzierungsmix der Kreditinstitute und ein attraktives Investment für seine Anleger. Dafür werden sich die Pfandbriefbanken und ihr Verband auch in Zukunft einsetzen. Wenn weiterhin alle Beteiligten in Wirtschaft und Politik an einem Strang ziehen, kann der Pfandbrief voller Zuversicht auf die nächsten 250 Jahre blicken. Louis Hagen, Präsident des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp) und Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp)