Eine "Ente" soll UBS-Aktionäre erschreckt haben
Eine "Ente" soll UBS-Aktionäre erschreckt haben
Die Bank dementiert plötzlich einen US-Medienbericht über mutmaßliche Verletzungen von Russland-Sanktionen, und wirft neue Fragen auf.
Von Daniel Zulauf, Zürich
Es war ein lauter Knall, mit dem die Nachrichtenagentur Bloomberg am vergangenen Mittwoch die UBS-Aktionäre aufschreckte. Ein Bericht des amerikanischen Finanzmediums ließ den Kurs der Aktien der letzten verbliebenen Schweizer Großbank innert weniger Minuten nach Veröffentlichung um mehr als 7% einbrechen. Die Verwirrung war groß und sie ist es immer noch.
Der Bloomberg-Bericht behauptete unter Verweis auf gut informierte Quellen, Credit Suisse und UBS hätten mutmaßlich Sanktionsvorschriften gegen russische Kunden verletzt und seien zum Gegenstand einer vertieften Untersuchung der amerikanischen Justizbehörden (DOJ) geworden. Aus einer anfänglich breiter angelegten Vorabklärung sei eine Strafuntersuchung mit der Credit Suisse im Fokus geworden. Die Behörden würden auch möglichen Regelverletzungen der UBS nachgehen.
Die UBS-Aktionäre wissen um die drakonischen Strafen, welche die US-Justiz bei solchen Regelverletzungen aussprechen kann. Nachdem die UBS den Bloomberg-Bericht am Mittwoch noch nicht kommentieren wollte, macht sie nun auf Anfrage diese Aussage: "Die jüngste Berichterstattung über eine angebliche Untersuchung durch das US-Justizministerium bezüglich sanktionsbezogener Compliance-Verfehlung bei Credit Suisse und UBS ist nicht zutreffend. Eine solche Prüfung ist uns nicht bekannt."
Überraschend ist dieses Statement zunächst, weil man davon ausgehen muss, dass sich die Bank mit dem DOJ abgestimmt hat. Bloomberg zitiert zwar nicht direkt amerikanische Strafermittler, aber der Bericht stützt sich stark auf indirekte Quellen aus dem US-Justizministerium. So seien UBS-Anwälte in den USA vom DOJ über die angeblichen Sanktionsverletzungen informiert worden, und offenbar haben diese Anwälte die vom DOJ erhaltenen Informationen und Instruktionen detailgetreu an Bloomberg weitergegeben.
Unplausible "Erfindung"
So liest man zum Beispiel in dem Medienbericht vom Mittwoch, das DOJ habe Informationen darüber verlangt, wie die Bank die Konten der sanktionierten Kunden in den vergangenen Jahren behandelt habe, und dass Befragungen von Bankmitarbeitenden noch nicht stattgefunden hätten. Der Bericht enthält auch Informationen über den Geltungsbereich der angeblichen DOJ-Untersuchung.
Ist es plausibel anzunehmen, dass Journalisten einen derart detailreichen Bericht erfinden, wie das Dementi der UBS suggeriert? Die UBS-Aktionäre glauben dies offensichtlich nicht, wie die heftige Börsenreaktion vom Mittwoch und der bis heute gedrückte Aktienkurs zeigen.
Aber warum sollte UBS die Existenz einer DOJ-Untersuchung überhaupt abstreiten? Schließlich werden Strafuntersuchungen früher oder später sowieso publik. Und wenn es keine Untersuchung gäbe, warum hat die UBS den Bloomberg-Bericht nicht schon viel früher ins Reich der journalistischen Fantasie befördert?
Der Bloomberg-Bericht enthält eben auch starke Hinweise, dass es eine – wie auch immer geartete – Untersuchung des DOJ gegen CS und UBS doch gegeben hat oder immer noch gibt. Bloomberg schreibt: "Die (amerikanischen, Anm. d. Red) Ermittler haben ihre Informationsbegehren direkt bei der UBS platziert, statt diese über die offiziellen diplomatischen Kanäle zu leiten, die langsamer sein können."
Was Bloomberg hier anspricht, ist die Umgehung der internationalen Rechtshilfepraxis, mit deren Hilfe sich souveräne Staaten gegenseitig bei der Untersuchung grenzüberschreitender Straftatbestände unterstützen. In dem Bloomberg-Bericht heißt es, formell müssten alle Gesuche um Rechtshilfe über das Bundesamt für Justiz geleitet werden, außer in seltenen Fällen wie 2015 im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Untersuchungen der US-Justiz gegen den Weltfußballverband Fifa in Zürich und dessen Funktionäre.
Tatsächlich war das DOJ damals schon direkt (ohne Rechtshilfegesuch) auf Schweizer Banken zugegangen, um von diesen Auskünfte im Zusammenhang mit der Fifa zu erhalten. Das ist allerdings keine allgemein bekannte Tatsache, wie der Bloomberg-Bericht suggeriert, sondern eine Information, welche die bei der Zürcher Zeitung "Finanz und Wirtschaft" tätige renommierte Finanzjournalistin Monica Hegglin 2015 in eigener Recherche von mehreren Banken in Erfahrung gebracht hatte.
Die damaligen, klandestinen US-Informationsbegehren erfolgten pikanterweise nur wenige Wochen nachdem sich die Schweiz und die USA endgültig auf ein Programm zur Beilegung des seinerzeitigen Steuerstreites geeinigt hatten, das den Banken auch Offenlegungspflichten auferlegt hatte. Diese bezogen sich allerdings klar und zeitlich begrenzt auf die Steuerthematik und waren nicht als generelle Lockerung des Amts- und Rechtshilfeprozesses gemeint.
Das Bundesamt für Justiz sagte der "Finanz und Wirtschaft" damals denn auch ohne Umschweife: "Uns ist nicht bekannt, dass Banken direkt kontaktiert wurden. Sie würden sich bei Herausgabe von Kundendaten auch strafbar machen. Das ist klar Sache der Rechtshilfe."
Fast neun Jahre später sagt die gleiche Behörde, man habe Kenntnis von dem Bloomberg-Bericht, verfüge aber über keine Informationen zu potenziellen US-Ermittlungen gegen die Banken. Die Schweiz habe in der Sache kein Rechtshilfeersuchen aus den USA erhalten.
Präzisierend fügt das Bundesamt an: Falls eine Bank außerhalb eines Rechtshilfeverfahrens Bankdokumente oder Kundendaten an eine ausländische Behörde herausgäbe, würde sie gegen Schweizer Recht verstoßen, das Bankgeheimnis verletzen und sich verbotene Handlungen für einen fremden Staat zuschulden kommen lassen.
Willfährig gegenüber US-Justiz
2015 hatten alle Schweizer Banken ein großes Interesse daran, mit der US-Justiz zu kooperieren, um das leidige Steuerthema rasch hinter sich zu bringen. Nun könnte die UBS erneut einen starken Anreiz haben, sich mit der US-Justiz besonders gut zu stellen. Die offizielle Schweiz zeigt sich im politischen Umgang mit den Russland-Sanktionen eher störrisch und sie frustriere damit auch die US-Justiz, vergaß der Bloomberg-Bericht nicht zu erwähnen. Für die UBS könnte die strikte Haltung der Schweizer Regierung ein Motiv sein, den US-Behörden besondere Dienstfertigkeit zu signalisieren. Das wäre allerdings ein eigennütziges und vielleicht sogar unzulässiges Verhalten, das die Bank unter keinen Umständen freiwillig eingestehen würde.
Plötzlich dementiert die Großbank einen Bericht der US-Nachrichtenagentur Bloomberg, nach dem die US-Justiz eine Untersuchung wegen mutmaßlicher Sanktionsverletzungen mit russischen Kunden gegen UBS und Credit Suisse führe. Der späte Zeitpunkt des Dementis wirft neue, brisante Fragen auf.