IM INTERVIEW: TOMMASO CORCOS, EURIZON

"Eine Konsolidierung in unserem Geschäft ist unausweichlich"

Vermögensverwalter der Intesa Sanpaolo wächst vor allem international, denkt an Akquisitionen und strebt ins Immobiliengeschäft

"Eine Konsolidierung in unserem Geschäft ist unausweichlich"

Der Vermögensverwalter Eurizon sieht Wachstumsmöglichkeiten vor allem außerhalb des Heimatmarktes Italien und setzt auf China. CEO Tommaso Corcos ist auch an Übernahmen interessiert. Herr Corcos, wie waren die ersten drei Quartale?Viele Investoren sind zurückgekommen. Sie hatten zuvor abgewartet und die Situation beobachtet, weil die politische und wirtschaftliche Lage in vielen Ländern schwierig war. Unsere Zahlen sind gut, wir haben zusätzliche Mittel eingesammelt. Unsere Assets under Management sind um 7,7 % auf 326 Mrd. Euro gestiegen, und der Nettogewinn hat 344 Mill. Euro erreicht. Wie hat sich die expansive Geldpolitik ausgewirkt?Positiv ist für uns, dass die Anleger in diesem schwierigen Umfeld mehr professionelle Beratung und Anleitung brauchen. Auf der anderen Seite hat diese Politik Unsicherheit geschaffen und die Anleger veranlasst, eine hohe und fruchtlose Liquidität zu halten. Die Anleihen, die lange Zeit bevorzugte Anlageklasse der Italiener waren, weisen heute vielfach negative Renditen auf. Deshalb haben die Investoren ihr Vermögen teilweise in Aktien oder Barmittel umgeschichtet. Niedrige oder negative Zinsen setzen auch die Margen stark unter Druck. Wie reagieren Sie auf das veränderte Umfeld?Wir setzen den Akzent einerseits auf stabile Aktien mit hohen und stabilen Dividenden, andererseits auf Bonds in Schwellenländern und auch auf Märkte in Währungszonen mit Zinsen im Positivbereich, etwa in Amerika oder China. Sie sind in China stark vertreten.Die chinesische Währung ist stark und wird wohl stark bleiben. Wir haben ein Joint Venture namens Penghua, in dem wir einen Anteil von 49 % halten, und Vermögen von 81 Mrd. Euro verwalten. China ist für uns der zweitwichtigste Markt. Wir sind dort seit 2009. Seit 2014 hat sich das Wachstum der Gesellschaft deutlich beschleunigt. Im Frühjahr 2018 haben wir dort einen Fonds für chinesische Obligationen in lokaler Währung eingerichtet, der inzwischen ein Vermögen von 900 Mill. Euro umfasst. Wir sind die einzige italienische Assetmanagement-Gesellschaft unter den 25 größten ausländischen Anbietern dort. Wäre es nicht sinnvoll, alle Aktivitäten im Private Banking der Intesa Sanpaolo unter dem Dach von Eurizon zusammenzufassen?Inklusive China verwalten wir Vermögen von mehr als 400 Mrd. Euro. Intesa Sanpaolo und unsere Schwestergesellschaft Fideuram gehören zu unseren Kunden. Es wäre nicht sinnvoll, alles zusammenzulegen. Vom geplanten Einstieg von BlackRock, die bis zu 20 % von Eurizon übernehmen wollte, ist nichts mehr zu hören. Warum?Wir haben immer gesagt, dass wir Interesse bei anderen großen Akteuren im Mark hervorrufen. Mehr kann ich dazu derzeit nicht sagen. Interessieren Sie Akquisitionen?Ja, natürlich. Alle schauen sich alle an, es wird viel darüber gesprochen, aber mit Ausnahme der Übernahme der Vermögensverwaltungstochter von Unicredit, Pioneer, durch Amundi vor einigen Jahren passiert wenig. Eine Konsolidierung in unserem Geschäft ist unvermeidlich. Aber ich weiß nicht, wann sie kommt. Vielleicht beschleunigt die Bereitschaft Deutschlands und des Regulators, eine Bankenunion zu schaffen, eine Konsolidierung. Welche Konsequenzen hat der Brexit für Sie?Wir sind zuversichtlicher, weil das Risiko eines harten Brexit gesunken zu sein scheint. Das würde bedeuten, dass Großbritannien eine langfristigere Strategie verfolgen und die Zukunft besser geplant werden kann. Für uns ist Großbritannien eine Nische, die gut wächst. London ist ein extrem wichtiger Talentpool, vor allem im Hinblick auf die große Zahl hochwertiger Fachleute, und das wird so bleiben. Es ist ein Schmelztiegel von Talenten mit vielen unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Das ist eine große Chance. Welche anderen Märkte sind für Sie wichtig?Wir verwalten Vermögen von 81 Mrd. Euro in China und quasi weitere 90 Mrd. Euro außerhalb Italiens, vor allem in Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Osteuropa. Sie haben auch in Frankfurt eine Repräsentanz eröffnet. Wie wichtig ist Deutschland für Sie?Wir sind dort ein Nischenanbieter mit einem noch begrenzten Anlagevermögen. Es ist vor allem ein Markt für institutionelle Anleger. Unsere Kunden sind andere Assetmanagement-Gesellschaften, Fonds und Versicherungen. Wir wollen mit der Marke Eurizon wachsen und sie positionieren, als Gesellschaft mit gut rentierenden Produkten und einem wettbewerbsfähigen Portfolio. Dazu bedarf es einer langfristigen Präsenz. Streben Sie außerhalb Italiens bestimmte Zielgrößen an?China wächst beachtlich. Was andere Märkte betrifft, hängt dies davon ab, ob wir nur organisch, oder auch durch Übernahmen wachsen. Rein organisch wäre ich zufrieden, wenn wir in den nächsten drei Jahren um 10 % wüchsen. Wie sehen Sie die Marktentwicklung insgesamt?Der Markt ist sehr wettbewerbsintensiv und schwierig, vor allem, weil die Margen unter Druck sind. Aber die Kunden brauchen mehr professionelle Beratung, und wir sind ein Anbieter mit einer großen Vielfalt von Produkten, viel Erfahrung und Know-how. Welche neuen Produkte entwickeln Sie?Ende Dezember werden wir mit der Versicherungssparte von Intesa Sanpaolo ein Joint Venture im Immobiliensektor lancieren. Wir wollen ein wichtiger Ansprechpartner auf diesem Gebiet für Pensionsfonds, Versicherungen und anderen Fonds, die in diesem Sektor investieren, werden. Wir wollen auch in Infrastrukturprojekte mit höheren Renditen für Institutionelle investieren. Wir sind auf einem guten Weg und erwarten die Autorisierung der Behörden. Sie sind auch ein Joint Venture mit einem Fintech eingegangen.Schon 2014 haben wir uns mit 50 % an dem spanischen Fintech Allfunds Bank, einer Plattform für spanische Fonds, beteiligt, aus dem wir im November 2017 mit einem Veräußerungsgewinn von 800 Mill. Euro ausgestiegen sind. Jetzt haben wir eine neue Partnerschaft mit Oval Money, einem italienisch-englischen Fintech-Start-up, das in der Welt der Spar- und digitalen Zahlungsdienste tätig ist und jüngere Kunden anzieht, die Lösungen zu begrenzten Kosten suchen. Das ist für uns eine optimale Investition, weil das ein neuer Vertriebskanal ist, und wir so Kontakte zu künftigen Investoren knüpfen können. Sie haben Spezialfonds, die in nachhaltige Projekte investieren?Ja, das ist Teil der Kultur unseres Unternehmens. Wir haben stufenweise ESG-Kriterien angewandt, bis wir sie in unseren Investitionsprozess integriert haben. Unsere Kunden interessieren sich dafür immer mehr. Unser Portfolio in diesem Sektor beläuft sich auf 6,5 Mrd. Euro. Das Interview führte Gerhard Bläske.