ANSICHTSSACHE

Eine Mifid für bislang nicht regulierte Märkte

Börsen-Zeitung, 19.12.2013 Es gab Zeiten, in denen Banken in der Öffentlichkeit höheres Ansehen genossen. Vor nicht allzu langer Zeit haben Skandale rund um die Interbankenzinssätze Libor und Euribor das Vertrauen in zentrale Referenzgrößen - und in...

Eine Mifid für bislang nicht regulierte Märkte

Es gab Zeiten, in denen Banken in der Öffentlichkeit höheres Ansehen genossen. Vor nicht allzu langer Zeit haben Skandale rund um die Interbankenzinssätze Libor und Euribor das Vertrauen in zentrale Referenzgrößen – und in die beteiligten Banken – stark erschüttert. Als wäre das nicht schon schlimm genug gewesen, gehen die Aufsichtsbehörden weltweit nun neuen Vorwürfen nach: Auch bei Referenzwerten für die Devisen- und Edelmetallmärkte könnte es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Diese Vorwürfe wiegen besonders schwer, da Referenzwerte bei Währungen, Gold und Silber typischerweise auf tatsächlichen Transaktionen basieren und nicht auf Schätzungen der Banken beruhen, wie bei Libor und Euribor. Verlass auf ReferenzpreiseDie Allgemeinheit muss darauf vertrauen können, dass die Referenzpreise, die in diesen Märkten festgestellt werden, korrekt sind. Die Frage ist, wie sich dieses Vertrauen wieder aufbauen lässt. Die bislang vorgelegten Reformvorhaben gehen zwar in die richtige Richtung, aber nicht weit genug.Die Märkte für Geldmarktgeschäfte, Devisen und Edelmetalle haben Gemeinsamkeiten: Sie sind riesig, dezentral organisiert und kaum transparent. Auf diesen Märkten funktioniert der Wettbewerb nur eingeschränkt, wenige Banken dominieren das Geschehen. Der Handel findet nicht an Börsen oder börsenähnlichen Plattformen statt, sondern in großem Umfang bilateral. Die Handelsplätze sind nicht reguliert und werden nicht systematisch überwacht. Das alles mag für die Gewinnmargen der Banken gut sein, im Sinne der Kunden ist es nicht. Im wahren Wortsinn vertrauenserweckend sind diese Strukturen – so der Eindruck – nicht. Lückenlose DokumentationDie Europäische Kommission hat im September 2013 Vorschläge für die Regulierung von Referenzwerten vorgelegt, die in erster Linie auf Selbstkontrollen durch die Ersteller setzen. In den organisatorischen Anforderungen an diese Ersteller finden sich Elemente, die man von den Handelsüberwachungsstellen der deutschen Börsen kennt. So müssen nach den Plänen der EU-Kommission die Daten, die in die Ermittlung der Referenzwerte eingehen, künftig lückenlos dokumentiert und von einem unabhängigen Kontrollorgan ausgewertet und geprüft werden. Verstöße gegen das Verbot der Marktmanipulation sollen den Aufsichtsbehörden gemeldet werden. Private Kontrolle reicht nichtDoch sind private Kontrollinstanzen ausreichend in der Lage, Unregelmäßigkeiten rund um die Berechnung von Referenzwerten konsequent aufzudecken? Das erscheint zumindest fraglich. Im Vergleich zu den Handelsüberwachungsstellen der Börsen haben private Kontrollinstanzen keinen umfassenden Einblick in den Markt. Es mangelt ihnen auch an den notwendigen Ermittlungsbefugnissen und Auskunftsrechten gegenüber den Akteuren. Kurzum: Private Kontrollinstanzen können konstruktionsbedingt nur einen relativ kleinen Ausschnitt des Marktgeschehens beobachten und überwachen. Das reicht nicht. Außerdem stellt sich die Frage, wer die Unabhängigkeit derartiger Kontrollinstanzen überwacht.Zwingende Voraussetzung für Markttransparenz und Marktkontrolle ist ein Minimum an Zentralisierung der Datenströme. Dazu muss man die Markstrukturen grundlegend ändern. Der Handel in den bisher kaum regulierten Märkten muss so weit wie möglich auf transparente und direkt oder indirekt staatlich überwachte Handelsplätze verlagert werden. Dabei können uns die Regeln als Vorlage dienen, die sich für Börsen und börsenähnliche Handelssysteme bewährt haben. Vorbild OTC-DerivateDas Beispiel der Regulierung außerbörslich gehandelter Derivate zeigt, dass der Vorschlag, den Handel zu zentralisieren, gar nicht so weit hergeholt ist. Die Staats- und Regierungschefs der G 20 haben im Jahr 2009 beschlossen, den Handel mit Over-the-Counter-Derivaten (OTC) so weit wie möglich auf Börsen und börsenähnliche Handelsplattformen zu verlagern und stringente Melde- und Transparenzpflichten einzuführen.Diese Forderung wird in Europa derzeit mit der Finanzmarkt-Richtlinie und -Verordnung (Markets in Financial Instruments Directive – Mifid – und Markets in Financial Instruments Regulation – Mifir) umgesetzt und sehr wahrscheinlich für Zinsswaps auf Libor und Euribor, Währungs- und Warenderivate gelten.Damit wird der Fragmentierung der Märkte entgegengewirkt, und die Banken verlieren ihre bisher privilegierte Stellung. Was bei OTC-Derivaten möglich ist, sollte auch für die dazugehörigen Spotmärkte möglich sein, also für den Handel mit kurzlaufenden Krediten, Devisen und Edelmetallen. Blaupausen liegen bereitAls man 2009 erste Lehren aus der Finanzkrise zog, dachte man, es reiche aus, den Handel mit OTC-Derivaten zu regulieren. Noch vor kurzem hielt man zentrale Referenzwerte der Finanzmärkte für solide und vertrauenswürdig. Heute ist man sich alles andere als sicher, vieles scheint denkbar zu sein. Wer seine Hoffnung allein in die Selbstregulierung setzte, wurde eines Besseren belehrt.Der Handel in wichtigen Märkten wie denen für Devisen und Edelmetalle sollte daher so weit wie möglich auf transparente und staatlich überwachte Handelsplätze verlagert werden. Geeignete Blaupausen liegen bereit: Mifid und Mifir. Ein künftiges Modell für die Überwachung des Handels, gerade für die Ermittlung von wichtigen Referenzwerten, könnte sich an den deutschen Handelsüberwachungsstellen der Börsen orientieren.———Dr. Elke König ist Präsidentin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Elke König Der Handel in wichtigen Märkten sollte auf transparente und staatlich überwachte Handelsplätze verlagert werden.——-