Einlagenflut provoziert Abwehrreflexe
fir Frankfurt
Der rasante Einlagenzustrom bringt die Sparkassen zusehends in die Bredouille. Wie so viele andere Banken, die mit Geld überschüttet werden, freuen sich die Verantwortlichen in der offiziellen Sprachregelung zwar über den Vertrauensbeweis, entwickeln aber gleichzeitig Abwehrreflexe, verursacht ja bei der Notenbank geparktes, überschüssiges Geld Kosten. Die Entwicklung sei zwar Ausdruck eines riesigen Kundenvertrauens in Krisenzeiten, sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut Schleweis, in der Bilanzpressekonferenz am Mittwoch. Er fand aber auch deutliche Worte, dass es so nicht weitergehen könne: „Diese liebevolle Umarmung der Kunden nimmt uns unter Negativzinsbedingungen aber zunehmend betriebswirtschaftlich die Luft zum Atmen. Deshalb müssen die Sparkassen gegensteuern“, so Schleweis.
Die Billion überschritten
120 Mill. Euro berappten die deutschen Sparkassen im vergangenen Jahr an Strafzinsen für Kundeneinlagen, die sie nicht anzulegen oder als Kredite auszureichen vermochten, rechnete Schleweis vor. Und die Kosten steigen voraussichtlich weiter: Blieben die Einlagen im laufenden Jahr auf dem Stand Ende Januar, fielen 2021 mehr als 240 Mill. Euro an. Wobei davon auszugehen sein dürfte, dass die Einlagen noch weiter anschwellen. 79 Mrd. Euro (+7,9%) trug die Kundschaft im vergangenen Jahr zusätzlich zu ihren Sparkassen und hievte das gesamte Einlagenvolumen damit über die Billionen-Marke. Auf 1075 Mrd. Euro beliefen sich die angelegten Gelder Ende des Jahres.
Zu viel sei zu viel, befand Schleweis und forderte, dass Freibeträge für Einlagen bei der EZB deutlich erhöht werden. Wenn schon die Geldpolitik die Sparkassen weithin ihrer Ertragsmöglichkeiten beraube, könne es nicht angehen, dass zudem noch Einlagenzinsen direkt an die EZB zu zahlen seien.
Die Ertragslage war im vergangenen Jahr erneut vom schrumpfenden Zinsüberschuss geprägt. Trotz boomender Kreditvergabe blieben unter dem Strich gut 660 Mill. Euro weniger Zinsen hängen als im Jahr zuvor. Bei zugleich leicht sinkendem Verwaltungsaufwand und etwas höherem Provisionsüberschuss verblieben den Ende vergangenen Jahres noch 376 Sparkassen 9,4 Mrd. Euro Betriebsergebnis vor Bewertung und damit 207 Mill. Euro weniger als 2019. Vor Steuern erzielten sie mit 4,1 Mrd. Euro gut 3% weniger als im Vorjahr – „ein im Wettbewerbsvergleich sehr achtbares Ergebnis“, sagte Schleweis.
Risikovorsorge aufgestockt
Das Bewertungsergebnis legte um 320 Mill. Euro (+7,6%) auf 4,5 Mrd. Euro zu. Zum einen, weil die Kreditrisikovorsorge um 783 Mill. Euro aufgestockt wurde, vor allem wegen der pandemiebezogenen Belastungen für den stationären Einzelhandel und die Gastronomie. Zum anderen, weil sich positive Bewertungseffekte im Wertpapiergeschäft von rund 600 Mill. Euro ins Negative verkehrten. Den Vorsorgereserven führten die Sparkassen demnach 2,7 Mrd. Euro zu, nach 4,2 Mrd. Euro im Jahr 2019.
Die Risikovorsorge im Kreditgeschäft sei geringer ausgefallen als antizipiert, berichtete Schleweis. Er rechne aber für das laufende und das nächste Jahr mit mehr Insolvenzen und somit mehr Ausfällen. Je länger der Lockdown andauere, desto mehr Unternehmen gerieten in Schwierigkeiten. „Wir erwarten steigende, teilweise auch deutlich steigende Kreditausfälle – aber in einem Ausmaß, das absolut beherrschbar ist. Wenn die Insolvenzantragspflicht ausläuft, wird so einiges auf uns zukommen.“
Kaum Aussicht auf Besserung
Auch wenn die Coronakrise eines Tages vorbei sei, bleibe auf Jahre hinaus eines der wesentlichen Probleme bestehen, dem sich die Sparkassen gegenübersähen: der aus der lockeren Geldpolitik der EZB resultierende Null- oder Negativzins. In der bestehenden geldpolitischen Negativzinswelt müssten die Institute Tag für Tag „gegen einen gewollten Zinsschwund anarbeiten“, sagte Schleweis. „Das wird für alle eine harte Zeit“, stimmte er die Finanzgruppe auf weitere Entbehrungen ein. Zu erwarten seien neue Einsparungen und „unter Umständen“ auch Konditionenanpassungen, sprich Gebührenerhöhungen bzw. Minuszinsen. „Schon vor Jahren hatten wir auf die japanischen Erfahrungen hingewiesen, dass die dortige expansive Geldpolitik zu höheren Bankentgelten geführt hat.“
Die Kosten hat die Gruppe im vergangenen Jahr um gut 250 Mill. auf 19 Mrd. Euro gestutzt, davon 168 Mill. Euro beim Personal. Über Fluktuation und altersbedingtes Ausscheiden sei die Mitarbeiterzahl um 2,7% gesunken, was 4500 Mitarbeiterkapazitäten entspreche. Die Zahl der mit Mitarbeitern besetzten Filialen ging weiter zurück auf 8235 Ende des Jahres. Das waren 385 weniger als ein Jahr zuvor. Im ländlichen Raum wurden laut DSGV 170 Niederlassungen aufgegeben und damit weniger als in den Städten, wo 215 geschlossen wurden.
Sparkassen-Finanzgruppe | ||
vorläufige Zahlen nach HGB | ||
in Mrd. Euro | 2020 | 2019 |
Zinsüberschuss | 19,6 | 20,2 |
Provisionsüberschuss | 8,5 | 8,3 |
Personalaufwand | 12,1 | 12,2 |
Sachaufwand | 6,9 | 7,0 |
Betriebsergebnis vor Bewertung | 9,4 | 9,6 |
Bewertungsergebnis | –4,5 | –4,2 |
Wertpapiergeschäft | –0,6 | 0,6 |
Kreditgeschäft | –1,3 | –0,6 |
Vorsorgereserven | –2,7 | –4,2 |
Sonstige Bewertung | 0,1 | 0,0 |
Betriebsergebnis nach Bewertung | 4,9 | 5,4 |
Neutrales Ergebnis | –0,8 | –1,2 |
Ergebnis vor Steuern | 4,1 | 4,2 |
Jahresüberschuss | 1,6 | 1,8 |
Cost-Income-Ratio vor Bewertung (%) | 66,8 | 66,6 |
Kernkapitalquote (%) | 16,4 | 16,0 |
Kundenkredite | 906 | 861 |
Kundeneinlagen | 1075 | 996 |
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