Einlagenmisere beschert Banken Verluste

Bei fristenkongruenter Anlage von Tagesgeldern jährliches Minus von 4 Mrd. Euro - Realzins für Kunden wieder knapp positiv

Einlagenmisere beschert Banken Verluste

Strafzinsen auf Einlagen zu erheben, das hätten sich die Banken vor ein paar Jahren nicht vorstellen können. Da das kurzfristige Depositengeschäft aber nun anhaltend defizitär ist, müssen die Institute handeln und Überschussliquidität umleiten in längere Anlageformen.Von Björn Godenrath, FrankfurtMickrige 0,25 % Zinsen erhalten Privatkunden derzeit durchschnittlich für eine Anlage in Tagesgeld. Wer sich mit etwa 10 000 Euro für drei Monate bindet, kann mit einer Verzinsung von rund 0,5 % rechnen. Die Spanne an Angeboten für Neukunden reicht dabei von unterirdischen 0,01 % bis hin zu Lockangeboten von immerhin 1,3 %. Unternehmen erhalten für ihre kurzfristigen Einlagen Berechnungen von Barkow Consulting zufolge im Schnitt noch 0,09 %. Die kurzfristigen Einlagenkonten von Großkonzernen und institutionellen Kunden werden sogar vereinzelt mit negativen Zinsen belegt. Das soll das Geld in langfristigere Anlageformen leiten, so dass die Banken nicht gezwungen sind, solche Überschussliquidität bei der EZB zu parken und dafür einen Strafzins von 0,2 % zu zahlen. Der von der Commerzbank geprägte Begriff einer “Guthabengebühr” für den auf Einlagenkonten umgewälzten Negativzins wurde von der Düsseldorfer Börse am Donnerstag zum Börsen-Unwort des Jahres 2014 gekürt.Das Niedrigzinsumfeld gebiert dabei nur Verlierer. Denn was für Sparer angesichts negativer Realverzinsung ärgerlich bis frustrierend ist, beschert den Banken im kurzfristigen Depositengeschäft rechnerisch Verluste. Daten aus dem “Credit Benchmarking Model” von Barkow Consulting zeigen, dass den Instituten bei fristenkongruenter Anlage der Tagesgelder zu einem Durchschnittszins aus dem Interbankensatz Eonia und der EZB-Einlagefazilität aktuell ein jährlicher Verlust von 4 Mrd. Euro entsteht, der zu 85 % aus dem Privatkundengeschäft stammt.Bezugsgröße ist ein Tagesgeldvolumen von rund 1,4 Bill. Euro. Laut Bundesbank betrug das Geldvermögen der privaten Haushalte zur Jahresmitte gut 5 Bill. Euro, wovon 1,95 Bill. Euro auf Barmittel und Einlagen entfallen (siehe Grafik). Aktien und Fonds sind stark untergewichtet, was angesichts negativer Realverzinsung einer gigantischen Vermögensvernichtung gleichkommt.Dabei stellt Barkow Consulting mit ihren Berechnungen klar, dass negative Realzinsen für Tagesgelder “eher Normalfall als die Ausnahme” sind. Für den Zeitraum seit Anfang 2003 stehen durchschnittliche Tagesgelder-Realzinsen von – 0,51 % zu Buche, was nur marginal höher liegt als die – 0,56 % per Ende September 2014. Ganz recht: Unter Einbeziehung der Inflationsrate hat eine Realzinsentwicklung im negativen Terrain stattgefunden. Das wird vom deutschen Sparer gerne ausgeblendet, wenn er über die aktuellen Konditionen der Banken schimpft.Tatsächlich zeigt die Trendkurve bei der Realzinsentwicklung mit bröckelnden Inflationsraten nun nach oben. Barkow Consulting gibt einen rechnerischen Tagesgeldrealzins für Privatkunden von – 0,30 % für November an, was deutlich über dem Durchschnitt seit 2003 liegt – und im Dezember war die Realverzinsung für Privatanleger, bei unterstellter Trendfortschreibung, mit 0,05 % erstmals seit vier Jahren wieder leicht positiv.Für die Banken setzt sich im Geschäft mit den Sichteinlagen hingegen ein Ende 2008 begonnener Negativtrend fort: Mit Ausnahme von 2011 befinden sich die Zinserträge der Banken in negativem Terrain (siehe Grafik). Verdienten die Banken direkt vor Ausbruch der Finanzkrise 2008 noch 21,5 Mrd. Euro mit den boomenden Sichteinlagen, so folgte dann ein brutaler Abfall. In den Jahren bis 2006 wurden im Schnitt mehr als 3,5 Mrd. Euro verdient – der Swing zur aktuellen Situation beträgt also mehr als 7 Mrd. Euro bei den Zinserträgen. Nicht von ungefähr sind die Banken bestrebt, Einbußen beim Zinsergebnis mit Kredit- und Provisionsgeschäft zu kompensieren. Das war 2013 schon ganz ordentlich gelungen; und die ersten vorläufigen Kennzahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr signalisieren, dass sich viele Institute auf der Einnahmeseite gut behaupten können.Für private Sparer ist die Situation natürlich weiter unbefriedigend, sofern sie sich Anlagen in Aktien und Fonds verweigern. Barkow Consulting hat sich den Spaß gemacht und ausgerechnet, wo denn nominal der “faire Zins” für Anleger und Banken liegt. Das Ergebnis: Die Banken bieten eigentlich viel zu gute Konditionen, ergibt sich aus Bankensicht doch ein “fairer Zins” für Tagesgeldeinlagen von aktuell – 0,74 %. Bei Firmenkunden sind es – 0,69 %. Abgeleitet wurde aus der durchschnittlichen Marge im Zeitraum von Anfang 2003 bis Ende 2005 gegenüber einem gewichteten Durchschnittszins aus Eonia und EZB-Einlagefazilität.Für den privaten Sparer ergibt sich, auf eine Inflationsrate von 0,6 % gerechnet, ein “fairer Zins” von 0,31 %, für Firmenkunden sind es 0,35 % – so hoch muss der Nominalzins sein, um mit heutiger Inflationsrate das Niveau dieses historischen Realzinses zu erreichen. Erstaunlicherweise liegt der “faire Zins” für Privatkunden damit nur marginal über dem derzeitigen Niveau von durchschnittlich 0,25 % für Tagesgeldeinlagen.—– Wertberichtigt Seite 8