Einsatz von KI beeinflusst Qualität einer Versicherung

Immer mehr Daten müssen ausgewertet, Informationen verarbeitet und daraus Aktionen mit konkretem Nutzen abgeleitet werden

Einsatz von KI beeinflusst Qualität einer Versicherung

Kaum ein anderes Thema wird in der Versicherungswirtschaft derzeit so engagiert und teilweise auch kontrovers diskutiert wie der Einsatz und die Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI). Doch der Weg von der einfachen “Wenn-dann-Programmierung” zu einem wirklich intelligenten Produkt war und ist lang und steinig: Ausgelöst wurde dieser Trend von einfachen Algorithmen, die zunächst ihre Anwendung im Bereich von industrieller Anwendungs- und Prozesssteuerung fanden. So lagen die Anfänge beispielsweise in der Steuerung von automatischen Schiebetüren oder bei Kreuzungs- und Ampelsteuerungen. Weitere Entwicklungsschritte waren dann unter anderem die Steuerung des Autofokus in Kameras oder die Klimaautomatik im Auto. Bis dahin handelte es sich immer um prozess- beziehungsweise effizienzgetriebene Anwendungen.Im nächsten Entwicklungsschritt wurde dieser Bereich der prozessualen industriellen Anwendungen zugunsten einer nun möglichen kommerziellen Nutzung verlassen. Der Grund dafür: die Zunahme der zur Verfügung stehenden Daten. Künstliche Intelligenz war plötzlich in der Lage, den Unternehmen neue Erkenntnisse über Kunden zu liefern. So konnten Informationen zum Verhalten der Kunden in bestimmten Situationen und in bestimmten Konstellationen schnell erhoben und für die Produktentwicklung analysiert werden.Grundlage war die KI-basierte Verknüpfung von persönlichen Daten wie Alter, Geschlecht, Einkommen und Kaufverhalten mit der aktuellen Situation, dem Konsumwunsch oder auch anderen Faktoren wie Tageszeit, Jahreszeit oder Wetter. Diese “milde KI” leitet aus solchen Informationen Wahrscheinlichkeiten ab, wie ein Kunde unter bestimmten Bedingungen reagiert, und passt – mehr oder weniger intelligent – das Angebot an. KI-Prinzip richtig anwendenAuch in der Versicherungsbranche werden die Vorteile von KI immer öfter nicht nur gesehen, sondern der Mehrwert durch einzelne KI-Projekte auch im Alltag bewiesen. Dabei vollzog sich die Verbreitung von KI im Versicherungsbereich analog zu anderen Industriesektoren. Auch hier begann der Einsatz zuerst in Bereichen der Prozess- und Effizienzsteuerung. Schnell wurden aber die Fähigkeiten von KI-Anwendungen bei regelbasierten Aufgabenbereichen eingesetzt. Das wird besonders bei der vollautomatischen Abwicklung von Versicherungsanträgen deutlich, mit der sich der konkrete Mehrwert für eine Versicherung gut illustrieren lässt.Früher und mitunter sogar noch heutzutage wurde ein solcher Antrag über viele unterschiedliche Schritte verarbeitet. Am Anfang wählt der Kunde einen für sich passenden Versicherungsschutz aus. Dafür macht er im Rahmen der Antragsaufnahme Angaben, die für die Kalkulation der Versicherungsleistung relevant sind. Vereinfacht gesagt stellt er Daten zur Verfügung. Diese werden in einem Antrag erfasst, dessen einzige Aufgabe es ist, die Angaben des Kunden zu übermitteln. Die Daten unterliegen dann wiederum Regeln, die ihrerseits entlang der Annahmerichtlinien (Underwriting Rules) unter Einbezug der personen- oder sachbezogenen Informationen überprüft werden.Dieser Prozess erfolgte lange Zeit manuell und analog in der Antragsannahme oder neudeutsch dem Underwriting. Das ist zum einen personalintensiv und zum anderen natürlich sehr zeitraubend und damit langsam. Solche Abläufe effizienter zu gestalten ist Hauptaufgabe der KI. Der Algorithmus, also die regelbasierte KI, übernimmt die Prüfung der Kundendaten vollautomatisch. Dabei erfasst sie die aus den Daten erkenntlichen Zusammenhänge und löst entweder direkt und automatisch die Annahme oder gar den Policen-Andruck an den Kunden aus. Sie lehnt ihn aber auch ab beziehungsweise steuert bei unklarer Datenlage den Antrag vollautomatisch aus und übergibt den markierten Datensatz in Verbindung mit dem Antrag in die Nachbearbeitung.Das alles erfolgt automatisiert nach der Datenübermittlung durch den Kunden, den Makler oder das Portal – im Idealfall binnen weniger Sekunden. Im Ergebnis erhält der Kunde seine fertige Police innerhalb weniger Augenblicke zurück und ist somit versichert. Bei manueller Bearbeitung kann der gleiche Vorgang inklusive Ausdruck und Versand per Post durchaus Tage oder Wochen dauern. Die vielen dafür nötigen Handlungsschritte können aber bereits heute komplett von der KI übernommen werden – inklusive Ansteuerung der Druckschnittstelle und Auslieferung an den Kunden. Künftiges SpielfeldDie KI beschleunigt nun also interne Prozesse, verschlankt die Struktur und eröffnet ganz neue Anwendungsgebiete von Versicherungen. Das ist aber nur der Anfang, denn KI hat das Potenzial, noch viel mehr Effizienz in die Versicherungsunternehmen zu bringen. Schon heute erfolgen die ersten Schritte für einen KI-Einsatz in der Schadenbearbeitung. Das beginnt wieder prozessual bei der strukturierten Erfassung des Schadens entlang spezifischer dynamischer Schadenfragen. Danach setzt sich der Vorgang aber über die automatisierte Anlage der Schäden im Versicherungssystem fort. Das schließt eine automatisierte Anlage der Schadenerstreserve und die Information der Kunden ein. Die Übernahme von KI gipfelt hierbei aber in der bislang manuell durchgeführten eigentlichen Schadenbeurteilung.Schon heute kommen KI-basierte Anwendungen in der Schadenerkennung zum Einsatz, die anhand von Fotos des Versicherungsnehmers Bewertungen vornehmen. Die KI bestimmt hier anhand der Bildinformationen und der abgelegten Schadenroutinen in der Datenbank Art und Umfang des Schadens und erstellt daraus automatisiert einen Prozessvorschlag zur weiteren Bearbeitung. Schon bald könnte die KI eigenständig erkennen, ob der Sprung im Bildschirm des teuren Tablets aufgrund des angegebenen Hergangs so aussehen könnte oder nicht.Künftig werden wir also sicher noch weitere KI-Anwendungen in der Versicherungsbranche sehen, denn die Vorteile im direkten Kundenkontakt sind enorm. Das könnten sogenannte Robo-Advisor sein, die auf Grundlage von Kundendaten individuelle Versicherungsleistungen anbieten und sie auch über den Abschluss hinaus automatisiert managen. Das gesamte Feld der Finanz- beziehungsweise Versicherungsoptimierung bietet einen riesigen Anwendungsbereich für künstliche Intelligenz. KI-basierte Beratung erschließt durch ihre Zugänglichkeit und ihren Komfort auch Kundengruppen, die bislang keinen Zugang zu individueller Beratung und individuellen Produkten hatten.Eine weitere Verbreitung von KI erscheint also unumgänglich, denn in der Versicherungsbranche, aber auch in anderen Sektoren werden immer mehr Daten erfasst. Sie muss also fast zwangsläufig dabei helfen, diese Datenmenge strukturiert auszuwerten, Informationen zu verarbeiten und daraus Aktionen mit konkretem Nutzen abzuleiten. Gelingt dies, werden Versicherungsleistungen schneller, transparenter und individueller den Kunden angeboten werden können, ohne dass der eigentliche Charakter der Versicherung, nämlich der Risikoausgleich im Kollektiv, verloren geht. Damit hat die KI unmittelbaren Einfluss auf die Qualität einer Versicherung und dient somit dem Kunden. Stephen Voss, Vorstand Vertrieb und Marketing der Neodigital Versicherung AG