Emerging-Market-Anleihen nach der Krise

Erholung der Weltkonjunktur könnte sich gut für die Schwellenländer auswirken

Emerging-Market-Anleihen nach der Krise

Kirstie SpenceAnleihenportfoliomanagerin bei der Capital GroupViele Arten von Emerging-Market-Anleihen sind noch immer attraktiv bewertet – absolut sowie im Vergleich zu anderen Marktsegmenten. Den Emerging Markets droht in den nächsten Jahren keine große Schuldenkrise. Weil risikoärmere Anleihen immer teurer werden, dürfte sehr viel Liquidität in den Markt strömen. Eine Erholung der Weltkonjunktur könnte sich gut für die Schwellenländer auswirken.In den meisten Ländern der Erde hat sich das Virus schnell verbreitet, auch in den Emerging Markets. Die Bereitschaft zu einem völligen Lockdown hält sich in den Emerging Markets in Grenzen, zumal er sich hier auch nur schwer umsetzen und kontrollieren lässt. Die Regierungen der Schwellenländer müssen zwischen den sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Pandemiebekämpfung und den gesundheitlichen Folgen von Covid-19 abwägen. Deshalb werden pandemiebedingte Rezessionen in den Schwellenländern wohl weniger stark sein als in den Industrieländern. Vergleichsweise gut dürften sich Länder mit weniger offenen Volkswirtschaften halten, da sie nicht so abhängig von der Weltkonjunktur sind. Sehr häufig handelt es sich dabei ausgerechnet um ärmere Länder, sogenannte Frontiermärkte. Eine wichtige Rolle wird die Konjunkturerholung spielen. In einem Negativszenario sind die Rezessionen in den Schwellenländern tiefer und länger als bislang vermutet, so dass das Potenzialwachstum nachlassen könnte. Das kann passieren, wenn der private Sektor weniger investiert, das Humankapital Schaden nimmt – durch steigende Arbeitslosigkeit – und der Welthandel schrumpft. All dies würde die Produktivität dämpfen. Auch könnte die Deglobalisierung an Fahrt gewinnen, die schon vor der Pandemie eingesetzt hatte. Die meisten Schwellenländer haben geld- und fiskalpolitische Programme aufgelegt, die zweifellos das Wachstum fördern, auch wenn die steigenden Schulden bisweilen Sorgen machen. Im Positivszenario würden die Schwellenländer ihre Konjunkturprogramme auf Infrastruktur und langfristige Projekte ausrichten, was den oft dringend nötigen Wachstumsschub auslösen würde. In “normaleren” Zeiten werden nur mit großer Zurückhaltung neue Schulden aufgenommen, zumal der Internationale Währungsfonds (IWF) eine strenge Haushaltsdisziplin vorschreibt und dies auch von den Märkten geschätzt wird. Jetzt aber haben viele Emerging Markets die Chance, lange überfällige große Infrastrukturprojekte voranzutreiben. Vor allem Frontiermärkte sind in den letzten zehn Jahren stark gewachsen, im Gegensatz zu den übrigen Emerging Markets. Viele Emerging-Market-Länder haben es den Industrieländern gleichgetan und die Geldpolitik gelockert. In einigen Ländern kann es zu einer Schuldenkrise kommen. Einige Länder waren schon vor der Krise hoch verschuldet und leiden jetzt unter den Folgen der Pandemie. Dazu zählen auch Länder, die stark in den Welthandel eingebunden sind oder vom Tourismus oder von Rohstoffexporten leben. Nicht alle Emerging Markets werden in die Krise stürzen, und es ist auch nicht davon auszugehen, dass die gesamte Assetklasse aufgrund der Neuverschuldung der letzten Jahre implodiert. Dafür gibt es Gründe: Zum einen ist das Emissionsvolumen in den letzten zehn Jahren insgesamt stark gestiegen. Möglich wurde dies durch das Quantitative Easing der Industrieländer und die Jagd nach Rendite. Die Notenbank kann Inlandsschulden übernehmen, man kann die Inflation forcieren und fällige Titel leichter durch neue ersetzen. Dennoch nimmt auch bei steigenden Inlandsschulden der Zinsaufwand zu. Die Zinsstrukturkurve verschiebt sich, die Währung wertet ab und es werden oft mehr Kurzfristtitel begeben. Das alles verursacht hohe wirtschaftliche Kosten, ist aber etwas anderes als die Nichtbedienung von Auslandsschulden. Bei Lokalwährungsanleihen sind Zahlungsausfälle höchst selten. Weiterhin haben sich Emerging-Market-Länder infolge der Pandemie zu vielerlei Liquiditätsmaßnahmen entschlossen. Zum Beispiel vergibt der IWF Notkredite und stockt vorhandene Kreditlinien auf und die G20 gewähren Schuldenerleichterungen. An den Märkten schöpfte man Vertrauen und rechnete mit besser koordinierten Hilfen für die Schwellenländer, falls nötig. Offensichtlich sind die Industrieländer zu allem bereit, um eine weltweite Depression zu verhindern – wovon viele Emerging Markets profitieren.Schließlich ist auch der Marktzugang wichtig. Die Sorge, dass den Schwellenländern die Märkte verschlossen bleiben, dürfte vorbei sein. Wenn Länder im Inland wie im Ausland Anleihen begeben können, die Risikoprämien angemessen sind und es Anreize gibt, an einem weiteren Rückgang zu arbeiten, droht keine Schuldenkrise. Die Märkte öffnen wieder und funktionieren. Es werden Anleihen emittiert, bewertet und gehandelt, und die meisten Titel sind stabil. Weltweit gibt es reichlich Liquidität, was zu Mittelzuflüssen in die Assetklasse führt. Das Potenzial von Emerging-Market-Anleihen erscheint auch nach der Krise vielfältig. Die Jagd nach Rendite kann Anleihen zugutekommen, die die Fed nicht kauft – und damit auch Emerging-Market-Titeln. Sehr wahrscheinlich könnte ein weiterer US-Dollar-Spread-Rückgang sein, so dass die Anleihen schließlich etwa 25% günstiger bewertet sind als vor der Krise. Im Bereich Hartwährungsanleihen erscheinen High Yields zur Diversifikation und wegen ihres Zinsvorsprungs und Investment-Grade-Titel wegen eines möglichen Spread-Rückgangs interessant. Die Emerging-Market-Währungen haben deutlich abgewertet und seitdem etwa die Hälfte ihrer Verluste wieder wettgemacht. Es kann zwar kurzfristig nicht mit einer größeren Aufwertung gerechnet werden, jedoch sind erneute starke Abwertungen eher unwahrscheinlich. Bei einigen Lokalwährungsanleihen kam es nicht zu einem ausgeprägten Ausverkauf, bei anderen hingegen schon, aber sie haben sich dann stark erholt. Interessant ist, dass die Zinsstrukturkurven der meisten Schwellenländer wesentlich steiler geworden sind, wegen der unsicheren Wirtschaftslage, der unklaren Inflationserwartungen und der niedrigeren Wechselkurse. Interessant können Langläufer in Ländern mit steilen Zinsstrukturkurven sein, allerdings ohne insgesamt übergewichtet zu sein aufgrund drohender Inflationsrisiken.