Emerging Markets und Nachhaltigkeit sind vereinbar

Corporate Bonds aus Schwellenländern bieten nachhaltige Anlagechancen

Emerging Markets und Nachhaltigkeit sind vereinbar

Stephan HirschbrichLeiter Rates Union InvestmentIngo SpeichLeiter Nachhaltigkeit und Engagement, Union InvestmentUnternehmensanleihen aus den Emerging Markets und Nachhaltigkeit bilden auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Kombination. Schließlich sind Schwellenländer-Bonds kein klassisches Nachhaltigkeitsthema. Aber nichtsdestotrotz gibt es immer mehr Unternehmen in den aufstrebenden Volkswirtschaften, die entsprechende Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und damit Investorenwünschen entsprechen. Schließlich setzen fast zwei Drittel der institutionellen Anleger in Europa bei der Portfoliozusammenstellung auch auf Nachhaltigkeitsaspekte, wie aus einer Studie von Union Investment hervorgeht. Gleichzeitig liefern Emerging Markets jene Zusatzrenditen, die in anderen Regionen schon länger nicht mehr erzielbar sind und auf die institutionelle Investoren wie Pensionskassen und Stiftungen angewiesen sind. Ziel eines solchen Anleihe­investments mit Nachhaltigkeitsfilter ist es, Investoren ein vergleichsweise volatilitätsarmes Investment in Emerging-Markets-Bonds zu ermöglichen.Allerdings standen Emerging-Markets-Anleihen in den letzten Jahren nicht gerade in der Gunst der Investoren. Dafür gab es eine Reihe von Ursachen wie die Abschwächung der Rohstoffpreise, unter der insbesondere rohstoffexportierende Regionen wie Lateinamerika und Afrika gelitten haben. Hinzu kamen politische Verwerfungen und Sorgen über das künftige Wachstum in China. Doch das Bild hat sich gewandelt – aus gutem Grund, denn viele der Unternehmen haben inzwischen ihre Hausaufgaben gemacht. So konnten in Hartwährungen denominierte Emerging-Markets-Unternehmensanleihen in den ersten drei Quartalen 2016 sogar um rund 9 % zulegen.Die lockere Geldpolitik der Notenbanken hat die Nachfrage nach auskömmlichen Renditen und damit nach Schwellenländerinvestments verstärkt. Für Unternehmensanleihen aus Schwellenländern spricht dabei insbesondere ihre vergleichsweise geringere Schwankungsanfälligkeit aufgrund ihrer im Vergleich zu Staatsanleihen kürzeren Duration. Darüber hinaus profitiert die Anlageklasse von einer abnehmenden Neuemissionstätigkeit: Seit dem Rekordjahr 2014 gehen die Aktivitäten am Primärmarkt kontinuierlich zurück. Dies ist neben dem teils hektischen Börsenumfeld darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen bereits über eine gute Kapitalausstattung verfügen. Zudem setzen die Firmen wieder stärker auf Emissionen und Kredite in Lokalwährung. Diese hatten in den vergangenen Monaten teils deutlich aufgewertet. Zunehmend dominiert wird der Markt inzwischen von asiatischen Unternehmen. Rund 60 % der Neu­emissionen kommen aus Asien. China liegt dabei an erster Stelle. In China und Indien lassen sich qualitativ gute Unternehmen mit moderater Verschuldung, kurzer Duration der Papiere sowie durchschnittlichen Renditen von 2,5 bis 3 % finden. Daneben stehen aber auch Emittenten aus Brasilien, Russland oder dem Nahen Osten im Fokus. Am besten abgeschnitten haben im Jahr 2016 bislang Unternehmen aus den Regionen Lateinamerika und Afrika, deren Risikoaufschläge seit Anfang Januar um jeweils rund 150 Basispunkte zurückgegangen sind. Durch die im Januar zunächst deutlich zurückgegangenen Rohstoffnotierungen kamen insbesondere Unternehmen aus der Öl- und Gasbranche sowie der Metall- und Bergbaubranche stark unter Druck. Im Zuge der folgenden Preisrally beim Öl und auch bei Edel- und Industriemetallen verzeichneten allerdings gerade diese Firmen erhebliche Spread-Einengungen, womit sie im Jahresverlauf 2016 bisher zu den Gewinnern zählen. Manche Emittenten wie der halbstaatliche brasilianische Mineralölkonzern Petrobras nutzten diese Marktphase auch für teils länger aufgeschobene Neuemissionen. Profitieren können Anleger mit einem Investment in Corporate Bonds aus Schwellenländern auch von einer attraktiven Bewertung. Aufgrund negativer Schlagzeilen und Fehlentwicklungen in der Vergangenheit sind die Papiere vergleichsweise günstig. Und dies, obwohl die Fundamentaldaten häufig deutlich positiver aussehen, als es die Preise vermuten ließen. Die Verschuldung ist bei vielen Unternehmen aus den Emerging Markets inzwischen oft niedriger als bei ihren Pendants aus der entwickelten Welt. Auch sind die Ausfallraten in den Schwellenländern nicht höher als in den Industrieländern. Schließlich expandieren viele Unternehmen aus den aufstrebenden Volkswirtschaften und sind häufig weltweit aktiv. Dadurch verringern sie die Abhängigkeit von ihren volatileren Heimatmärkten und erwirtschaften gleichzeitig Umsätze in US-Dollar oder Euro, die wiederum wichtig sind, um die in diesen Währungen emittierten Anleihen bedienen zu können.Das Rating – vermeintlich das größte Risiko der Assetklasse – spiegelt die fundamentale Stärke vieler Unternehmen nur unzureichend wider. Es orientiert sich nämlich überwiegend an der Kreditwürdigkeit des Landes, in dem das Unternehmen beheimatet ist. Verliert der Staat seine Inve­stment-Grade-Bewertung, kann man fast mit Sicherheit davon ausgehen, dass auch die entsprechenden Firmen herabgestuft werden. Und das, obwohl sich ihre fundamentale Situation nicht oder nur marginal verändert hat. So gibt es beispielsweise in Russland oder Brasilien trotz der insgesamt guten Entwicklung der Unternehmen kaum noch Emittenten mit Investment-Grade-Rating. Diese Rating-Praxis führt dazu, dass sich auch im High-Yield-Bereich interessante Anlagechancen mit überschaubarem Risiko bieten.Um die verschiedenen Einflussfaktoren korrekt bewerten zu können, ist eine umfassende Analyse entscheidend. Neben einem mehrstufigen Research-Prozess bietet eine Analyse unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten einen signifikanten Mehrwert. Ein solcher Analyseansatz sorgt dafür, dass das Portfolio durch die Untergewichtung von bestimmten Regionen oder Branchen wie dem Rohstoffsektor defensiver ausgerichtet wird. Für die Nachhaltigkeitsanalyse der Anleiheemittenten bietet sich eine Reihe zentraler Kriterien an. Hierfür eignen sich zum Beispiel die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Hinzu kommen Fragen, inwieweit die Unternehmen relevante Umsätze mit Geschäftsfeldern wie Waffen- und Rüstungsgütern, Glücksspiel, Tabak- oder Alkoholproduktion erzielen. Rund ein Drittel der Unternehmen weist anhand der gewählten Krite­rien zu große Ereignis-, Reputations-, Regulierungs- oder Klagerisiken auf und kommt daher nicht für auf Nachhaltigkeit fokussierte Fonds in Frage. Stattdessen werden zum Beispiel vermehrt zur Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten aufgelegte Green Bonds in die Portfolios aufgenommen. Im Gegenzug kommen Papiere nicht in Frage, die zu hohe Korruptionswerte aufweisen. Letzteres ist derzeit zum Beispiel bei Anleihen des staatlichen mexikanischen Ölkonzerns Pemex der Fall. Ergänzend zu diesen allgemeinen Kriterien können Investoren den Analysefilter natürlich individuell erweitern. Bestimmte Geschäftsmodelle, Sektoren oder ganze Regionen können ausgeschlossen oder auch bestimmte Risiken aktiv eingegangen werden, womit das Investment ein individuelles Risikoprofil erhält.Langfristig bietet die Anlageklasse der Emerging-Markets-Unternehmensanleihen sehr gute Ertragschancen, zumal viele Investoren in Schwellenländern bislang noch in sehr geringem Maße engagiert sind. Entscheidend ist jedoch die ­Titelauswahl, bei der die zusätzliche Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien unter Risikogesichtspunkten einen wichtigen Mehrwert liefert. Schließlich haben gerade in Schwellenländern viele Unternehmen einen zweifelhaften Ruf, weil sie ökologische, soziale und Corporate-Governance-Kriterien (ESG) nicht ausreichend beachten. Gleichzeitig ist absehbar, dass die Nachhaltigkeitsthematik in stark wachsenden Volkswirtschaften wie den Emerging Markets eine immer größere Rolle spielen wird.