EXCHANGE TRADED FUNDS

Ende der Durststrecke an den Emerging Markets

2016 ist bislang ein echtes Erfolgsjahr für Aktien und Anleihen. Analysten sehen noch Chancen für Schwellenländer-ETF.

Ende der Durststrecke an den Emerging Markets

Von Anna-Maria BorseKaum jemand hatte es für dieses Jahr auf dem Schirm: das Comeback der Schwellenländer. Der MSCI Emerging Markets Index ist seit seinem Tief im Januar, als er auf den niedrigsten Stand seit 2009 gefallen war, um 32 % gestiegen. Einzelne Märkte sind sogar noch viel besser gelaufen: So ist der brasilianische Aktienindex Bovespa – in Euro gerechnet – im ersten Halbjahr um 43 % nach oben geklettert. Damit war er weltweit Top-Performer unter den großen Börsen. Doch nicht nur die Aktienmärkte boomen: Auch Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern kommen seit Jahresanfang auf kräftige Gewinne.ETF-Anleger sind längst auf den Zug aufgesprungen und haben bei Emerging-Markets-ETF zugegriffen. Laut ETF-Marktbericht der Deutschen Asset Management sind die Zuflüsse in Emerging-Markets-Aktien-ETF in Europa von Januar bis Juli um 15,6 % oder 3,5 Mrd. Euro gestiegen. Getrieben war dies vor allem durch Zuflüsse in breit aufgestellte lateinamerikanische Aktien-ETF. Auch Bonds gefragtDen Trend zurück in Emerging-Markets-Indexfonds bestätigt auch Heike Fürpaß-Peter, Head of Public Distribution ETFs Germany & Austria von Lyxor Asset Management. “Wir beobachten deutliche Nettozuflüsse in Emerging-Markets-Aktien-ETF, breit aufgestellt oder mit regionalem Schwerpunkt, aber auch in Anleihen-ETF aus Schwellenländern.” Dag Rodewald sieht das ebenso: “Wir stellen definitiv ein gestiegenes Interesse an Emerging-Markets-ETF fest, es gibt starke Zuflüsse in praktisch alle Produkte”, erklärt der Leiter UBS ETF Deutschland & Österreich.In den synthetisch replizierenden UBS MSCI Emerging Markets ETF – mittlerweile der größte ETF der UBS überhaupt – seien in diesem Jahr rund 550 Mill. US-Dollar geflossen, in das physisch replizierende Pendant 135 Mill. US-Dollar. Sehr populär ist Rodewald zufolge darüber hinaus inzwischen auch die sozial verantwortliche Geldanlage (SRI) in Schwellenländern: Der ETF auf den Nachhaltigkeitsindex MSCI SRI Emerging Markets weist nach deutlichen Mittelzuflüssen in diesem Jahr nun ein Volumen von 190 Mill. US-Dollar auf. “Das neu erwachte Interesse der Anleger an Schwellenländern ist allerdings nicht auf die Aktienmärkte beschränkt”, bemerkt auch Rodewald. Im Anfang dieses Jahres aufgelegten UBS Barclays USD Emerging Markets Sovereign ETF, der Zugang zu Staatsanleihen aus Schwellenländern bietet, spürt die Bank ebenfalls eine steigende Nachfrage. Für die Rückkehr der Emerging-Markets-Anlagen gibt es mehrere Gründe: Die Rohstoffpreise sind zum Teil kräftig gestiegen, wie bei Öl, Gold und Silber, Nickel und Zink, zum Teil zumindest nicht mehr gefallen wie bei Kupfer. Der zweite Punkt: die zögerliche Geldpolitik der US-Notenbank. Die Ende vergangenen Jahres für 2016 erwarteten Zinserhöhungen wurden immer wieder verschoben. Das verschafft den stark in US-Dollar verschuldeten Schwellenländern Luft. Zum Dritten gibt es in einigen Ländern Hoffnung auf echte Reformen, allen voran Brasilien. Ende August wurde Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff nach einem monatelangen Machtkampf endgültig ihres Amtes enthoben. Neuer Staatschef ist jetzt der als wirtschaftsfreundlicher geltende Michel Temer, schon seit Mitte Mai Interimspräsident. Auch die Lage in China ist besser als Anfang des Jahres befürchtet. Im Vorjahresvergleich stieg das chinesische BIP im zweiten Quartal um 6,7 %, zumindest den offiziellen Zahlen zufolge. Der jüngste Schub kam aus Europa: Anleger gehen davon aus, dass der Brexit eher die Industrieländer belasten wird als die Schwellenländer. Viele Aktien-, wenige Anleihe-ETFWer über ETF in Emerging-Markets-Aktien oder -Anleihen investieren will, hat mittlerweile eine große Auswahl: An der Börse Frankfurt sind aktuell 53 Aktien-ETF gelistet, die sich auf die Emerging Markets als Ganzes oder einzelne Regionen wie Asien oder Lateinamerika beziehen, dazu kommen noch zahlreiche Indexfonds, die einzelne Länder abbilden. Dünner ist das Angebot an Anleihen-ETF, hier werden aktuell 13 Produkte gehandelt. Was Aktien-Indexfonds angeht, ist das Gros der ETF an den MSCI Emerging Markets Index gekoppelt, mit Abstand wichtigster Index für die Schwellenländer. Der zeichnet die Entwicklung von Aktien großer und mittelgroßer Unternehmen aus 23 Ländern nach, derzeit sind es 836 Adressen, die dem Indexanbieter MSCI zufolge 85 % der Marktkapitalisierung (Free Float) in den entsprechenden Ländern ausmachen. Per Ende Juni waren IT-Unternehmen mit 22,5 % und Telekomunternehmen mit 6,7 % gewichtet, der Energiesektor kam auf 7,5 %. Schwergewichte unter den Unternehmen waren der chinesische Internetriese Tencent, Samsung aus Korea, Taiwan Semiconductor, Chinas Internetunternehmen Alibaba und China Mobile.Abgesehen davon gibt es Emerging-Markets-Aktien-ETF in US-Dollar oder Euro, als ausschüttende und thesaurierende Version, vollreplizierend oder synthetisch. Auch eine Reihe besonderer ETF sind im Angebot: solche, die nur Emerging-Markets-Small-Caps oder bestimmte Branchen wie Infrastruktur, Versorger, Konsumgüter oder Banken abbilden, solche mit Dividendenstrategien, Minimum-Variance- und alternativen Gewichtungskonzepten (RAFI) sowie Short- und gehebelte ETF. Bei Anleihen-ETF beziehen sich alle auf die Emerging Markets als Ganzes, allerdings mit sehr unterschiedlichen Indizes, etwa mit dem J.P. Morgan Emerging Markets Bond Index, dem iBoxx Liquid Emerging Markets Sovereigns oder dem Barclays USD Emerging Markets Sovereign. Es gibt ETF in Hartwährungen, aber auch in lokalen Währungen, manche sind währungsgesichert oder inflationsgeschützt. Staatsanleihen dominieren, manche ETF beziehen sich aber auch auf Unternehmensanleihen. Bei der UBS sieht man definitiv noch weiteres Potenzial für die Emerging Markets. “Die Empfehlung des CIO-Office von UBS ­Wealth Management lautet weiterhin ‚Übergewichten'”, berichtet Rodewald. Auch die Research-Analysten der Lyxor-Mutter Société Générale gehen noch von guten Aussichten für den Markt aus. “Es spricht einiges für weitere Kursgewinne, etwa der ‚sanftere’ geldpolitische Kurs in den USA, die gestiegenen Rohstoffpreise sowie politische und ökonomische Reformen in vielen Ländern”, erklärt Fürpaß-Peter. Favorisiert werden Länder, die auf Reformen gesetzt haben, etwa die Philippinen, Indonesien und Brasilien, weniger solche mit hohem Schuldenstand wie Thailand, Malaysia und auch China. Noch mehr Chancen als in den Emerging-Markets-Aktienmärkten gibt es den Société-Générale-Analysten zufolge derzeit bei Emerging-Markets-Anleihen. “Das realisieren immer mehr Anleger”, stellt Fürpaß-Peter fest: “Von den 20,9 Mrd. Euro, die im ersten Halbjahr in Europa den Anleihen-ETF insgesamt zuflossen, ging schon mehr als ein Fünftel in Staatsanleihen der Schwellenländer.” Breit diversifizieren”Zurzeit rentieren Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen im Durchschnitt mit rund 5 %. Das ist ein Risikoaufschlag von 340 bis 350 Basispunkten auf US-Staatsanleihen”, erklärt Robert Reichle, Manager des Publikumsfonds Berenberg Emerging Markets Bond Selection. Auch er macht noch Potenzial aus: “Auslöser hierfür kann eine Verbesserung der globalen Wirtschaftslage sein. Wenn die Zinsen in den USA langsam steigen, spricht das für eine fundamentale Erholung, die sich auch positiv in den Emerging Markets widerspiegeln sollte und mittelfristig zu einer Aufwertung der Kreditwürdigkeit der Länder führen könnte.” Das größte Risiko für die Asset-Klasse liegt dem Fondsmanager zufolge im aktuellen Erfolg der Anleihen: “Investoren könnten Gewinne mitnehmen, vor allem wenn kurzfristig die Volatilität und die Risikoaversion ansteigen.” Ohnehin sollte nicht vergessen werden: Grundsätzlich sind die Risiken in Schwellenländern aufgrund der höheren Kursschwankungen größer als in Industrieländern. “Gerade deshalb bietet sich ein breit diversifiziertes Investment an”, meint Rodewald. Laut Fürpaß-Peter sollten Investoren Emerging-Markets-Anlagen wegen der höheren Risiken nur als Beimischung nutzen und breit streuen.—– 43 Prozentlegt Brasilien in der ersten Häfte zu. Nicht nur, dass die Selecao, die brasilianische Fußball-Nationalmannschaft, das bei der WM 2014 erlittene 1:7 gegen Deutschland wieder gutgemacht hat und gegen Deutschland im Elfmeterschießen den Olympiasieg errungen hat. Auch der brasilianische Aktienmarkt ist trotz politischer Querelen wieder gefragt. Im ersten Halbjahr 2016 legte der brasilianische Leitindex Bovespa,in Euro gerechnet, um satte 43 % zu.