LEITARTIKEL

Ende der Gemütlichkeit

Der Markt für US-Aktien schwebt auf Rekordniveau. Auch andere Assetklassen haben sich gut entwickelt. Zudem scheint die US-Wirtschaft - eine Delle aus dem Fiskalstreit einmal ausgenommen - ihre Erholung fortzusetzen. Wer daraus ableitet, dass das...

Ende der Gemütlichkeit

Der Markt für US-Aktien schwebt auf Rekordniveau. Auch andere Assetklassen haben sich gut entwickelt. Zudem scheint die US-Wirtschaft – eine Delle aus dem Fiskalstreit einmal ausgenommen – ihre Erholung fortzusetzen. Wer daraus ableitet, dass das Geschäft der nordamerikanischen Banken brummt wie lange nicht, täuscht sich indes. Die jüngsten Quartalsberichte zeigen, dass die Ertragsentwicklung unsicherer denn je ist. Im Schnitt haben die zehn größten US-Banken in den Monaten Juli bis September über 4 % weniger an Nettoerträgen eingefahren. Mehrere Geschäftsfelder schwächeln, und wie der jüngste milliardenschwere Vergleich von J. P. Morgan Chase zeigt, sind auch die juristischen Probleme nicht ausgestanden.Zunächst zum Kerngeschäft: Welche Schwachstellen tun sich hier auf? In erster Linie ist da das rasant abfallende Neugeschäft mit Häuserkrediten. Nachdem der Motor der Vergabe privater Häuserkredite erst 2012 wieder so richtig angeworfen worden ist, scheint er 2013 von steigenden Zinsen schon wieder abgewürgt worden zu sein. J. P. Morgan Chase, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo berichten allesamt über rückläufige Erträge im Hypothekengeschäft. Eine Trendumkehr wird offenbar nicht erwartet. Im Gegenteil: Die Personaldecke wird bei vielen Banken offenbar in Erwartung weiterer Rückgänge bereits ausgedünnt. So teilte Wells Fargo in der vergangenen Woche mit, die Bank werde sich von fast 1 000 weiteren Mitarbeitern der Sparte trennen. Die ab Juli angekündigte Entlassungswelle betrifft damit bereits über 6 000 Angestellte des größten US-Häuserkreditvermittlers. Bank of America kündigte im August an, in mehreren Regionen rund 1 700 Mitarbeiter der Hypothekensparte vor die Tür zu setzen.Während den vier Großbanken genug Alternativen zur Verfügung stehen, um den Absturz der Einnahmen aus Hypothekenkrediten zumindest teilweise zu kompensieren – etwa das Kreditkartengeschäft -, wird die Lage für viele kleinere Anbieter komplizierter. Bei US Bancorp etwa ist das Hypothekengeschäft um mehr als ein Drittel eingebrochen. Zieht man nur die Erträge des neuen Geschäfts heran, brachen sogar mehr als 60 % weg. Auch andere Banken wie PNC oder M&T berichten über mittlere prozentual zweistellige Rückgänge. Oftmals erklärt die Schwäche der Hypothekensparte mehr als drei Viertel des Ertragsrückgangs. Veteranen in dem Geschäft stellen in US-Medien bereits Panik in der Branche fest. Die Gefahr steige, dass einige Kreditinstitute wenige Jahre nach der Finanzkrise schon wieder bereit seien, hochriskante Kredite zu vergeben. Ein Ertragstreiber der vergangenen Quartale – die stetige Verbesserung der Kreditqualität – gerät damit in Gefahr. Insgesamt wird im laufenden Turnus von der Mortgage Bankers Association wegen steigender Zinsen und weitgehend stagnierender US-Haushaltseinkommen ein Rückgang der vergebenen Häuserkredite um gut 8 % gefürchtet.Doch auch Institute, für die andere Geschäfte wichtiger sind, haben Probleme auf der Ertragsseite. Der Absturz des Volumens im Anleihehandel hat die Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley mit Rückgängen von 44 % bzw. 43 % stärker getroffen als viele Wettbewerber. Zwar hat Morgan Stanley letztlich dank starker Vermögensverwaltungserträge und wegen des in Relation zum Rivalen kleineren Bondhandels zugelegt. Die Bank profitierte bei der Ergebnisverbesserung aber von Sondereffekten wie einer einmaligen Steuerentlastung sowie einem Beteiligungsverkauf. Nachhaltig ist beides nicht.Das nach wie vor größte Risiko liegt für viele US-Banken indes nicht im Kerngeschäft, sondern in anstehenden oder sich anbahnenden Rechtsstreits. In einem zivilrechtlichen Vergleich hat J. P. Morgan Chase nun der Zahlung von 13 Mrd. Dollar zugestimmt – gut 10 Mrd. Dollar mehr, als die Bank US-Justizminister Eric Holder zunächst angeboten haben soll. Dieser will den Vergleich nun als Modell für anstehende Einigungen mit anderen Banken heranziehen. Vor allem Bank of America dürfte nervös werden. Die zweitgrößte US-Bank nach Bilanzsumme hat sich mit Holder im Streit um Hypothekenverbriefungen noch nicht geeinigt. Als noch größerem Anbieter von Hypothekenverbriefungen vor der Finanzkrise droht der Bank damit ebenfalls eine zweistellige Milliardenstrafe. Ein Dutzend weiterer Banken hat Holder zudem ebenfalls im Visier. Auch ohne dieses zusätzliche Risiko scheinen die Zeiten bequemer Ertrags- und Ergebnisausweitung in der US-Bankenlandschaft aber vorerst vorbei zu sein. Investoren sollten sich auch in den nächsten Perioden auf ein moderates Wachstum mit einem realen Risiko größerer Rückschläge gefasst machen.——–Von Sebastian SchmidAnalysten führen die US-Banken oft noch auf ihren Empfehlungslisten. Doch es mehren sich die Anzeichen dafür, dass das Umfeld schwieriger wird.——-