LEITARTIKEL

Ende eines Geschäftsmodells

Ist die Commerzbank noch zu retten? Sucht man die Antwort zunächst im Aktienkurs, der am Montag bis auf ein Rekordtief von 5,02 Euro taumelte, lautet sie eindeutig "Nein". Geht der Kursverfall so dramatisch weiter wie in den vergangenen zwei Wochen,...

Ende eines Geschäftsmodells

Ist die Commerzbank noch zu retten? Sucht man die Antwort zunächst im Aktienkurs, der am Montag bis auf ein Rekordtief von 5,02 Euro taumelte, lautet sie eindeutig “Nein”. Geht der Kursverfall so dramatisch weiter wie in den vergangenen zwei Wochen, müssen die Gelben bald wieder an eine Aktienzusammenlegung denken. Für schlappe 6,3 Mrd. Euro wäre die ganze Bank mit konzernweit mehr als 18 Millionen Privat- und Unternehmerkunden und über 70 000 Firmenkunden heute zu haben. Vorschusslorbeer für das Ergebnis des laufenden Strategieprozesses sähe anders aus.Legt man die Performance der Bank – nicht der Aktie – im ersten Halbjahr zugrunde, fühlt es sich spontan an, als werde das Haus unter Wert gehandelt. Okay, Bankchef Martin Zielke und Finanzvorstand Stephan Engels haben bei Vorlage des Zwischenberichts das Erreichen des Gewinnziels für 2019 – “leichter Anstieg des Konzernüberschusses” bei höheren bereinigten Erträgen – relativiert. Die Vorgabe sei angesichts des widrigen Umfelds nun “deutlich ambitionierter”. Auch wollte Engels sein Empfinden angesichts des operativen Ergebnisses des Firmenkundengeschäfts von 22 Mill. Euro im zweiten Quartal nicht verhehlen: “enttäuschend”. Drittes Beispiel: Die Digitalisierungsquote lag mit 64 % sogar noch leicht unter dem Wert, der schon Ende 2018 erreicht sein sollte. Wahr ist aber auch: Die Commerzbank grast den Markt weiter mit messbarem Erfolg nach neuen Kunden ab. So liegt sie mit netto 11 400 neuen Firmenkunden seit Anfang 2016 bereits weit über dem Ziel für 2020. Das Gleiche gilt für die Assets under Control auf der Privatkundenseite. Und – auch hier ein drittes Beispiel – die Abbaueinheit Asset & Capital Recovery konnte das Institut nach gelungener Portfoliobereinigung bis auf einen Rest von 4,5 Mrd. Euro auflösen; die Schiffskredite bewegen sich in Richtung null. Zieht man einen Strich unter Rückschläge und Fortschritte, erscheint die Gesamtbilanz durchaus nicht desaströs.Und dennoch scheint Deutschlands zweitgrößte Geschäftsbank in der Falle zu sitzen. Der 2016 proklamierte Wandel von der Bank zum Technologieunternehmen ist vom Ansatz her richtig, verläuft aber mühsamer als gedacht, worauf auch die vielen IT-Pannen hindeuten. Ganz generell hat die Noch-Bank nicht die Zeit, die sie bräuchte, um sich neu zu erfinden und gleichzeitig ihre ehrgeizige Wachstumsstrategie nachhaltig ertragbringend umzusetzen. Der Markt lässt ihr diese Zeit nicht, wie das Trauerspiel des MDax-Wertes an der Börse belegt. Die Politik lässt sie ihr nicht, sonst würde der Bund nicht mitten im Strategieprozess mit der Ausschreibung eines Prüfungsmandats für seine 16-prozentige Beteiligung dazwischenfunken. CEO Zielke selbst lässt sich und der Bank auch keine Zeit, wie sonst hätte er sein Heil in einer Fusion mit der Deutschen Bank gesucht, um der Mannschaft jetzt erklären zu müssen, wie toll ein Alleingang ist?Vor allem aber gewährt die EZB der Commerzbank und mit ihr dem ganzen Gewerbe keine Atempause. Im Gegenteil: Der Paradigmenwechsel von der Zinswende zur Perpetuierung oder gar weiteren Verschärfung der paradoxen Geldpolitik erhöht den Druck noch einmal entscheidend. Wenn Regulierung die Kosten treibt, die Digitalisierung das Spiel grundlegend verändert, Anleihekäufe im Billionenumfang den Markt verzerren und Negativzinsen dauerhaft und zunehmend Erträge wegbrechen lassen, werden Banken zur aussterbenden Art – noch bevor der Risikovorsorgebedarf mit einer konjunkturellen Abschwächung auf ein Maß steigt, das früher als absolut unverdächtig galt. Das bedeutet: Hier wird gnadenlos und ohne demokratische Kontrolle Strukturpolitik durch eine Notenbank betrieben, die zugleich Bankenaufsicht ist.In einem solchen Umfeld würde der Commerzbank und anderen der größte strategische Wurf nicht helfen. Was sollte das denn sein? Eine säulenübergreifende Fusion? Paneuropäische Konsolidierung? Träumt weiter! Das traditionelle Geschäftsmodell Bank kommt an sein Ende. In so ein Modell investiert man besser nicht. Deshalb will auch niemand die Bank an der Seite der Commerzbank sein. Und warum auch? Um den Kahlschlag zu vollstrecken, den diese Bank (wie andere deutsche Banken und Sparkassen) bisher aus verständlichen Gründen gescheut hat? Den schmutzigen Job muss sie schon selbst erledigen. Das dürfte denn auch der Kern der Strategie sein, die das Haus im Herbst verkünden wird. Es ist eine Strategie des Abbruchs, mitnichten eine des Aufbruchs. Insofern ist die Commerzbank – doch beileibe nicht nur sie – in der Tat kaum noch zu retten. ——Von Bernd WittkowskiDer Markt, die Politik und die EZB lassen der Commerzbank nicht die Zeit, die sie bräuchte, um sich neu zu erfinden und ertragbringend zu wachsen. ——