Energie schiebt M&A-Markt an
Von Walther Becker, FrankfurtZwei aufsehenerregende Transaktionen prägen den Jahresauftakt am deutschen M&A-Markt: die Neuordnung des Energiemarktes zwischen Eon und RWE und der spektakuläre Einstieg des chinesischen Milliardärs Li Shufu bei Daimler. Diese Deals bringen es in der Darstellung von Thomson Reuters auf 42,2 Mrd. bzw. 8,9 Mrd. Dollar. Die Investmentbank Rothschild rückt mit der Beratung von zwölf Übernahmen – an der Spitze RWE sowie die Platzierung von Puma-Aktien durch die französische Kering – auf Platz 1 in den League Tables der ersten drei Monate. Dies haben die Datendienstleister Dealogic und Thomson Reuters errechnet. Weltweit hat das M&A-Volumen die Marke von 1 Bill. Dollar durchstoßen – das früheste Datum bisher in einem Jahr. Zu den größten Deals zählen die 67 Mrd. Dollar, die der US-Versicherer für die Pharmakette Express Scripts zu zahlen bereit ist, Innogy und die Offerte von Comcast für die europäische Mediengruppe Sky für 31 Mrd. Dollar. Der Markt liegt laut Dealogic um 50 % über dem Niveau von 2017 und übertrifft den des Boomjahres 2007 um bisher 12 %. Global ist J.P. Morgan vor Goldman Sachs und Morgan Stanley bei den Investment-Banking-Einnahmen spitze, in Europa J.P. Morgan, Goldman und Citi und hierzulande Deutsche Bank, J.P. Morgan und Goldman. Falsches Bild?Mit der Beratung in zwölf Transaktionen für zusammen 47,6 Mrd. Dollar ist Rothschild 2018 bisher der führende Berater bei Deals mit deutscher Beteiligung und rückt damit um zwei Plätze vor. Citi und BNP Paribas folgen auf den Plätzen 2 und 3. Eon setzt auf die französische Großbank sowie Perella Weinberg, RWE auf Citi, und Bank of America Merrill Lynch. “Die Thomson-Reuters-Zahlen bilden nicht die starke Marktposition der Deutschen Bank vor allem in ihrem Heimatmarkt Deutschland ab”, heißt es aus den Zwillingstürmen in Frankfurt. Die “Blauen” rangieren bei beiden Datendienstleistern nicht mal unter den Top 10. Nach eigener Berechnung dürfte die Deutsche auf Platz 4 liegen. Da sich Innogy auch von ihr und Goldman Sachs (vgl. BZ vom 13. März) begleiten lässt, was in den Angaben der Datendienstleister bisher nicht enthalten ist, dürften beide in der Schlussabrechnung zum Quartal am M&A-Markt deutlich aufrücken. Ähnlich war der Fall mit Goldman Sachs in Bezug auf den das Vorjahr prägenden Megadeal Hochtief/Albertis gelagert.Bei dem mehrstufigen Einstieg von Li Shufu bei Daimler – zunächst eine kombinierte Position aus Aktien und Derivaten, dann ein Aktienpaketkauf – sollen Morgan Stanley und Bank of America Merrill Lynch beraten haben. In den Rennlisten tauchen ihre Namen an dieser Stelle nicht auf. “Die protektionistischen Tendenzen erschweren zunehmend länderübergreifende M&A-Aktivitäten. In den USA gewinnt in diesem Zusammenhang vor allem das Thema CIFIUS an Bedeutung”, beobachtet Birger Berendes, Leiter M&A im deutschsprachigen Raum der Bank of America Merrill Lynch. Und es gebe den klaren Trend zu großen, komplexeren Transaktionen, die auch ganze Sektoren neu strukturierten. Dafür müsse “auf der gesamten Corporate-Finance-Klaviatur” gespielt werden. Umbau wird honoriertDeutsche Unternehmen haben in den vergangenen Jahren laut Kai Tschöke, einem der Geschäftsführer von Rothschild in Deutschland, “eine bemerkenswerte Nachdrücklichkeit bei der Umstrukturierung und Anpassung an neue Marktanforderungen an den Tag gelegt”. Er macht “noch weiteres Potenzial in diese Richtung” aus. Alexander Mayer, Partner im Investment Banking von Goldman Sachs, rechnet damit, dass die Trends von 2017 auch dieses Jahr das Bild bestimmen: “Portfoliovereinfachung wird ein wesentlicher Treiber von M&A in Europa und auch in Deutschland.” Der Kapitalmarkt honoriere Einfachheit, Bewertungsabschläge auf Konglomerate würden aufgelöst. So ließen sich auch Einfallstore für Aktivisten schließen.Gleichzeitig erweist sich, dass große, grenzüberschreitende Transaktionen immer mehr Zeit in Anspruch nehmen, und die Regulierer vor allem in den USA legen die Hürden immer höher. So ist die bisher schwerste Technologieübernahme von Donald Trump torpediert worden. Der US-Präsident untersagte das 117 Mrd. Dollar schwere Gebot des Chipkonzerns Broadcom für Qualcomm. Der Deal könne der nationalen Sicherheit der USA schaden, erklärte Trump, der damit Empfehlungen des Komitees für ausländische Investitionen (CFIUS) folgte. Der Vorteil des US-Marktes, dass dort zum richtigen Preis nahezu alles zu kaufen ist, geht mit wachsendem Protektionismus und Regulierung zunehmend verloren.In Deutschland zieht sich die Übernahme des US-Konzerns Monsanto durch Bayer hin, die schon am 23. Mai 2016 offiziell bekannt gegeben worden war. Ebenso hängt die Fusion der Industriegasehersteller Linde und Praxair – im Kern eine Übernahme des Dax-Konzerns – in den Seilen. Der zweite Anlauf für das 40-Mrd.-Euro-Ding war am 20. Dezember 2016 verkündet worden. Brüssel hat zwar die Bayer-Pläne durchgewinkt, nimmt sich aber für Linde mehr Zeit. Dabei muss der Deal bis 24. Oktober aufsichtsrechtlich in trockenen Tüchern sein.