SERIE: KUNST IN UNTERNEHMEN - IM INTERVIEW: THOMAS LANGE, NATIONAL-BANK

"Engagement konsequent miteinander verzahnen"

Der Vorstandschef der Essener Regionalbank berichtet über das Zusammenspiel der kulturellen und gesellschaftlichen Förderung

"Engagement konsequent miteinander verzahnen"

Die Essener National-Bank hat ein klar umrissenes Sammlungskonzept, das sich ausschließlich auf Absolventen und Professoren der Düsseldorfer Kunstakademie bezieht. Dies berichtet Thomas Lange, Vorstandsvorsitzender des Instituts, im Interview der Börsen-Zeitung.- Herr Dr. Lange, wie treffen Sie die Entscheidung, ein Kunstwerk zu kaufen?Investitionsentscheidungen unserer National-Bank werden grundsätzlich gemeinsam vom Vorstand getroffen. Deshalb wird sowohl unsere Kunstsammlung als auch unser kulturelles und gesellschaftliches Engagement von allen Vorstandsmitgliedern gleichermaßen getragen und gelebt. Die Auswahl der Werke treffe ich allerdings überwiegend allein. Das geschieht nicht aus Gründen der Allmächtigkeit, sondern weil wir ein klar festgelegtes Sammlungskonzept haben, das sich auf Schüler und Lehrer der Düsseldorfer Kunstakademie bezieht. Vor diesem Hintergrund kann ich einschätzen, in welchem Umfeld ich mich bewegen darf: Ich kenne die Sammlung in ihren Grundstrukturen und Ausprägungen, sodass ich weiß, in welchem Bereich wir möglicherweise Ergänzungen vornehmen müssen oder angesichts aktueller Marktentwicklungen den einen oder anderen Austausch vornehmen sollten.- Sind es finanzielle Überlegungen?Ja, selbstverständlich auch. Jede Investitionsentscheidung beinhaltet finanzielle Erwägungen. Es gilt gerade für uns in der National-Bank, denn wir sind keine Gutsherren, sondern Gutsverwalter. Insofern haben wir im Interesse unserer Eigentümer und unserer Kunden Maß zu halten. Zudem achten wir darauf, nicht nur Werke arrivierter Künstler zu erwerben, sondern auch Arbeiten potenzialstarker Absolventen der Düsseldorfer Akademie. Das hat zwei Vorteile: Einerseits können wir die Budgets der Bank entsprechend den wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen absenken, ohne eine Verminderung bei der Qualität unserer Sammlung erleiden zu müssen. Andererseits tun wir damit den jungen Künstlern, den Absolventen, etwas Gutes, wenn wir die Arbeiten in unsere Sammlung aufnehmen, denn dies hat eine Strahlkraft nach außen. Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass wir in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, um unseren Fokus auf junge Kunst zu flankieren: So haben wir beispielsweise die Bereitstellung der Siegprämie für den Internationalen Bergischen Kunstpreis übernommen.- Sehen Sie die Sammlung beziehungsweise einzelne Objekte als Investment?Selbstverständlich. Natürlich streben wir eine Wertsteigerung an, allerdings nicht in dem Sinne, dass wir damit Ergebnisbeiträge für unsere National-Bank erzielen wollen. In der Leitung unseres Instituts stehe ich aber gemeinsam mit meinen Kollegen in der Verpflichtung sicherzustellen, dass sich unsere Investments ordentlich entwickeln. Dabei hat es sich als sinnvoll erwiesen, unsere vielfältigen Initiativen nicht nur im Hinblick auf unsere Sammlung, sondern auch unser gesamtes kulturelles und gesellschaftliches Engagement konsequent miteinander zu verzahnen.- Könnten Sie dafür bitte Beispiele nennen?Wir haben etwa Tony Cragg Anfang 2008 gebeten, für uns die Arbeit “Large Standing Figure” zu erstellen. 2011 haben wir sie dann im Rahmen einer wunderbaren Ausstellung unter der Überschrift “Things On My Mind” im MKM Museum Küppersmühle in Duisburg der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Und nun helfen wir, die Ausstellung “Die Bildhauer” in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K20 zu ermöglichen. Ich denke, an diesen Beispielen wird zugleich deutlich, mit welcher tatsächlich gelebten Nachhaltigkeit wir uns in Nordrhein-Westfalen einbringen. Der guten Ordnung halber sollte ich allerdings ergänzen, dass wir über einen im Vergleich zu anderen Häusern unserer Größe außerordentlichen geringen Marketingetat verfügen und stattdessen unsere Kunden und solche, die es werden wollen, an kulturellen Ereignissen teilhaben lassen.- Engagieren Sie sich erst seit ein paar Jahren so stark?Nein, schon mein Vorgänger Henner Puppel hat sich für Kunst interessiert und gemeinsam mit seinen damaligen Vorstandskollegen die Grundlagen unserer Sammlung gelegt. Seit der Stabübergabe Anfang 2007 habe ich das Engagement fortgeführt, allerdings inhaltlich stärker akzentuiert und fokussiert – auch im Hinblick darauf, das Engagement nach außen zu tragen, um nicht nur unsere Mitarbeiter, sondern auch unsere Kunden, Aktionäre und die interessierte Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen.- Woher kommen dieses starke Engagement und das Interesse für Kunst und Musik?Es entspringt dem Ziel, dass Nordrhein-Westfalen im internationalen Wettbewerb der Regionen dauerhaft einen auch kulturellen Spitzenplatz einnehmen kann. Als eine bundesweit führende, in Essen beheimatete konzernunabhängige Regionalbank fühlen wir uns dem Land Nordrhein-Westfalen und seinen Menschen in besonderer Weise verbunden.- Was waren die Motive für den Aufbau einer Sammlung?Zum einen ging es darum, Identität zu stiften – nach innen und außen. Zum anderen ist es der Beweis für die tatsächlich gelebte Nachhaltigkeit unseres kulturellen und gesellschaftlichen Engagements, das durch Ankäufe von Bildern die Künstler und damit ihr Schaffen fördert.- Und wie steht es um Ihr privates Interesse an Kunst?Das geht zurück auf das Ende meiner Schulzeit. Mein ältester Kunstkatalog ist die Dokumentation der großartigen Ausstellung “Westkunst”, die Anfang der achtziger Jahre in Köln stattfand. Ich lebte damals in Oldenburg. Von meinen Eltern bekam ich 100 DM, um Zugfahrt, Übernachtung und Essen zu bezahlen. Nach der Besichtigung der Ausstellung wuchs in mir der Wunsch, den Katalog zu erwerben. Da das Geld hierfür aber nicht reichte, entschloss ich mich, die Nacht im Freien zu verbringen, um mir den Katalog leisten zu können. Und wenige Monate später hatte ich das Glück, Andy Warhol am Rande einer Ausstellung in der Kestner Gesellschaft in Hannover zu treffen und mit ihm ins Gespräch zu kommen. Er hatte mich sehr beeindruckt. Das war der Anfang.- Sammeln Sie auch privat?Ja, zeitgenössisch und international, vorzugsweise abstrakt.- Öffentliche Gelder werden gekürzt, immer mehr Museen müssen schließen. Wird das Modell der Zukunft so aussehen, dass Banken und Unternehmen aushelfen müssen?Angesichts der schwierigen fiskalischen Situation vieler Länder, Städte und Gemeinden ist eine private Unterstützung öffentlich-rechtlicher Museen unverzichtbar. Ich denke, dass es zukünftig mehr denn je eine zweigliederige Förderung geben muss: eine öffentlich-rechtliche Grundversorgung einerseits und das private Engagement von Unternehmen und Stiftungen andererseits. Unabhängig von einem kulturellen Bildungsauftrag ist eine öffentlich-rechtlich finanzierte Grundversorgung unverzichtbar.- Warum?Weil Unternehmen und Stiftungen nicht alles fördern wollen und können. Es gibt Schwerpunkte in fast jeder Sammlung, in fast jedem Engagement. Da bleiben auch Lücken, ganz bewusst. Deshalb ist eine Grundversorgung gegenüber den Museen notwendig, auch damit ein Mindestmaß an Unabhängigkeit besteht und Freiräume in der inhaltlichen und kuratorischen Gestaltung erhalten bleiben. Das wird durch die Erkenntnis gestützt, dass 2011 rund 14 Millionen Menschen die Bundesliga-Stadien besucht haben, aber mehr als 120 Millionen Menschen in die Museen gegangen sind. Dazu kommen dann Unternehmen und Stiftungen, die eigene Schwerpunkte haben und ergänzend wirken. Ein schöner Fall einer gelungenen privaten Unterstützung ist das MKM Museum Küppersmühle in Duisburg, das aufgrund privater und unternehmerischer Zuwendungen einen Selbstfinanzierungsgrad von rund 95 % hat.- Sitzen Sie auch in Aufsichtsräten, Gremien oder Konsortien, die die Museen beim Kauf beraten?Nein, mein Engagement in diesem Bereich bezieht sich auf die Wahrnehmung von Mandaten in Stiftungen mit kulturellem Schwerpunkt, etwa der Stiftung Klavier-Festival Ruhr, dem kulturellen Leitprojekt des Initiativkreis Ruhr, oder der Daniel Barenboim Stiftung in Berlin, um nur zwei Beispiele zu nennen.- Welches Volumen haben die Ausgaben der National-Bank für Kunst? Gibt es neue Ankäufe?Über die Höhe der Ausgaben für Kunst möchte ich keine Angaben machen. Zu oft wird Kunst auf die Höhe des jeweiligen Kaufpreises reduziert. Das gefällt mir nicht. Es wird weder der Kunst noch dem Künstler gerecht. Hinzu kommt, dass die Ausgaben durch die Dauer der Abschreibungen bilanziell relativiert werden. Trotzdem gilt: Wir sind und bleiben bescheiden. Grundlage hierfür ist die Solidität und Stabilität unserer National-Bank. Die letzten Ankäufe waren Arbeiten von Katharina Sieverding aus dem Ausstellungsprojekt in der Casa di Goethe in Rom. Cornelia Lauf und Ludovico Pratesi, die beiden Kuratoren der Ausstellung, hatten Katharina Sieverding eingeladen, aus der gut 50 000 Objekte umfassenden Privatsammlung Johann Wolfgang Goethes in Weimar signifikante Stücke auszuwählen, in Goethes ehemaliger römischer Wohnung am Corso zu installieren und mit einer eigenen künstlerischen Arbeit zu verbinden. Weitere Ankäufe umfassten grafische Arbeiten von Richard Deacon, eher selten für ihn. Auch ein Werk von Markus Lüpertz aus seinem neuen Zyklus “Grundgesetz” ist dabei. Gerade hier bin ich davon überzeugt, dass die Arbeit nicht nur im Hinblick auf die historische und verfassungsrechtliche Bedeutung für unser Land, sondern auch für das Oeuvre von Lüpertz einen zentralen Stellenwert bekommen wird.- Gibt es Auftragsarbeiten für die Bank?Meine Kollegen und ich sind zurückhaltend bei der Vergabe von Auftragsarbeiten. Wir sind davon überzeugt: Kunst erfordert Kreativität und Entfaltung. Auch Spontanität, Intuition und Gefühl sind wichtig. Wir wollen das Werk eines Künstlers, einen bestimmten Qualitätsanspruch vorausgesetzt, erwerben, wenn es fertig ist. Wir wollen keinen Einfluss auf die Schaffensphase nehmen. Insofern halten wir es anders als einst Maecenas.- Gibt es Verkäufe, um die Sammlung anzupassen?Ja, Mitte 2008 haben wir etwa eines der sogenannten Bleibilder von Anselm Kiefer nach London verkauft. Wir haben die Erlöse gezielt für Neuankäufe eingesetzt.—-Das Interview führte Anna Perucki.