GRÜNE ZERTIFIKATE

"Enorm an Bedeutung gewonnen"

Interview mit Lars Brandau

"Enorm an Bedeutung gewonnen"

Lars Brandau, Geschäftsführer Deutscher Derivate Verband (DDV)Herr Brandau, wie groß ist das Marktvolumen von grünen Zertifikaten in Deutschland? Gibt es Angaben zu den aktivsten Emittenten?Das Thema Nachhaltigkeit hat in den zurückliegenden Jahren enorm an Bedeutung gewonnen und politisch sicher Fahrt aufgenommen. Eine quantitative Betrachtung der Volumina macht aber derzeit wenig Sinn, weil wir uns erst ganz am Beginn eines internationalen Diskurses und einer Produktpalette bewegen, die auch tatsächlich nachhaltig sein soll und nicht nur so genanntes “Greenwashing” ist. Zumindest können wir feststellen, dass immer mehr Indexprovider neben den klassischen Benchmarks auch jeweils eine sozial verantwortungsvolle – SRI – oder umwelt- und sozialverträglichere ESG-Variante anbieten. Strukturierte Wertpapiere werden auch in diesem Segment als sinnvolle Ergänzung zur Beimischung eingesetzt werden. Was die Emittentenseite anbelangt, ist davon auszugehen, dass alle größeren Banken mit breiten Angeboten an Anlageprodukten für Retailkunden auch nachhaltige Zertifikate anbieten werden.Sie erwarten also neue Produkte?Der Markt für nachhaltige Geldanlagen wird derzeit vor allem von institutionellen Anlegern getragen. Hier geht es nicht selten um eine Operationalisierung von Nachhaltigkeitsfaktoren für ein zukunftsfähiges Risikomanagement. Der EU-Aktionsplan zu Sustainable Finance könnte – je nach Ausgestaltung – bereits einiges an Wirkung entfalten. Stabile politische Rahmenbedingungen jenseits der Vorgaben für den Finanzsektor sind ebenfalls zentral. Sobald die Fragen der Taxonomie geklärt sind, wird es auch Basket-Angebote für den Retailmarkt geben. Für den Retailbereich ist insbesondere die geplante überarbeitete Vorgabe aus der Finanzmarktrichtlinie Mifid für die Anlageberatung zu nennen. Im Rahmen der sogenannten Geeignetheitsprüfung müssten Anleger nach ihrer Nachhaltigkeitspräferenz befragt werden. Insbesondere Anleger, die noch keine ausdifferenzierte Nachhaltigkeitspräferenz haben, könnten geneigt sein, quasi reflexartig erst einmal Ja zu mehr Nachhaltigkeit zu sagen – ohne dabei notwendigerweise etwaige Zielkonflikte bezüglich ihrer Anlageziele klar vor Augen zu haben. Sie haben Greenwashing angesprochen. Welche Definitionen oder Labels im Bereich “grün” spielen für den Derivateverband hier eine Rolle?Der Markt für nachhaltige Geldanlagen für Privatanleger spielt gegenwärtig noch eine eher untergeordnete Rolle. Deshalb finden Labels für die Zertifizierung von Finanzprodukten in Deutschland derzeit kaum Anwendung. Deutlich mehr Relevanz haben aktuell Nachhaltigkeitsresearch und auch Nachhaltigkeitsratings, die die Basiswerte von Anlagen bewerten. Ganz sicher werden Marktstandards in Zukunft eine noch größere Rolle spielen, auch mit Blick auf die Transparenz nachhaltiger Geldanlagen. Letzteres nimmt der DDV sehr ernst. Denn nur durch klare transparente Strukturen kann ein Produktangebot glaubwürdig sein und die Privatkunden überzeugen.Was spricht eigentlich für grüne Zertifikate? Ist nicht die Zusammensetzung des Underlyings entscheidend, wie grün die Anlage ist?Dem zugrundeliegenden Basiswert kommt eine herausragende Bedeutung zu. Für Anleger muss nachvollziehbar sein, warum ein Titel als nachhaltig klassifiziert wird. Dies gilt für Zertifikate-Emissionen, die häufig nur auf einen oder auf eine begrenzte Anzahl von Basiswerten abstellen, ganz besonders. Im Vergleich zu einem Fonds kann sich ein spezifischer Basiswert nicht hinter einer Gesamtstrategie verstecken. Welche Assets sind grundsätzlich denkbar?Bezüglich der infrage kommenden Assets gibt ein weites Spektrum. Dies dürfte auch in Zukunft so bleiben; insbesondere im Sinne des Anlegerschutzes. Treiber nachhaltiger Geldanlagen sind derzeit vor allem Bewertungsansätze, die auf die relative Nachhaltigkeit von am Kapitalmarkt präsenten, hochliquiden Basiswerten abzielen – vor allem sogenannte Best-in-Class-Ansätze. Für den Anleger sind solche Ansätze entscheidend, um auch künftig sein Portfolio hinreichend risikodiversifizieren zu können. Generell bieten Zertifikate transparente Anlagemöglichkeit mit einer schnell verfügbaren Liquidität.Ist davon auszugehen, dass auch neue Anlageklassen über Zertifikate zugänglich gemacht werden?Es gibt vereinzelt bereits solche Produkte, etwa auf Infrastrukturthemen. Frühere Anläufe, etwa Windparks zu verbriefen und als Zertifikate auf den Markt zu bringen, waren nicht von Erfolg gekrönt. Es ist aber nicht auszuschließen, dass es neue Produkte in diesem Bereich geben wird.Das Interview führte Dietegen Müller.