Enorme preisliche Unterschiede im Verborgenen

Es bedarf Zeit, diese Differenzen ausfindig zu machen - zahlt sich aber aus

Enorme preisliche Unterschiede im Verborgenen

Käufer von Hebelprodukten gelten nicht ohne Grund als äußerst preissensitiv, schließlich können nur wenige Cent Preisbewegung des Basiswertes über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Getreu der alten Kaufmannsweisheit “Der Gewinn liegt im Einkauf” gehört gerade der Preisvergleich auf den einschlägigen Onlineportalen vor dem Kauf zum Standardrepertoire bei vielen Tradern. Die Funktionsweise der Produkte ist bei den hiesigen Anbietern identisch, folglich sollte ein Preisvorteil nur durch die Auswahl des Emittenten erzielbar sein. Kein SpielraumAls Kriterium, was günstig und was teuer ist, wird in der Regel die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis – sprich der Spread – als Entscheidungskriterium gewählt. Doch die Unterschiede bei den Spreads sind meist marginal und kaum größer als 1 Cent. Der hart umkämpfte Wettbewerb erlaubt keinen Spielraum. Allein auf die 30 Aktien aus dem Dax® bieten knapp 20 Emittenten Produkte an. Sowohl tradingorientierte Anleger als auch Vermögensverwalter, die Hebelprodukte zu Absicherungszwecken nutzen, sollten ihren Blick auf die Preisunterschiede bei der Berechnung der endlos laufenden – auch Open End genannten – Hebelprodukte richten. So transparent und auch austauschbar Open-End-Knock-out-Produkte wie Open-End-Turbos, Mini-Futures und Co. auf den ersten Blick wirken, so groß sind dagegen die Preisunterschiede im Verborgenen.Um die Unterschiede zu erkennen, ist es daher wichtig, sich auch mit der täglichen Preisbildung von Open-End-Knock-out-Produkten vertraut zu machen. Neben dem Spread spielen besonders die Finanzierungskosten eine entscheidende Rolle für Positionen, die länger als einen Tag im Depot des Anlegers liegen. Open-End-Produkte verfügen über keine feste Laufzeit, daher kommt es in der Regel börsentäglich zu einer nächtlichen Anpassung bei der Bemessungsgrundlage für die Preisbildung. Dies geschieht über die Anpassung des Basispreises. Der dafür verwendete Anpassungssatz setzt sich aus zwei Komponenten zusammen – dem Marktzinssatz und der Emittentenprämie.Der Marktzinssatz richtet sich in der Regel nach der Währung des Basiswertes, beispielsweise dem Eonia bei in Euro gehandelten Basiswerten, und wird täglich auf den Basispreis zu einem 360zigstel addiert (long) beziehungsweise subtrahiert (short). Dank der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) wirkt sich aufgrund eines derzeit häufig negativen Zinsumfeldes der Marktzinssatz für Kreditnehmer (long) bei europäischen Titeln sogar positiv aus, wohingegen Kreditgeber (short) Zinsen zahlen müssen. Preisunterschiede bei den Emittenten sind bei dem Marktzinssatz nicht zu erwarten. Ein Blick auf die Referenz kann aber durchaus sinnvoll sein. Emittentenprämie im BlickDie zweite und entscheidende Komponente ist die Emittentenprämie. Sie spiegelt, vereinfacht ausgedrückt, die Marge des Emittenten wider. Hier lassen sich deutliche Unterschiede erkennen. In Abhängigkeit vom Basiswert lassen sich teilweise Differenzen von bis zu 2,5 % ausmachen. Zum Beispiel liegt die Bandbreite für die Emittentenprämie bei Mini-Future-Zertifikaten auf Aktien aus dem Dax® zwischen 2,5 und 5,0 % je nach Anbieter. Auch hier findet die börsentägliche Anpassung des Basispreises zu einem 360zigstel statt. Die tägliche Anpassung des Basispreises wirkt sich daher meist nur auf die dritte Stelle im Nachkommabereich aus, was eine Vergleichbarkeit unter den Emittenten erschwert. Beispiel verdeutlicht esEin Beispiel: Ein Mini-Future-Zertifikat auf Daimler mit einem Hebel von fünf erfährt bei einem Eonia von – 0,35% und einer Emittentenprämie von 2,5 % eine tägliche Anpassung in Höhe von 0,00293 Euro. Im Falle einer Emittentenprämie von 4 % liegt die tägliche Anpassung bei 0,00498 Euro und damit knapp 70 % höher. Dieser Unterschied mag bei einer sehr kurzen Haltedauer kaum eine Rolle spielen. Doch können wir durchschnittlich eine Haltedauer von zehn Tagen beobachten. Im Falle des beschriebenen Daimler-Mini-Future beträgt die Differenz nun bereits 2 Eurocent. Zum Vergleich: Ein Unterschied im Spread von 2 Cent würde den Mini-Future mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ladenhüter machen.Etwas deutlicher wird der Einfluss der Emittentenprämie, wenn man den Hebel und die Haltedauer erhöht. Ein Open-End-Turbo mit einem Basispreis von 10 000 Punkten würde bei unverändertem Dax®-Stand von 10 400 Punkten bei einer Marge von 2,5 % nach 30 Tagen 4,3 % an Wert verlieren. Bei 4 % Emittentenprämie sind es bereits 7 %. Für den theoretischen Fall eines dauerhaft unveränderten Dax®-Standes für 360 Tage und eines unveränderten Eonia wäre das Hebelprodukt mit 4 % Marge um 80 % im Wert gefallen, das Produkt mit 2,5 % dagegen nur um 48 %. In Dax®-Punkten ausgedrückt beträgt der Unterschied im Basispreis zwischen dem “günstigen” und dem “teuren” Produkt 155 Punkte.Nun mag man dem entgegenhalten, dass eine Haltedauer von 360 Tagen für Hebelprodukte unrealistisch ist. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass es nicht um die Haltedauer eines Produkts, sondern um die Haltedauer aller Produkte im Portfolio geht. Wer zwar nur durchschnittlich drei Tage investiert ist, aber das gesamte Jahr Positionen hält, ist folglich auch 360 Tage investiert. Zurückblickend auf die zu Beginn erwähnte Preissensitivität von spekulativ orientierten Anlegern stellt sich die Frage, weshalb die Emittentenprämie bei der Berücksichtigung des Produktanbieters eher eine untergeordnete Rolle spielt.Hier gibt es mehrere Erklärungsansätze. Zum einen fehlt teilweise schlicht die Kenntnis über diese Kostenkomponente. Zum anderen ist es im Gegensatz zu den Spreads für Kunden nur schwer möglich, die Emittentenprämien zu vergleichen. Während manche Emittenten die Kostenkomponenten im jeweiligen Produktporträt auf der Webseite proaktiv veröffentlichen, halten sich – wenig überraschend – häufig Emittenten mit höheren Kostensätzen vornehm zurück. Hier hilft dann nur das Studium der endgültigen Angebotsbedingungen.Ein weiterer Einfluss auf die Emittentenauswahl ergibt sich aufgrund sich unterscheidender Transaktionskosten. Hebelprodukte werden überwiegend online und außerbörslich mittels Onlinebrokern gehandelt. Diese bieten im Rahmen sogenannter Flat-Fee-Aktionen für ausgewählte Emittenten und Produktgruppen besonders günstige Konditionen an. Ein signifikanter Anteil des Orderflow, gerade bei dem Handel von Hebelprodukten, wird hierdurch auf die an der Aktion teilnehmenden Emittenten verteilt. Der Wettbewerb unter den Emittenten macht, auch zur Freude der Onlinebroker, am Point-of-Sale nicht halt.Ein weiterer meist unbeachteter Kostenfaktor wird deutlich, wenn man einen Blick auf die Anpassung des Basispreises bei der Dividendenzahlung des Basiswertes wirft. Aufgrund der nicht vorauszusehenden Laufzeit von endlos laufenden Wertpapieren ist es nicht möglich, die zu-künftig zu erwartenden Dividendenzahlungen einzupreisen. Aus diesem Grund passt der Emittent, in der Regel am Börsentag nach der Hauptversammlung, den Basispreis des entsprechenden Hebelproduktes an, um den Einfluss des Dividendenabschlages auszugleichen. Die Anpassung wird aber bei Produkten, die auf steigende Notierungen setzen, nicht zu 100 % vorgenommen.Eine Auswertung einer Fachpublikation hat im Falle der Berücksichtigung der Dividendenzahlung für Open-End-Turbos auf Daimler eine Spanne von 67 bis 90 % aufgezeigt. Konkret ausgedrückt: Während der “günstigste” Emittent von der am 7. April 2016 gezahlten Daimler-Dividende in Höhe von 3,25 Euro den Basispreis um einen Betrag von 2,92 Euro anpasst, passt der “teuerste” Emittent den Basispreis nur um 2,20 Euro an. Anleger können am Dividendentermin einen Nachteil von bis zu 70 Eurocent vermeiden, wenn sie bei der Auswahl des Emittenten den Dividendenanpassungssatz berücksichtigen.Es ist sogar denkbar, dass bei vorher identischer Ausgestaltung ein Turbo des im Vergleich teureren Emittenten aufgrund der Dividendenanpassung ausknockt, während der Turbo eines günstigeren Emittenten auch nach dem Dividendenabschlag davon verschont bleibt. Doch um die Unterschiede bei den Anpassungssätzen zu identifizieren, kommen Anleger um einen Blick in die endgültigen Angebotsbedingungen oder einen Anruf der Emittentenhotline nicht herum.Als Fazit lässt sich festhalten, dass die preislichen Unterschiede bei den Emittenten für Open-End-Knock-out-Produkte nur auf den ersten Blick rudimentär und eher vernachlässigbar sind. Ein tieferer Blick macht dagegen deutlich, dass Preisunterschiede signifikant sein und einen entscheidenden Einfluss auf die zu erzielenden Renditen haben können. Die Unterschiede ausfindig zu machen, bedarf etwas Zeit, die sich aber auszahlt. Häufig geben die Unterschiede bei der Transparenz hinsichtlich der Darstellung der Kosten schon ein gutes Indiz. Wer es genauer wissen möchte, dem sei beispielsweise der Onlinerechner für Open-End-Knock-out-Produkte unter www.hsbc-zertifikate.de ans Herz gelegt.—Matthias Hüppe, Leiter Derivatives Public Distribution bei HSBC