SERIE: IMMOBILIENMÄRKTE IM AUSNAHMEZUSTAND (9)

Er läuft und läuft und läuft ...

Gewerbeimmobilienmarkt in Deutschland ungebrochen dynamisch - Auch 2017 bleibt das Angebot knapp

Er läuft und läuft und läuft ...

Am deutschen gewerblichen Immobilienmarkt stehen die Ampeln auch im neuen Jahr auf Grün. Eine Ende des Booms ist nicht in Sicht. Schon 2016 lief es besser als erwartet.Von Thomas List, FrankfurtBrexit, EZB, Trump – die Chancen und Risiken für die Immobilienwirtschaft liegen auf der Hand. Das gilt global und natürlich auch für den Gewerbeimmobilienmarkt in Deutschland. Der läuft und läuft und läuft schon seit Jahren sehr gut und hat 2015 mit einem Transaktionsvolumen von rund 55 Mrd. Euro den Rekord des letzten Boomjahres 2007 eingestellt. Im Jahr 2016 wurde dieser Wert mit knapp 53 Mrd. Euro deutlich weniger unterschritten als befürchtet (vgl. BZ vom 6. Januar). Zuvor erwarteten Beobachter ein Minus von 10 bis 15 %. Deutlich stärker, nämlich um fast die Hälfte auf 13,7 Mrd. Euro, sind hingegen die Transaktionen bei Wohnportfolien gesunken – bedingt durch die deutlich geringere Zahl von Großdeals. Weiter hochattraktivDer Rückgang des Transaktionsvolumens bei Gewerbeimmobilien liegt aber nicht an einer sinkenden Attraktivität Deutschlands. Vielmehr gilt das Land unverändert als Hort der Stabilität und als sicherer Hafen in einem immer unruhigeren Europa. Ursache des 2016 zurückgehenden Transaktionsvolumens ist vielmehr das mangelnde Angebot. Gefragt sind in erster Linie Büro-Objekte in Spitzenqualität an Top-Standorten (“Core”). Die sind an Standorten wie Frankfurt, Hamburg, München oder Berlin aber Mangelware. Wer sie hat, gibt sie mangels Investitionsalternative nicht her.Der Neubau, also Projektentwicklungen, zieht zwar an, reicht aber bei weitem für den Bedarf nicht aus, mal abgesehen davon, dass solche Projektentwicklungen per se einer ganz anderen Risikoklasse angehören. Dies gilt auch dann, wenn sie, wie heute üblich, Vorvermietungen von 50 % und mehr aufweisen. Als Investitionsbremse wirkt aber auch das “eher konservative” Finanzierungsverhalten der Banken. “Eine immer stärker werdende Regulierung der Aufsichtsbehörden bremst die Kreditvergabe für Finanzierungen außerhalb des klassischen Core-Produkts”, sagte der bisherige Deutschland- und zukünftige Europa-Chef des führenden Immobiliendienstleisters JLL, Frank Pörschke, kürzlich in Berlin.Dominierende Nutzungsart bei Gewerbeimmobilien sind mit etwa 45 % Büros. Wie sehr Büros gefragt sind, zeigen zwei Kennzahlen: Die Leerstandsquote betrug 2016 nur noch 5,9 % in den Big-7-Standorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart (aggregierte Größe laut JLL). Die Nettoanfangsrendite sank unter 4 % auf etwa 3,5 %, ein Wert, der bisher nur in Paris oder London zu beobachten war. Entsprechend steigen auch die Mieten weiter. Traditionell den zweiten Rang beim Transaktionsvolumen nimmt hierzulande der Einzelhandel ein. An dieser Rangfolge – Büro mit deutlichem Abstand vor dem Einzelhandel – dürfte sich auch in Zukunft grundsätzlich nichts ändern. Allerdings haben 2016 Shoppingcenter & Co bei den Investoren deutlich an Attraktivität eingebüßt zugunsten von Pflege- und Seniorenimmobilien sowie Hotels. So wurde für Pflege- und Seniorenheime in den ersten drei Quartalen 2016 schon so viel investiert wie 2014 und 2015 zusammen. Trend setzt sich fortDieser Nischentrend dürfte sich fortsetzen. Daran zeigt sich, dass manche Investoren angesichts des hohen Anlagedrucks und des schmalen Angebots bei Top-Objekten bereit sind, mehr Risiken einzugehen.Wie wird es 2017 weitergehen? Für Deutschland wird ein anhaltendes, leichtes Wirtschaftswachstum erwartet. Entsprechend attraktiv ist das Land für nationales und internationales Kapital. 2015 stammte etwas mehr als die Hälfte aus dem Ausland, 2016 dürften es etwa 45 % werden. Die meisten dieser Investoren kamen aus Frankreich, gefolgt von den USA und Großbritannien. 2017 sind hier kaum größere Änderungen zu erwarten, auch wenn die politischen und wirtschaftlichen Perspektiven mit dem Amtsantritt Donald Trumps als US-Präsident am 20. Januar höchst ungewiss sind. Weitere Unwägbarkeiten sind insbesondere die Präsidentschaftswahlen in Frankreich im April beziehungsweise Mai und die Bundestagswahlen voraussichtlich im September 2017. An der Zinsfront wird mit einem leichten Umsteuern der EZB, sprich moderat steigenden Zinsen, gerechnet. In den bisherigen BahnenSollten die beiden Wahlen wie erwartet die etablierten Kräfte bestätigen, so wird die wirtschaftliche Entwicklung und werden damit auch die Immobilieninvestitionen in den bisherigen Bahnen verlaufen. Mehr Klarheit darüber, wie genau der Brexit verlaufen und was er für Großbritannien und (Rest-)Europa bedeuten wird, könnte auch zu Immobilienentscheidungen, sprich Verlagerungen von Personal an kontinentaleuropäische Standorte, führen. Allerdings wird nach einer Modellrechnung von JLL selbst der Umzug von 8 000 Bankern nach Frankfurt zu keinen gravierenden Auswirkungen führen. Denn in der Bankenmetropole gibt es genügend Leerstand und Projektentwicklungen (die bis 2019 fertiggestellt werden), so dass die Mieten sich kaum verändern würden.Skeptischer zeigt sich der Immobiliendienstleister Colliers in seinem Jahresausblick. Unter anderem wegen der in den USA vollzogenen Zinswende und der Hoffnung auf einen von expansiver Fiskalpolitik gestützten Wirtschaftskurs unter Donald Trump “(könnte) die Nachfrage nach deutschen Gewerbeimmobilien allmählich abnehmen”. Institutionelle Anleger, die 2016 ihre Immobilienquoten spürbar ausgeweitet haben, könnten wieder verstärkt in US-amerikanische Staatsanleihen investieren, heißt es bei Colliers weiter. “Die mittlerweile zu positiver Verzinsung zurückgekehrten deutschen Staatsanleihen dürften auch wieder als Alternativinvestment an Bedeutung gewinnen.”Für Thomas Beyerle, Leiter Research beim Immobilieninvestmenthaus Catella, sind aufgrund der anstehenden Wahlen in Deutschland zwei Szenarien denkbar: Massive Vorzieheffekte mit entsprechend hoher Dynamik aufgrund einer vermeintlichen Verschlechterung der Lage für Immobilien (zum Beispiel Grundsteuerreform, Erhöhung der Grunderwerbsteuer, Änderungen der Energieeinsparverordnung ENEV, Ende der Share Deals) oder eine “frozen period”, das heißt, Entscheidungen werden aufgeschoben aufgrund von “Wahlgeschenken” der Parteien (zum Beispiel Wiedereinführung der degressiven Abschreibung, Wohnbauprogramme, “bezahlbares Wohnen”). Volumen 2017 wie 2016Trotzdem erwartet Catella ein “sehr gutes” Jahr für die Immobilie. Über alle Assetklassen, also inklusive des gewerblichen Wohnens, rechnet er 2017 mit einem Transaktionsvolumen von rund 60 Mrd. Euro, circa 20 % unter dem des Rekordjahres 2015. Colliers geht ebenso wie andere Marktbeobachter davon aus, dass das gewerbliche Transaktionsvolumen in Deutschland in diesem Jahr ähnlich hoch wie 2016 ausfallen wird, also zwischen 45 und 50 Mrd. Euro liegt.Die anhaltende Knappheit bei Core-Objekten wird zu nochmals leicht sinkenden Renditen (bei Büros Richtung 3,0 %) und zu einer weiter verstärkten Berücksichtigung von B-Standorten und Nischensegmenten wie Mikroapartments (inklusive Studentenwohnheimen), Parkhäusern und Pflegeheimen führen.—-Zuletzt erschienen: – “Das Abwärtsrisiko ist beherrschbar” (12.1.)