Erfolgsmodell Coworking - Flächenengpässe flexibel lösen
Coworking ist aktuell eines der großen Themen am Büromarkt. Die relativ neue Form der Arbeitsplatz- beziehungsweise Büronutzung zeichnet sich durch große Flexibilität und Möglichkeiten zur offenen Kommunikation aus. Dabei muss zwischen der ursprünglichen Form reiner Coworking Spaces und hybriden Konzepten unterschieden werden. Bei beiden handelt es sich um die flexible, zeitlich befristete Vermietung von Büroarbeitsplätzen. Sie sind mit Büromöbeln und Druckern ausgestattet und sofort nutzbar.Reine Coworking Spaces bestehen statt einer klassischen Bürostruktur aus gemeinschaftlich genutzten Flächen. Das Umfeld ist modern und bietet mit Sitzgruppen und teilweise auch Freizeitangeboten eine hohe Aufenthaltsqualität. Hybride Konzepte hingegen verbinden die Vorzüge der lockeren Atmosphäre mit räumlich getrennten Arbeitsplätzen, also Einzel- und Teambüros. Steigende NachfrageDie Wachstumszahlen zeigen, dass es sich beim Modell Coworking um mehr als einen vorübergehenden Trend handeln dürfte. Seitdem Mitte des vergangenen Jahrzehnts erste flexible Arbeitsplätze im Silicon Valley in den Markt traten, ist die Zahl der internationalen Coworking-Angebote spürbar gestiegen. Heute gibt es weltweit rund 20 000 Standorte, an denen insgesamt 1,9 Millionen Nutzer arbeiten können.In Deutschland traten 2015 die ersten Coworking-Anbieter in den Metropolen Berlin, Hamburg und München in die Märkte ein. Seit 2017 ist eine spürbare Ausbreitung von Coworking-Arbeitsplätzen zu beobachten, die sich inzwischen in nahezu allen deutschen Großstädten finden. Mehr als 200 000 qm haben Anbieter von flexiblen Bürolösungen im vergangenen Jahr an den sieben deutschen Top-Standorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart angemietet. Das entspricht dem Fünffachen des Vorjahreswerts und macht rund 5 % des gesamten Büroflächenumsatzes aus – eine Entwicklung, die auch mit dem Aufwärtstrend am Büroimmobilienmarkt zusammenhängt, der durch ein sinkendes Flächenangebot bei gleichzeitig steigenden Mieten gekennzeichnet ist.Zielgruppen für die reinen Coworking Spaces im ursprünglichen Sinne sind in erster Linie Start-ups, Freiberufliche und Kreative, die die Möglichkeiten zur Kommunikation und Vernetzung untereinander in besonderem Maße zu schätzen wissen. Diese rein gemeinschaftlich genutzten Flächen dürften auch in Zukunft lediglich für einen Nischenmarkt von größerem Interesse sein. Für Unternehmen, für die ein gewisses Maß an Diskretion und eine ruhige Arbeitsatmosphäre von Bedeutung sind, sind Coworking-Angebote nur dann eine Alternative, wenn sich die Möglichkeit für Einzel- und Teambüros bietet.Vor diesem Hintergrund konzentriert sich die Nachfrage in Deutschland in erster Linie auf hybride Angebote, die für eine breite Nutzergruppe attraktiv sind. Rund zwei Drittel der Coworking-Arbeitsplätze werden hierzulande entgegen dem eigentlichen Konzept in räumlich getrennten Bereichen angeboten. Wenig überraschend fällt dementsprechend eine Befragung des Immobilienberatungsunternehmens Colliers aus dem Frühjahr dieses Jahres aus. Als wesentliche Gründe für die Anmietung von Coworking-Flächen wurden hier die niedrigen Fixkosten bei nur temporär erhöhtem Flächenbedarf sowie eine mangelnde Flächenverfügbarkeit in der aktuellen Marktlage am gewünschten Standort genannt.Hinzu kommt ein vorübergehend erhöhter Flächenbedarf in der Gründungs- oder Wachstumsphase. Originäre Coworking-Aspekte wie innovationsfördernder Austausch und Kommunikation mit anderen Nutzern und Unternehmen, ein modernes Arbeitsambiente und neue Arbeitsformen erhielten im Vergleich geringere Zustimmungswerte.Etablierte Unternehmen nutzen den Coworking-Markt demnach in erster Linie, um temporäre Engpässe ihrer eigenen Bürokapazitäten kurzfristig und flexibel zu lösen, vorübergehende Projektteams außerhalb des Firmenstandorts unterzubringen oder Arbeitsplätze auch dort bereitzustellen, wo keine eigenen Standorte unterhalten werden. Wenngleich alle genannten Aspekte auch Folgen der Entwicklung an den Büroimmobilienmärkten sind, dürfte insbesondere der letzte Punkt vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels unabhängig von den Marktentwicklungen an Bedeutung gewinnen. So vergrößert sich der potenzielle Mitarbeiter-pool, wenn Unternehmen in der Lage sind, auch Arbeitnehmer zu beschäftigen, die fernab der Firmenstandorte leben, und ihnen dabei attraktive Arbeitsplätze zur Verfügung stellen können. Noch junger MarktDer Coworking-Markt ist noch jung, seine Struktur wird sich in den nächsten Jahren wandeln. Neue Teilnehmer werden den Wettbewerbsdruck erhöhen, semiprofessionelle Anbieter werden verdrängt. Entscheidende Erfolgsfaktoren dürften vor diesem Hintergrund die technische Infrastruktur sowie der Standort sein.Besonders hohe Anforderungen haben Nutzer von Coworking-Angeboten an den Internetanschluss und die Serverkapazitäten. Mit zunehmender Technisierung und Digitalisierung kann die technische Ausstattung von Coworking-Arbeitswelten ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil gegenüber klassischen Büroflächen und Mitbewerbern sein. Darüber hinaus ist – wie in allen Immobilienmärkten – der Standortfaktor von zentraler Bedeutung. Wie im klassischen Büromarkt werden auch hier zentrale Citylagen in den großen Bürozentren bevorzugt. Büro- und Gewerbeparks hingegen sind für die Etablierung von Coworking-Flächen nur dann geeignet, wenn die Nähe zu bestehenden Firmensitzen mit potenziellen Nutzern gegeben ist.Ein zentraler Aspekt für Investoren und Eigentümer sind die Anforderungen an eine Immobilie, die sich bei Coworking-Anbietern mitunter maßgeblich von Mietern klassischer Büroimmobilien unterscheiden. Entsprechende Flächenkonzepte lassen sich auf den meist fertig ausgebauten Büroetagen kaum realisieren. Vielmehr ist es für Coworking-Konzepte optimal, wenn die Flächen im Rohbau übernommen und in Eigenregie nach dem jeweiligen Raumkonzept ausgebaut werden. Insofern ist ein nachhaltiges Geschäftsmodell seitens des Coworking-Anbieters für die Flächenvermieter von fundamentaler Bedeutung. Vor dem Hintergrund hoher erzielbarer Mieten ist es für Eigentümer von Büroimmobilien unter Umständen auch interessant, selbst zum Coworking-Anbieter zu werden, wenn sie einen Teil ihrer Büroflächen einrichten und neben leeren Büroetagen auch komplett ausgestattete Arbeitsbereiche anbieten. Für einen einzelnen flexiblen Arbeitsbereich, einen sogenannten “Hot Desk” ohne Schreibtisch und technische Ausrüstung, lassen sich derzeit monatlich rund 300 Euro Miete pro Arbeitsplatz erzielen.Gleichwohl ist hierbei zu bedenken, dass mehr als 50 % der Coworking-Arbeitsplätze monatsweise oder noch kürzer angemietet werden. Langfristige Direktvermietungen an die Nutzer sind kaum nachgefragt.Insgesamt sieht es für die nachhaltige Bedeutung von Coworking-Angeboten am Büromarkt positiv aus, auch wenn davon auszugehen ist, dass ein möglicher Rückgang der Büroflächennachfrage auch mit einem geringeren Interesse an Coworking-Angeboten einhergehen dürfte. Gleichwohl bedeuten die Flexibilität der Verträge, eine gute technische Infrastruktur sowie die Flächenverfügbarkeit an ausgewählten Standorten Chancen, Unternehmen trotz höherer Mieten langfristig an Coworking-Flächen zu binden. In erster Linie werden die flexiblen Arbeitsplatzlösungen auch in Zukunft vor allem in großen, angespannten Büromärkten eine wichtige “Pufferfunktion” bei zyklischen und unternehmensstrategischen Nachfrageschwankungen übernehmen. Im Zuge der sich wandelnden Arbeitswelt wissen viele Firmen nicht mehr, wie viele Mitarbeiter sie in zehn Jahren an einem Standort beschäftigen werden. Hier bietet die Flexibilität der Laufzeit Vorteile gegenüber den langfristigen Mietverträgen bei klassischen Büroimmobilien.Im zunehmenden Wettbewerb auf dem Markt wird der zentrale Erfolgsfaktor die Erkenntnis sein, dass reine Coworking Spaces ein Nischenmarkt bleiben. Vielmehr dürften die hybriden Coworking-Konzepte in Deutschland perspektivisch erfolgreich sein.—-Georg Reutter, Co-Vorstandsvorsitzender der DZ Hyp